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Wochenbericht, 20.2. bis 26.2.2012

Die Nahostberichterstattung österreichischer Tageszeitungen wurde in den letzten sieben Tagen von zwei Konfliktherden beherrscht: dem Iran und Syrien. Mehr als die Hälfte aller Artikel hatte somit den sich immer weiter zuspitzenden Streit um das iranische Atomprogramm und die andauernden Gewalttaten der Diktatur Bashar al-Assads zum Thema.

Insgesamt erschienen in dieser Woche 242 Beiträge, die sich auf die Region des Nahen Ostens beziehen. Im Vergleich zu den zuletzt 195 Beiträgen bedeutet dies eine Steigerung um fast ein Viertel (genau: 24,1 Prozent). Im Einzelnen sah die Verteilung so aus:

Wochenbericht, 20.2. bis 26.2.2012

Bis auf die Kleine Zeitung publizierten somit alle vier anderen regelmäßig ausgewerteten Tageszeitungen deutlich mehr Beiträge mit Nahost-Bezug als in der Vorwoche (im Detail ergeben sich folgende Zahlen: Standard +25,4%, Presse +30,2%, Kurier +21,1%, Kronen Zeitung +30,8%). Wirft man einen Blick auf die geografische Fokussierung der Berichterstattung, ergibt sich folgende Verteilung:

Wochenbericht Tabellen - Wochenbericht - 27Feb12 - Tab2

Nachdem zuletzt zwei Mal hintereinander Syrien das am Öftesten genannte Land war, wird diese Position diese Woche wieder vom Iran eingenommen. Seine Dominanz in der Berichterstattung wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass in der überwältigenden Mehrheit der 48 Beiträge, in denen Israel genannt wurde, das eigentliche Thema auch der Iran bzw. die Möglichkeit israelischer Militärschläge gegen iranische Nuklearanlagen war.

In der Berichterstattung über den Iran in den letzten sieben Tagen lassen sich fünf verschiedene Themenkreise identifizieren. Erstens wurde im Hinblick auf die am 2. März bevorstehenden Parlamentswahlen über die ausgiebigen Säuberungen berichtet, die der mächtige Wächterrat in den Kandidatenlisten vorgenommen hat. (Standard, 22. Feb. 2012; Presse, 22. Feb. 2012) Vom demokratischen (Schein-) Charakter iranischer Urnengänge ist nicht mehr viel übrig geblieben. Vertreter der Opposition, die nach den Präsidentschaftswahlen im Sommer 2009 aus Protest gegen die offenkundige Fälschung der Ergebnisse überall im Land demonstrierten, stehen überhaupt nicht zur Wahl, sodass Gudrun Harrer nicht zu Unrecht von einer „Richtungswahl unter Konservativen“ spricht. (Standard, 23. Feb. 2012).

Zweitens, und von nun an geht es im Grunde nur mehr um den Konflikt über das iranischen Nuklearprogramm, reiste nach längerer Zeit wieder einmal eine Delegation von Inspektoren der UN-Atomenergiebehörde nach Teheran, was von manchen Beobachtern als gutes Zeichen und möglicherweise letzte Chance betrachtet wurde, einen drohenden Krieg doch noch zu verhindern – so zumindest der leicht panikmachende Ton, den der KURIER diesbezüglich anschlug. (21. Feb. 2012) Wie nicht anders zu erwarten war, reisten die UN-Inspektoren bald wieder unverrichteter Dinge ab. Ihnen war der Zutritt zu einer Anlage außerhalb Teherans verwehrt worden, in der, so der Verdacht, Zündvorrichtungen für Atomsprengköpfe getestet werden. (Presse, 23. Feb. 2012) Begleitet wurde ihre Abreise von Aussagen Ali Khameneis, des obersten geistlichen Führers der islamistischen Diktatur, der die Absicht verkündete, mit dem Atomprogramm „die Herrschaft der Weltmächte (zu) brechen, die sich auf Atomwaffen stützt“ (Kleine Zeitung, 23. Feb. 2012) – wie man das mit einem angeblich rein zivilen Zwecken dienenden Nuklearforschungsprogramm anstellen will, erklärte er freilich nicht. Nur wenige Tage später zeigte sich die IAEO „äußerst besorgt“ und berichtete von großen Forstschritten des Iran bei der Urananreicherung. (Standard 25. Feb. 2012; Presse, 25. Feb. 2012; KURIER, 25. Feb. 2012)

