Wochenbericht, 3.3. bis 9.3.2014

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. Absurde Empfehlungen: Reisen in das Land der Henker
III. Iranischer Waffenschmuggel, Catherine Ashton in Teheran
IV. Forderung nach Anerkennung Israels als jüdischer Staat: nur ein „Showgefecht“?
 

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 290 Beiträge mit Bezügen zu den Regionen Naher Osten und Nordafrika:

Wochenbericht, 3.3. bis 9.3.2014

Folgende Länder wurden in der Berichterstattung am häufigsten erwähnt:

Wochenbericht, 3.3. bis 9.3.2014

In den 53 relevanten Beiträgen der wichtigsten Radio- und Fernsehnachrichtensendungen des ORF standen folgende Länder im Mittelpunkt:

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Das eindeutig dominierende Thema der Auslandsberichterstattung war auch in dieser Woche die Krise in der Ukraine. Im Hinblick auf die Rolle, die Russland auf weltpolitischer Ebene spielt, kam gelegentlich auch dessen Einfluss im Nahen Osten zur Sprache. Würde ein Preis für Zynismus verliehen, so hätte ihn sich diese Woche der als Russland-Experte gesehene Politikwissenschaftler Gerhard Mangott verdient, der in der Krone vor russischen Vergeltungsmaßnahmen gegen westliche Sanktionen warnte: „Russland wird sich bei der Regelung des Krieges in Syrien und bei den Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm kaum mehr hilfreich zeigen.“ (Kronen Zeitung, 8. März 2014) Nicht auszudenken, was in Syrien in den letzten drei Jahren alles hätte passieren können, wenn Russland bei der „Regelung des Krieges“ nicht so „hilfreich“ gewesen wäre – wenn es also nicht mit seinem Veto jede wirksame Initiative im UN-Sicherheitsrat blockiert, fortwährend Waffen an das syrische Regime geliefert und dafür Sorge getragen hätte, dass Assad und seine mörderischen Helfer selbst für ihren Einsatz von Chemiewaffen nicht zur Verantwortung gezogen wurden.
 

II. Absurde Empfehlungen: Reisen in das Land der Henker

In den vergangenen Tagen wurde in österreichischen Medien wieder einmal für Reisen in den Iran geworben. In der Sonntagsbeilage der Kronen Zeitung fand sich unter dem Titel „Das Lächeln des Orients“ eine mehrseitige Reportage, in der die Iraner als „(u)naufdringlich, doch stets aufgeweckt, kontaktfreudig und neugierig“ präsentiert wurden. Der angekündigte „Blick hinter den politisch-religiösen Schleier der islamischen Republik“ erwies sich nach Lektüre des Beitrags in erster Linie als der Versuch, den Charakter des iranischen Regimes einfach zu verdrängen und so zu tun, als wäre eine Reise dorthin genauso unproblematisch, wie eine Erkundung der Südsteirischen Weinstraße. Zugegeben, das Land habe sehr „mit Imageproblemen zu kämpfen“. Unverdient, wie der Verfasser des Beitrags meint: „Dabei ist der Iran, vorurteilsfrei betrachtet, ein lohnendes Urlaubsziel.“ (Kronen Zeitung, 9. März 2014) „Vorurteilsfrei“ betrachtet den Iran somit nur, wer so tut, als gäbe es die theokratische Diktatur einfach nicht, die das Land im Griff hat. Wer zu einer solchen Übung in politischem und moralischem Relativismus nicht bereit ist, dem wird Bigotterie unterstellt. Sich das „Lächeln des Orients“ vom Wissen um die grausame Realität verstellen zu lassen, das gilt als Ausdruck vorurteilsbeladenen Denkens.

