Wochenbericht, 6.2. bis 12.2.2012

Die Nahostberichterstattung österreichischer Tageszeitungen stand in den letzten sieben Tagen eindeutig unter dem Eindruck des andauernden Blutvergießens in Syrien. Während die Zahl der insgesamt veröffentlichten Artikel über die Region mit 212 auf einem vergleichsweise hohen Niveau blieb, beschäftigten sich über vierzig Prozent der Beiträge mit den aktuellen Horrormeldungen aus Damaskus und anderen Städten des Landes sowie mit den hilflos wirkenden Versuchen der internationalen Staatengemeinschaft, dem Morden ein Ende zu setzen.

Betrachtet man die Verteilung der veröffentlichten Artikel in den von MENA regelmäßig ausgewerteten Medien, so ergibt sich ein bekanntes Bild: Standard und Presse veröffentlichten die meisten Beiträge, wobei letztere diese Woche erneut knapp die Nase vorne hatte:

Wochenbericht, 6.2. bis 12.2.2012

Viel aussagekräftiger ist allerdings ein Blick darauf, welche Länder in der vergangenen Woche das Interesse österreichischer Tageszeitungen weckten, denn selten ist dabei eine so deutliche Dominanz eines Landes zu bemerken, wie es dieses Mal mit Syrien der Fall war:

Wochenbericht Tabellen - Wochenbericht - 13Feb12 - Tab2

Die Berichterstattung über Syrien stand zu Beginn der letzten Woche noch ganz unter dem Eindruck der Vetos, mit denen Russland und China den Beschluss einer Resolution des UN-Sicherheitsrates verhinderten. Während das chinesische Veto in der Diskussion kaum eine Rolle spielte, konzentrierte sich die Kritik voll und ganz auf das russische Nein im höchsten Gremium der Vereinten Nationen. Vielfach war im Zusammenhang mit der russischen Verweigerungshaltung vom „Entsetzen“ der Staatenwelt (Standard, 6. Feb. 2012) sowie von „Empörung“ (KURIER, 6. Feb. 2012) und „Ratlosigkeit“ die Rede. (Presse, 6. Feb. 2012) Das Scheitern des von Marokko eingebrachten Resolutionsentwurfes, der mit Rücksicht auf die Haltung Russlands ohnehin schon stark abgeschwächt worden war, bescherte den Vereinten Nationen, in den Worten des britischen Außenministers William Hague, eine „Stunde der Schande“. Österreichs Botschafter bei den Vereinten Nationen ortete einen „schweren Schlag gegen die UNO-Ziele“ (KURIER, 8. Feb. 2012), UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einer „großen Enttäuschung“, der französische UN-Botschafter warf den beiden Vetoländern vor, sie hätten nun „das Blut des syrischen Volkes an ihren Händen“, und die syrische Opposition sah im Doppelveto Russlands und Chinas eine „Lizenz zum Töten“ für das Regime Assads (Standard, 6. Feb. 2012; Kleine Zeitung, 6. Feb. 2012; KURIER, 6. Feb. 2012).

So einhellig die Empörung über die Haltung der wenigen noch verbliebenen internationalen Unterstützer des Regimes von Diktator Assad war, so seltsam wirkte sie bei genauerem Nachdenken. Denn im Grunde war allen Beteiligten bereits im Vorhinein klar, dass die Resolution im Sicherheitsrat keine Chance haben würde, denn niemand konnte davon ausgehen, dass Russland oder China von ihrer stets öffentlich bekundeten Haltung in der Syrienfrage abgehen würden. Beiden Ländern ist nur allzu gut im Gedächtnis geblieben, dass ihre Stimmenthaltung bei der Beschlussfassung der Libyenresolution im März 2011 einen NATO-Militäreinsatz zur Folge hatte, der letztlich im Sturz des Regimes von Muammar al-Gaddafi endete. Dies war der Hintergrund der Warnung des russischen Botschafters in Österreich in seinem Gastkommentar, es könne nicht darum gehen, „nach dem libyschen Muster“ einen Machtwechsel in Syrien herbeiführen zu wollen. (Standard, 9. Feb. 2012; vgl. auch Presse, 10. Feb. 2012) Wenn aber klar war, dass Russland aus seiner Sicht nicht ein zweites Mal den gleichen „Fehler“ begehen würde, welchen Sinn hatte es dann, den Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat überhaupt zur Abstimmung zu bringen? Die Jerusalem Post-Kolumnistin Caroline Glick war nicht allein mit der Vermutung, dass es in Wahrheit in New York nicht darum ging, substanziell etwas an der misslichen Lage der syrischen Bevölkerung zu ändern, die tagtäglich der enthemmten Gewalt des syrischen Regimes ausgesetzt ist, sondern vielmehr darum, den Schwarzen Peter für das schändliche Nichtstun angesichts der syrischen Katastrophe den Russen und Chinesen zuzuschieben. (Jerusalem Post, 6. Feb. 2012) Man kann mit Helmar Dumbs die Frage stellen, was Moskau in den letzten Monaten denn getan hat, um die Krise in Syrien zu lösen (Presse, 6. Feb. 2012), doch sollte die geheuchelte Empörung über Russland nicht darüber hinweg täuschen, dass diese Frage auch an den Westen gerichtet werden kann – und dessen Bilanz in den letzten elf Monaten sieht auch nicht wesentlich besser aus.

