„Für diese Meldung unterbrachen am Donnerstag viele israelische Radiosender ihr aktuelles Programm: Benjamin ‚Benny‘ Gantz, ehemaliger Generalstabchef der Armee, brach nach drei Jahren endlich sein Schweigen und stieg offiziell in die israelische Politik ein. Mit der Gründung seiner eigenen Partei Chossen LeIsrael (Stärke für Israel) wird Gantz zum einzigen Rivalen für Benjamin ‚Bibi‘ Netanjahu. (…)
Netanjahus größter Pluspunkt war bislang die Schwäche seiner Gegner. Im eigenen rechten Lager ist sein Führungsanspruch unumstritten. Die Partei des ehemaligen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman, der sich lange als potenzieller Nachfolger wähnte, ringt in Umfragen mit der Hürde von 3,25 Prozent.
Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei, mag im Gegensatz zu Netanjahu frei von Korruptionsverdacht sein und auch vielen überzeugten Ideologen glaubwürdiger erscheinen als der amtierende Premier, der mit seinen zahlreichen politischen Wendemanövern viele Anhänger enttäuschte. Doch im Gegensatz zu Netanjahu spricht Bennett nicht die politische Mitte an und hat somit keine Chancen, Regierungschef zu werden.
Noch schlechter steht es um die linke Opposition. Die Arbeiterpartei, traditionell das wichtigste Gegengewicht zu Netanjahus Likud, befindet sich in Umfragen auf einem historischen Tiefpunkt. (…)
Viele Israelis setzten deshalb ihre Hoffnungen auf Gantz. In Umfragen erwies sich der hochgewachsene, grauhaarige Ex-General konsequent als eine der beliebtesten Personen des öffentlichen Lebens. (…)
Gantz fällt vor allem durch eines auf: ‚Er weigert sich, in Panik zu geraten‘, so ein israelischer Kommentator. Das brachte ihn nicht selten in direkten Konflikt mit seinem obersten Boss, Netanjahu. Während der den Iran in düstersten Farben als existenzielle Gefahr darstellte, sagte Gantz in einem Interview 2016: ‚Ich weigere mich, in der Frage (des iranischen Atomprogramms) hysterisch zu werden. Ich kenne Israels Stärke und habe vollstes Vertrauen in unsere Sicherheit.‘ (…)
Seine enorme Popularität rührt vor allem daher, dass er als Projektionsfläche der Sehnsüchte nach dem ‚guten alten Israel‘ diente. Wie er zu zentralen politischen Fragen steht, weiß man nicht. In einem Interview 2016 forderte er, Israel müsse eine ‚gerechte und moralische Gesellschaft sein‘, und eine ‚sehr faire‘. Das Land müsse sich nicht nur um die Sicherheit seiner Bürger kümmern, sondern auch um deren ‚Wohlstand und soziale Gleichheit‘.
Wie er diese Ziele erreichen will, erklärte der Vater von vier Kindern indes nicht. Manche wähnen Gantz als Teil des linken Friedenslagers, obwohl er sich zur Frage eines Friedensabkommens mit den Palästinensern noch nicht geäußert hat.“ (Gil Yaron: „Der Mann, der Netanjahu gefährlich werden könnte“)