Noch abwegiger war freilich ein Beitrag in den Salzburger Nachrichten über eine Non-Profit-Organisation namens „Ethical Traveler“, die alljährlich die „zehn besten ethischen Reiseziele in Schwellen- und Entwicklungsländern“ kürt. „Ausschlaggebende Kriterien: die Einhaltung der Menschenrechte, das soziale Wohl der Bevölkerung sowie der Erhalt von Natur und Umwelt.“ Bei der Erstellung der Liste werden Informationen aus verschiedenen Quellen herangezogen, so etwa Berichte von Freedom House oder Reporter ohne Grenzen, „aber auch von Schwulen- und Lesben-Organisationen.“ Unter den dieses Jahr empfohlenen „ethischen Reisezielen“ befinden sich u. a. Mauritius, die Bahamas, Lettland und Litauen.

Der an sich sinnvolle Hinweis vom Direktor von „Ethical Traveler“, dass „Reisende schon bei der Wahl ihres Ferienziels machtvoll mitbestimmen, was ihnen gefällt und was nicht“, wird allerdings dadurch völlig konterkariert, dass die Organisation neben ihrer Top-10-Liste auch noch Reiseempfehlungen für fünf weitere Länder ausgegeben hat, in die zu reisen großes „Lernpotenzial für offene Menschen“ verspreche. Mit dabei in der Liste dieser fünf Länder: der Iran. (Salzburger Nachrichten, 8. März 2014) Sich auf der einen Seite für ethisches Reisen in Länder auszusprechen, in denen die Menschenrechte eingehalten werden und sich zu diesem Zwecke auf Freedom House und Lesben- und Schwulenrechtsorganisationen zu berufen, gleichzeitig auf der anderen Seite aber Reisen in den Iran zu empfehlen, wo seit Jahrzehnten die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und seit der islamischen Revolution 1979 geschätzt allein über 4000 Homosexuelle hingerichtet worden sind, ist an Absurdität wohl kaum noch zu überbieten.

Wie komplett dieser moralische Bankrott ist, wenn eine um Menschenrechte und ethisches Reisen bemühte Organisation ausgerechnet den Iran als Reiseziel empfiehlt, wird an einer Meldung der vergangenen Woche deutlich, die in österreichischen Medien völlig ignoriert wurde: Am 4. März erklärte Mohammad Javad Larijani, der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses der iranischen Justiz, dass die erhöhte Hinrichtungsrate – allein in diesem Jahr wurden im Iran bereits über 150 Menschen exekutiert – eine besondere Errungenschaft, ja sogar eine große Leistung im Dienst der Menschheit sei. Kritik von Menschenrechtsorganisationen an den besonders seit dem Amtsantritt des angeblich moderaten Präsidenten Rohani gestiegenen Hinrichtungszahlen wies Larijani zurück und forderte das Ausland stattdessen auf, dem Iran für seinen konsequenten Kampf gegen Drogen dankbar zu sein. (Angebliche Drogendelikte dienen im Iran oftmals als Vorwand für Hinrichtungen.)
 

III. Iranischer Waffenschmuggel, Catherine Ashton in Teheran

Nur einen Tag nachdem Larijani seinen Stolz über die staatliche Mordwelle im Iran zum Ausdruck gebracht hatte, fingen Spezialeinheiten der israelischen Marine im Roten Meer zwischen Eritrea und dem Sudan das Transportschiff „Klos-C“ ab, auf dem sich eine für den Gazastreifen gedachte iranische illegale Waffenlieferung befand. Nachdem das unter der Flagge Panamas fahrende Schiff in den israelischen Hafen Eilat gebracht wurde, konnte Bilanz gezogen werden: An Bord befanden sich 40 Raketen mit einer Reichweite von bis zu 200 Kilometern, dazu etliche Mörser-Granaten sowie rund 400.000 Schuss Gewehrmunition. Israelische und amerikanische Geheimdienste sollen die Raketen schon geraume Zeit auf ihrem Weg von Syrien über den Iran und den Irak verfolgt haben, bevor die israelische Marine die „Klos-C“ schließlich ohne Widerstand der vermutlich nichtsahnenden Besatzung enterte. (Salzburger Nachrichten, 6. März 2014) Ein Sprecher der israelischen Armee sagte über die abgefangenen Waffen: „Sie würden vier Millionen Israelis in die Bunker zwingen, würden sie ihr Ziel erreichen.“ (Presse, 6. März 2014)

