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Wochenbericht, 2.6. bis 8.6.2014

In dieser Ausgabe:

I. Allgemeiner Überblick
II. Reaktionen auf die palästinensische „Versöhnung“
III. Die vergebliche Suche nach einem Argument: Hoffmann-Ostenhof im profil über die palästinensische Einheitsregierung

I. Allgemeiner Überblick

In den vergangenen sieben Tagen erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 302 Beiträge mit Nahost- bzw. Nordafrika-Bezügen:

Wochenbericht, 2.6. bis 8.6.2014

Folgende Länder wurden am häufigsten Gegenstand der Berichterstattung:

Wochenbericht, 2.6. bis 8.6.2014

In den insgesamt 87 relevanten Beiträgen der wichtigsten Radio- und Fernsehnachrichtensendungen des ORF wurde auf folgende Länder am häufigsten Bezug genommen:

Wochenbericht, 2.6. bis 8.6.2014

II. Reaktionen auf die palästinensische „Versöhnung“

Geht es nach der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, so ist das politische Zusammengehen der verfeindeten palästinensischen Organisationen Fatah und Hamas ein „wichtiger Schritt“. Die palästinensische Versöhnung stehe vielen Herausforderungen gegenüber, schaffe aber auch „neue Möglichkeiten für den Friedensprozess, für eine demokratische Erneuerung sowie für die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen und dem Westjordanland.“ Ashton begrüßte die Zusicherung von Mahmud Abbas, dass sich die neue palästinensische Regierung zu Israels Existenzrecht, zu einer Zwei-Staaten-Lösung und zu früheren Vereinbarungen bekenne. (Standard, 4. Juni 2014) EU-Kommissionspräsident Barroso meinte in einer im Rahmen einer Sicherheitskonferenz in Israel gehaltenen Rede, die palästinensische Einheitsregierung sei zu unterstützen, wenn sie zu einem Gewaltverzicht stehe, eine Zweistaatenlösung befürworte und eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf dem Verhandlungsweg anstrebe. Dabei müssten bisher geschlossene Verträge eingehalten und das Existenzrecht Israels akzeptiert werden. „Palestinian reconciliation, if undertaken in accordance with these principles, must not be considered a hindrance to continued negotiations. On the contrary, reconciliation is actually a condition for the successful implementation of a two-state solution.“ Eine palästinensische Versöhnung, die diesen Prinzipien folge, werde dazu beitragen, Terroristen und deren fehlgeleitete und destruktiven Taten zu isolieren. „We all know it: terrorism is bound to fail. It will never be accepted by the European Union or by anybody else in the international community as a way to achieve political goals.“

Wer auch nur halbwegs mit der Ideologie und den Taten der Hamas vertraut ist, für den müssen die Statements von Ashton und Barroso völlig absurd klingen. Von der Einbindung einer antisemitischen Mörderbande sollen neue Möglichkeiten im Friedensprozess ausgehen? Die islamistisch-totalitäre Hamas soll Chancen für eine demokratische Erneuerung bieten? Eine Regierungsbildung mit einer Organisation, die die Zerstörung des jüdischen Staates propagiert und offen zum Mord an Juden aufruft, soll ein positiver Schritt sein?

Die Aussagen Asthons und Barrosos sowie die Erklärung der US-Administration, die palästinensische Regierung trotz der Einbindung der islamistischen Hamas weiter finanziell zu unterstützen (Standard, 4. Juni 2014), markieren einen dramatischen Wendepunkt: Anstatt Israel im Kampf gegen eine Gruppierung den Rücken zu stärken, die auch von EU und USA völlig zu recht als Terrororganisation bewertet wird, darf diese sich in Zukunft über europäische und amerikanische Gelder in hundertfacher Millionenhöhe freuen. „Der Boykott der Hamas, den Israel gemeinsam mit den USA und der EU 2006 verhängt hat, scheint passé“, war in der Presse zu lesen. Während die US-Administration noch nach Wegen sucht, um ihre eigenen Gesetze umgehen zu können, die eine Zusammenarbeit mit der Hamas explizit verbieten, „befürworten die Europäer begeistert die Aussöhnung … und sagten umgehend die schrittweise Fortzahlung von 200 Millionen Euro zu.“ (Presse, 6. Juni 2014)