Wie lange Russland und China noch damit fortfahren werden, Assad die diplomatische Mauer zu machen, ist schwer einzuschätzen. In China scheinen jedenfalls bereits Stimmen laut zu werden, die die Unterstützung des syrischen Regimes in Frage stellen (Standard, 11. Feb. 2012). Und auch Russland wird sich genau überlegen müssen, ob der momentane Kurs lange aufrecht zu erhalten ist. Der Kreml will seinen letzten Verbündeten im Nahen Osten nicht fallen lassen. Der inszenierte Jubel, mit dem Außenminister Lawrow zuletzt in Damaskus begrüßt wurde (Standard, 8. Feb. 2012; Presse, 8. Feb. 2012), kann aber nicht verdecken, dass sich Russland mit der Unterstützung Assads international ins Abseits gestellt hat und dafür einen Preis zu zahlen haben wird, sollte dieser am Ende doch noch stürzen.

Die nach Syrien in österreichischen Zeitungen am öftesten erwähnten Länder des Nahen Ostens waren Ägypten und der Iran. In Ägypten war am ersten Jahrestag der „Revolution“ von der ursprünglichen Euphorie nur mehr wenig zu spüren. Der Militärrat, der vor einem Jahr de facto gegen Langzeitdiktatur Mubarak geputscht hat, hat nach wie vor die Fäden in der Hand. Die Revolutionäre von einst mussten mittlerweile zur Kenntnis nehmen, dass sie, „so eindrucksvoll sie auch mobilisieren, die Mehrheit der Bevölkerung nicht vertreten.“ (Standard, 11./12. Feb. 2012) Nachdem die Parlamentswahlen mit einem überwältigenden Sieg der islamistischen Parteien endeten, soll nun ein neuer Präsident gewählt werden.

Im Iran standen in dieser Woche die Feierlichkeiten rund um den Jahrestag der „islamischen Revolution“ von 1979 an. Im Zuge dessen kündigte Präsident Ahmadinejad an, bald neue Durchbrüche im Atomprogramm bekannt zu geben. (Presse, 12. Feb. 2012) An seiner Seite befand sich übrigens ein besonderer Ehrengast: Ismail Haniyeh, Chef der palästinensischen Hamas im Gazastreifen, redete sich vor den „Tod Israel!“ und „Tod Amerika!“ schreienden Massen in einen „Anti-Israel-Rausch“ (Kronen Zeitung, 12. Feb. 2012) und versprach, niemals Israel anzuerkennen und bis zur vollständigen „Befreiung Palästinas“ zu kämpfen. Während Ahmadinejad zum wiederholten Male betonte, dass nichts und niemand den Iran von seinem Atomprogramm abbringen werde, machen sich im iranischen Alltag die vom Westen verhängten verschärften Sanktionen bereits deutlich bemerkbar. So berichtete der Standard: „Die internationalen Finanzsanktionen bringen den Iran zunehmend in die Bredouille.“ Die ersten Grundnahrungsmittel werden knapp, auf den Basaren und Märkten steigen die Preise rapide an. Um überhaupt noch für notwendige Importe aufkommen zu können, ist das Regime gezwungen, auf die iranischen Goldreserven zurückzugreifen. Die Regierung versucht etwa, „Getreidelieferungen mit Goldbarren zu bezahlen, berichten internationale Weizenhändler.“ Ausländische Reedereien weigern sich zunehmend, iranisches Öl zu transportieren. Die iranische Währung befindet sich auf einer veritablen Talfahrt. (Standard, 11. Feb. 2012) Die Regierung kümmert sich derweil um die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Nachdem sie in ihrem Kampf gegen den verderblichen Einfluss des Westens zuletzt den Verkauf von Barbie-Puppen verbat, geht es jetzt „Simpsons“-Figuren an den Kragen. (KURIER, 7. Feb. 2012)

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