In österreichischen Medien stieß der versuchte iranische Waffenschmuggel auf recht geringes Interesse. So berichtete die Kronen Zeitung mit keinem Wort darüber, Kurier und Kleiner Zeitung war er nur Kurzmeldungen wert. In einer Zeit, in der viele noch immer den von Präsident Rohani und Außenminister Zarif stets mit einem Lächeln vorgebrachten Versicherungen Glauben schenken wollen, wonach ein neues Zeitalter in den Beziehungen zum Westen begonnen habe und der Iran ein Partner für Stabilität und Sicherheit in der Region sei, wird dem iranischen Versuch, deklarierte Todfeinde Israels mit noch effektiveren Waffen aufzurüsten, nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Nur Presse und Salzburger Nachrichten wiesen darauf hin, dass es sich bei der Klos-C keineswegs um das erste Schiff gehandelt habe, mit dem der Iran in den letzten Jahren illegale Waffenlieferungen an Gruppen wie Hisbollah und Hamas zu liefern versucht habe. (Presse, 6. März 2014; Salzburger Nachrichten, 6. März 2014)

Die Kaperung der Klos-C ereignete sich nur wenige Tage vor einer Reise der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton nach Teheran, wo sie vor Pressevertretern erklärte: „I have come to Iran with the message of goodwill of 28 European countries, and this is my first opportunity to talk with the Iranian officials over a different issue. And this is a start for the development of cooperation between Iran and the EU“. Wie es scheint, sah Ashton keinen Grund, den guten Willen der EU und die Kooperation mit dem iranischen Regime durch Nachfragen zum iranischen Waffenschmuggel beeinträchtigen zu lassen. Zwar behauptete sie: „The EU fully acknowledges the Islamic Republic of Iran’s importance and role in the region“, doch war das wohl eher als Umschmeichelung ihrer Gastgeber zu verstehen, denen sie stets mit Kopftuch gegenübertrat – eine wahrhaft symbolische Geste just am Weltfrauentag. Im Zuge einer Kabinettssitzung richtete sich Israels Premier Netanjahu am Sonntag an die EU-Außenbeauftragte: „I would like to ask [Ashton] if she asked her Iranian hosts about this shipment of weapons for terrorist organizations, and if not, why not. Nobody has the right to ignore the true and murderous actions of the regime in Tehran. I think that it would be proper for the international community to refer to Iran’s true policy, not its propaganda.“

Einer der Männer, die Ashton in Teheran traf, Außenminister Javad Zarif, versuchte übrigens gleich nach dem Auffliegen des iranischen Waffenschmuggels, die ganze Affäre zu einer Lüge zu erklären:

Wochenbericht, 3.3. bis 9.3.2014

Wie Claudia Rosett bemerkt, hatte Zarif in gewissem Sinne damit Recht, dass das Timing der Affäre interessant ist: „From details of this latest Iranian munitions-smuggling saga, it can be gleaned that while Zarif was in Vienna, standing shoulder-to-shoulder with European Union foreign policy chief Catherine Ashton, reading a statement to the press about their ‚very productive‘ nuclear talks, the freighter, secretly stuffed with weapons, was already enroute from Iran toward the Red Sea.“ Das lasse aber nur zwei Möglichkeiten zu: „If Zarif knew anything about this, that’s damning. If he was clueless, that’s alarming. Which is it?“ Vielleicht hatte Zarif wirklich keine Ahnung von dem Waffenschmuggel, den die Revolutionsgarden gerade unternahmen. Beruhigend wäre dies allerdings nicht: „Perhaps, by amazing coincidence, Zarif knows less than do the Israelis about the regime he serves. That would leave America and its diplomatic cohorts negotiating over a nuclear weapons program with an Iranian foreign minister who is so far out of the loop that he believes his own lies. But should we?“
 