Alles, was es dazu braucht, ist der hanebüchene und von den Medien gerne aufgegriffene Vorwand, in der neuen palästinensischen Regierung selbst säße gar kein Hamas-Mitglied, weswegen es sich ja bloß um ein Kabinett von „Technokraten“ (Kronen Zeitung, 6. Juni 2014) bzw. „Experten“ (ZiB, 2. Juni 2014; ZiB 24, 6. Juni 2014) handle. Während man sich in Europa und den USA selbst belügt und einredet, eine Einheitsregierung könne eine Abkehr der Hamas von ihrem bisherigen Extremismus bedeuten, lässt diese – wieder einmal, also wie eigentlich immer – keine Zweifel an ihrer Haltung aufkommen. Ismail Haniyeh, der bisherige Premierminister der Hamas in Gaza, widersprach sogleich den Beteuerungen von Abbas, wonach die neue Regierung den internationalen Forderungen nach einem Gewaltverzicht und einer Anerkennung Israels nachkomme: „Ziel der palästinensischen Aussöhnung ist es, das palästinensische Volk gegen den Hauptfeind zu vereinigen, den zionistischen Feind.“ (Standard, 3. Juni 2014, in diesem Sinne auch ZiB, 2. Juni 2014) Hierzulande steckt man dagegen den Kopf in den Sand und kehrt die Realität um. So schrieb der Kurier, warum es für Israel keine Zusammenarbeit mit der Hamas gebe: „Tenor der israelischen Kritik: Die Hamas habe ihren terroristischen Zielen nie abgeschworen“ (Kurier, 5. Juni 2014) –   selbst Freunde des gepflegten Konjunktivs werden sich fragen, was die Möglichkeitsform in diesem Satz verloren hat. Die Aussichten auf Frieden, setzte der Kurier am Tag darauf fort, seien nicht etwas deshalb düster, weil die Hamas der selbst deklarierte Todfeind des jüdischen Staates ist, sondern: „Gespräche zwischen Palästinensern und Israelis, die die Hamas nicht als Gesprächspartner akzeptieren, rücken … in die Ferne.“ (Kurier, 6. Juni 2014)

In Ramallah und Gaza hat man über die Dummheit und Gutgläubigkeit der Europäer und Amerikaner gut Lachen. Auf seiner Facebook-Seite schrieb der ehemalige Hamas-Regierungssprecher Ihab al-Ghussein am 8. Juni:

„You know what Mahmoud Abbas says behind closed doors?? He says: ‚Guys, let me [continue] saying what I say to the media. Those words are meant for the Americans and the occupation (i.e., Israel), not for you [Hamas]. What‘s important is what we agree on among ourselves. In other words, when I go out [publicly] and say that the government is my [Abbas] government and it recognizes ‚Israel‘ and so on, fine – these words are meant to trick the Americans. But we agree that the government has nothing to do with politics (i.e., foreign relations). The same thing happened in 2006,‘ he [Abbas] said: ‚Don‘t harp on everything I tell the media, forget about the statements in the media.‘

Come on [Abbas]! The problem really isn‘t with him [Abbas], the problem is with whoever believes him. Ha, Ha, Ha!“

In den österreichischen Medien mangelte es an einer Analyse der aktuellen Vorgänge von der Art, wie sie Ehud Yaari in der Times of Israel unternahm. Yaari zufolge ging der Einigung auf eine palästinensische Einheitsregierung eine rege Reisetätigkeit von Hamas-Leuten in den Iran und den Libanon voraus. Das Ergebnis der dort geführten Gespräche: Die Hamas sollte sich nicht darauf beschränken, ihre Stellung im Gazastreifen zu halten, sondern den ambitionierteren Plan in Angriff nehmen, auch noch das Westjordanland der Kontrolle der Fatah zu entreißen. Die Hamas wird weiterhin den Gazastreifen kontrollieren, in Zukunft aber auch im Westjordanland wieder offen agieren können. Yaari bemerkt: „Western countries quick to endorse the Hamas-Fatah reconciliation should be aware of what is really happening here: Instead of the PA regaining its ‚southern provinces‘ in Gaza, it is in fact Hamas reentering the ‚northern provinces‘ in the West Bank.“