Drittens setzte der Iran seine Ankündigung teilweise um, einem angekündigten europäischen Ölembargo durch einen seinerseits verhängten Lieferstopp zuvorkommen zu wollen, und stellte den Ölverkauf an Frankreich und Großbritannien ein. Dabei handelte es sich angesichts des bescheidenen Volumens iranischer Ölverkäufe an genau diese zwei westeuropäischen Länder allerdings um eine weitgehend symbolische Geste, von der der weitaus relevantere Handel mit südeuropäischen Ländern wie Italien und Griechenland nicht beeinträchtigt wird. (Presse, 7. Feb. 2012) Aktionen wie diese und die allgemeinere Sorge über eine Verschärfung der Auseinandersetzung hat jedenfalls jetzt schon Auswirkungen auf den Ölpreis, über die in allen Zeitungen rege berichtet wird. (Standard, 21. und 24. Feb. 2012; Presse, 21. Und 26. Feb. 2012; KURIER, 25. Feb. 2012; Kleine Zeitung, 23. Feb. 2012)

Viertens wurde auch in dieser Woche weiter über mögliche israelische Militärschläge gegen iranische Atomanlagen diskutiert. (KURIER, 22. und 23. Feb. 2012; Standard, 22. Feb. 2012; Presse, 23. Feb. 2012). Beinahe täglich war von der erklärten Absicht der US-Administration zu lesen, Israel von militärischen Aktionen abhalten zu wollen (Standard, 20. Feb. 2012; KURIER, 22. Feb. 2012), was in Israel selbst mittlerweile für einige Verstimmung sorgt: Die permanent geäußerten Zweifel der Amerikaner an den militärischen Kapazitäten der israelischen Armee sind nicht gerade dazu angetan, die abschreckende Wirkung der Drohung eines Militäreinsatzes zu verstärken. (Standard, 22. Feb. 2012).

Fünftens und letztens wurde der diesjährige Bericht des Stockholmer Instituts für Friedensforschung (SIPRI) über den weltweiten Waffenhandel veröffentlicht. Darin wird deutlich, dass mit Ausnahme der USA und Europas die Nachfrage nach Waffen regelrecht floriert. Zum boomenden Geschäft gehören u. a. der 29-Milliarden-Dollar-Deal über Militärflugzeuge und diverses Zubehör, den Saudi-Arabien mit amerikanischen Rüstungsfirmen abgeschlossen hat, sowie Verträge über Raketenabwehrsysteme für die Vereinigten Arabischen Emirate und andere militärische Einkäufe im Irak oder Oman. Dass das Rüstungsgeschäft ausgerechnet in den Ländern am Persischen Golf blüht, die sich massiv vom Iran bedroht sehen, ist alles andere als ein Zufall. (Standard, 23.Feb. 2012) Militärische Muskelspiele des Iran, wie zuletzt die erneute Entsendung zweier Kriegsschiffe durch den Suezkanal ins Mittelmeer, tun ihr Übriges dazu, die Beunruhigung der Staaten in der Region zu befördern. (Presse, 21. Feb. 2012)

Neben dem Iran stand erneut Syrien im Mittelpunkt des medialen Interesses. Während die Gewalt des Regimes unvermindert weitergeht, trafen sich in Tunis die „Freunde Syriens“, um über die nächsten Schritte zu debattieren. Der tunesische Präsident rief Assad dazu auf, er solle sich nach Russland ins Exil verabschieden. Der oppositionelle Syrische Nationalrat rief dazu auf, die Freie Syrische Armee mit Waffen für den Kampf gegen die Truppen des Regimes zu versorgen. Darüber hinaus wurde Kofi Annan als neuer Syrien-Sonderbeauftragter eingesetzt (Standard, 25. Feb. 2012). Am Sonntag ließ Diktator Assad in Syrien über den Vorschlag für eine neue Verfassung abstimmen, was angesichts der andauernden Gewalt in großen Teilen des Landes weithin als Farce betrachtet wurde. (KURIER, 26. Feb. 2012)

Für Aufsehen sorgte der Tod westlicher Journalisten, denen es gelungen war, in die unter Dauerbeschuss von Assads Truppen liegende Stadt Homs zu gelangen. Die Presse veröffentlichte am Sonntag die letzte Reportage, die die erfahrene Kriegsberichterstatterin Marie Colvin noch aus der belagerten Stadt verschicken konnte, bevor sie im Granatenhagel getötet wurde. (Presse, 26. Feb. 2012) Gerüchten zufolge wurden die ausländischen Journalisten gezielt beschossen, nachdem regimetreue Truppen deren Radiosignale orten konnten. (KURIER, 24. Feb. 2012)

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