IV. Forderung nach Anerkennung Israels als jüdischer Staat: nur ein „Showgefecht“?

Im Standard widmete sich Gudrun Harrer am vergangenen Dienstag den aktuellen Verhandlungen zwischen Israel und der PLO. Darin der folgende, sehr aufschlussreiche Satz: „Palästinensisches Rückkehrrecht und Anerkennung Israels als jüdischer Staat gelten eher als Showgefechte, ein wirklich harter Brocken sind die Details der israelischen Präsenz im Jordantal … und der allergrößte ist Jerusalem.“ (Standard, 4. März 2014)

Die Formulierung ließ unklar, ob Harrer hier ihre eigene Meinung vertrat, oder nur unter anderen Beobachtern weit verbreitete Positionen. Doch unabhängig davon ist bezeichnend, dass in diesem Satz der Kern des israelisch-palästinensischen Konflikt genau verkehrt herum verstanden wird: Fragen wie das Rückkehrrecht und die Anerkennung Israels als jüdischer Staat werden als „Showgefechte“ bezeichnet, sind im Grunde also nicht von großer Bedeutung, während einzelne territoriale Fragen und Regelungen als die wahren Stolpersteine charakterisiert werden. Dabei geht es bei den von Harrer als nicht wirklich ernst zu nehmend bezeichneten Problemen in Wahrheit ums Grundsätzliche, ohne dessen Lösung die Verhandlungen über territoriale Details noch Jahrzehnte weitergehen können, ohne jemals zu einem Ende zu führen.

Nehmen wir als Beispiel die Anerkennung Israels als jüdischer Staat: Die israelische Regierung hat diese zwar nicht zu einer Vorbedingung für Verhandlungen mit den Palästinensern gemacht, besteht aber darauf, dass sie Teil eines Friedensabkommens sein muss. Aus israelischer Sicht bedeutet die Anerkennung Israels als jüdischer Staat nicht mehr und nicht weniger als die Anerkennung des Rechts der Juden auf nationale Selbstbestimmung. Genau dieses Recht wurde im UN-Teilungsbeschluss vom November 1947 anerkannt, in dem ausdrücklich von der Schaffung eines „arabischen“ und eines „jüdischen Staates“ die Rede war. (Die heute von palästinensischer Seite vorgebrachte Behauptung, die Forderung nach der Anerkennung Israels als jüdischer Staat sei erst unlängst erhoben worden, ist schlicht falsch.)

Genau dieses Recht ist es, das den Juden von arabischer Seite seit nunmehr über hundert Jahren abgestritten wird, gegen dessen Umsetzung sie mehrfach in den Krieg gezogen ist, und dessen Akzeptanz die palästinensische Führung – egal ob Hamas oder Fatah – auch heute noch kategorisch ablehnt. Wenn die Palästinenser Israel nicht als jüdischen Staat anerkennen, bestreiten sie den Juden genau das Recht auf nationale Selbstbestimmung, das sie für sich sehr wohl in Anspruch nehmen. Solange aber der Existenz jüdischer Souveränität die Legitimität verwehrt wird, hat es wenig Sinn, über territoriale Details zu diskutieren. Ob eine zukünftige Grenze hier oder einen Kilometer weit entfernt verlaufen soll, ist irrelevant, wenn der Staat, der sie zieht, ohnehin nicht als legitim anerkannt wird.

Ganz ähnlich sieht die Sache bei der zweiten von Harrer als nebensächlich dargestellten Frage aus, dem palästinensischen „Rückkehrrecht“: So lange die Palästinenser auf dem angeblichen „Recht“ beharren, dass Millionen „Flüchtlinge“, die niemals in Israel gelebt haben, dorthin „zurückkehren“ können müssen und damit der Existenz des jüdischen Staates ein Ende bereiten würden, wird es keinen Frieden geben. Diese Probleme als „Showgefechte“ abzutun, verkennt in fundamentaler Weise den Kern des Konflikts.

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