Die Palästinenser werden in Zukunft von einer weitgehend einflusslosen Regierung von Hamas‘ Gnaden regiert werden. Ismail Haniyeh brachte den zugrundeliegenden Gedanken selbst auf den Punkt: „We leave the government but stay in power… We give up the chair but not the role we play.“ Nicht im Traum denkt sie daran, im Zuge der Versöhnung ihre militärischen Einheiten oder ihre Sicherheits- und geheimdienstlichen Organisationen aufzulösen bzw. unter die Kontrolle der PA zu stellen. Die Hamas wird sich ihre eigenständige militärische Macht erhalten, die palästinensische Regierung niemals auch nur annähernd dazu in der Lage sein, ein staatliches Gewaltmonopol durchzusetzen. Vor allem aber werden die Hamas und über den Umweg des Islamischen Dschihad auch das iranische Regime jederzeit in der Lage sein, nach Gutdünken kriegerische Auseinandersetzungen mit Israel zu provozieren.

Yaari stellt folgendes Szenario in Aussicht: „If the current electoral and transitional timetable holds, by this time next year Hamas could have not only an intact military force and terrorist agenda in Gaza, but also a solid foothold in the West Bank and at least a say in – if not veto power over – PA and PLO decisions. In that case, a new system would take shape in the Palestinian territories in which an armed-to-the-teeth political party gradually overshadows the central government and begins to take over numerous institutions.“

Mit dem rosigen Bild, das Catherine Ashton von der Lage zeichnet, hat all das nichts zu tun. Chancen auf eine weitere Demokratisierung der palästinensischen Gesellschaft, neue Möglichkeiten für den Friedensprozess mit Israel und ähnliche Fantasien kommen in Yaaris Szenario aus guten Gründen nicht vor. Im Hinblick auf EU und USA stellt sich die Frage, wie lange europäische und amerikanische Gelder dazu missbraucht werden, um unter allerlei absurden Vorwänden eine nur scheinbar souveräne Regierung zu finanzieren, die de facto von einer der gefährlichsten Terrorgruppen der Welt kontrolliert wird.
 

III. Die vergebliche Suche nach einem Argument: Hoffmann-Ostenhof im profil über die palästinensische Einheitsregierung

Im profil versuchte Georg Hoffmann-Ostenhof darzulegen, „(w)arum die Versöhnung von Fatah und Hamas zu begrüßen ist“. Was die „Perspektive einer palästinensischen Einheit“ für „den Nahostkonflikt“ bedeute, sei noch nicht auszumachen, sicher sei aber, „dass da einiges in Bewegung kommt“ – und das könne in der „verzweifelten, seit Jahren festgefahrenen Situation nur gut sein.“ Als Hoffmann-Ostenhof diese Analyse zu Papier brachte, schrieben wir allerdings nicht den Juni 2014, sondern den Mai 2011. Noch ganz unter dem Eindruck der Umwälzungen in einigen arabischen Staaten behauptete er damals, der „arabische Frühling hält auch Einzug in Palästina.“ (profil 18/2011)

Wie Rudolf Taschner diese Woche in der Presse feststellte, kann man sich in unserer komplizierten Welt auf eine Faustregel verlassen: In aller Regel wird das Gegenteil dessen eintreten, was Hoffmann-Ostenhof in seinen Kolumnen schreibt, denn mit großer Verlässlichkeit macht er Voraussagen, „bei denen man fast sicher darauf setzen kann, dass sie sich nicht erfüllen.“ (Presse, 5. Juni 2014) Genauso war es auch im Mai 2011: Während Islamisten in einem Land nach dem anderen die Macht übernahmen, fantasierte Hoffmann-Ostenhof davon, dass „(i)slamistischer Radikalismus … einfach out“ sei. (profil 18/2011) Überflüssig zu erwähnen, dass die „Versöhnung von Fatah und Hamas“ bereits wieder gescheitert war, kaum dass sie vom damaligen Außenpolitik-Chef des profil bejubelt wurde.

Fast genau drei Jahre später ist es wieder so weit: Erneut proklamieren die einander seit Jahren bekriegenden palästinensischen Organisationen eine Einigung, und wieder steht Hoffmann-Ostenhof bereit, um seinen Lesern zu erklären, „(w)arum das proklamierte Ende des Bruderkriegs zwischen Fatah und Hamas so vielversprechend ist.“ Und wie im Mai 2011 ist auch im dieswöchigen profil-Kommentar buchstäblich kein einziges Argument zu finden, mit dem Hoffmann-Ostenhof seine Zuversicht begründen könnte.

Offenbar findet Hoffmann-Ostenhof Gefallen daran, dass auch die gegenwärtige US-Administration der israelischen Regierung die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen mit der PLO gibt. Es scheint ihn zu freuen, dass „die Weltöffentlichkeit … immer mehr zur Überzeugung (kommt), dass es Jerusalem – und nicht Ramallah – ist, das jegliche Verhandlungslösung verhindern will. Israel ist international isolierter denn je.“ Warum diese einseitige Parteinahme, die die Palästinenser in ihrer Intransigenz nur noch weiter bestärkt und damit ein Ende des Konflikts in noch weitere Ferne rücken lässt, „vielversprechend“ sein soll, führt Hoffmann-Ostenhof nicht aus. Die Überschrift „1:0 für Palästina“ soll aber wohl darauf hinweisen, dass den Palästinensern im Kampf um die öffentliche Meinung ein Propagandaerfolg gelungen ist. Doch wenn man diese Sport-Analogie aufgreifen will, stellt sich die Frage: Wie kommt Hoffmann-Ostenhof auf die Idee, dass das Spiel gerade erst begonnen habe? Will er ernsthaft behaupten, nach Jahrzehnten des Konflikts habe es bis gerade eben noch 0:0 gestanden?

Auf unserer Suche nach einem Argument stoßen wir auf die Behauptung, dass der erneute Versuch einer innerpalästinensischen Versöhnung gute Chancen habe, weil „die neuen nahöstlichen Kräfteverhältnisse“ die „in Gaza herrschenden Radikalislamisten existenzbedrohlich geschwächt“ hätten. Die Hamas habe ihren Verbündeten Assad verloren, darüber hinaus habe sie es sich „auch mit dem Iran verscherzt“. Vor eineinhalb Jahren wäre diese Analyse zutreffend gewesen, aber Hoffmann-Ostenhof ist offenbar völlig entgangen, dass die Hamas und das iranische Regime seit Monaten intensiv – und wie es scheint erfolgreich – daran arbeiten, ihre durch den Krieg in Syrien beschädigten Beziehungen zu reparieren. „Als der Muslimbruder Mohammed Mursi in Kairo an der Macht war, konnte sich Hamas eines generösen Protektors erfreuen. Für das Gaza-Regime war dessen Sturz eine Katastrophe.“ (profil 24/2014) Damit hat Hoffmann-Ostenhof zwar recht, aber es ist doch bemerkenswert, dass in der Zeit, in der die Muslimbrüder in Ägypten an der Macht waren, im profil nichts über die Stärkung zu lesen war, die das für die Hamas bedeutet hatte. Denn damals wurde ja behauptet, Islamismus sei „einfach out“; der Siegeszug der Islamisten wurde zu einem Sieg der Demokratie umgedeutet und die ägyptischen Muslimbrüder für ihr angeblich cleveres, staatsmännisches und modernes Agieren ausdrücklich gelobt. (profil 4/2012) Ohne Zweifel hat die Absetzung der Muslimbrüder in Ägypten die Hamas getroffen, doch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass das an ihrer islamistisch-totalitären Ideologie und an ihrer Haltung gegenüber Israel etwas geändert hätte. „Den Radikal-Islamisten der Hamas sind ihre Verbündeten verlorengegangen“, schreibt Hoffmann-Ostenhof. Fein, nur was soll dann „so vielversprechend“ sein, dass Abbas genau diese „Radikal-Islamisten“ aus ihrer angeblichen Isolierung  herausholt und mit ihnen gemeinsame Sache macht?

Sollte es zu palästinensischen Wahlen kommen, werde die Fatah diese „locker gewinnen“, meint Hoffmann-Ostenhof und verweist auf „alle Umfragen“, die das vorhersagen würden. Das hatten freilich auch alle Umfragen vor den letzten Wahlen 2006 getan – deren Ergebnis dürfte bekannt sein.

Das war’s, weitere ‚Argumente‘ sind in Hoffmann-Ostenhofs Kommentar nicht zu finden. Bis zu palästinensischen Wahlen müssten noch „gewaltige Hürden“ überwunden werden, aber der Tag der Angelobung der Einheitsregierung sei „allemal“ ein „guter Tag für die Palästinenser“ gewesen. (profil 24/2014) Haben Sie verstanden warum?

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