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Wochenbericht, 14.4. bis 20.4.2014

In dieser Ausgabe:

I. Allgemeiner Überblick
II. Syrien: Osterappelle und Giftgas
III. Ein besonderer Fall von „Ausgewogenheit“: Andreas Schwarz im Kurier
IV. Palästinensische Gefangene sind nicht gleich palästinensische Gefangene
V. Das „moderate Aushängeschild“ Zarif
 

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 310 Beiträge mit Bezügen zu Nordafrika und dem Nahen Osten:

Wochenbericht, 14.4. bis 20.4.2014

Folgende Länder standen im Fokus der Berichterstattung:

Wochenbericht, 14.4. bis 20.4.2014

In den insgesamt 51 relevanten Beiträgen der wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurde auf folgende Länder am häufigsten Bezug genommen:

Wochenbericht, 14.4. bis 20.4.2014

II. Syrien: Osterappelle und Giftgas

Anlässlich des christlichen Osterfestes richtete der Papst in einer Ansprache am Petersplatz mahnende Worte an die Welt, das Elend in Syrien nicht zu vergessen und Anstrengungen zu unternehmen, um den blutigen Krieg dort endlich zu beenden. (Ö1-Abendjournal, 20. Apr. 2014)

Der Friedensaufruf des Papstes erging in einer Zeit, in der es fast täglich Berichte über erneute Einsätze von Giftgas durch das syrische Regime gibt. Anders als am 21. August letzten Jahres, als im Raum von Damaskus über 1300 Menschen bei Angriffen mit Sarin getötet wurden, sollen jetzt in Kafr Zita von Hubschraubern aus mit Chlorgas versetzte Fassbomben abgeworfen worden sein. (Presse, 14. Apr. 2014) Dass Giftgas eingesetzt wurde, wird von keiner der Kriegsparteien bestritten, allerdings schieben sich Regime und Opposition gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Die Apologeten der Assad-Diktatur verspüren an der Propagandafront Aufwind, seit Enthüllungsjournalist Seymour Hersh in einem Artikel die türkische Regierung für den Giftgaseinsatz vom vergangenen August verantwortlich machte. (Salzburger Nachrichten, 14. Apr. 2014), auch wenn die angeblichen „Erkenntnisse“ Hershs fragwürdig und kaum glaubhaft sind. Doch wie schon im vergangenen Jahr deutet auch jetzt wenig darauf hin, dass die Opposition Giftgas eingesetzt haben könnte. Stimmen die Berichte, dass das Chlorgas von Hubschraubern abgeworfen wurde, schließt das Rebellengruppen de facto aus: Die Rebellen verfügen über keine Helikopter, und selbst wenn, hätten diese wohl kaum unbemerkt von Regimetruppen im Gebiet von Kafr Zita fliegen können, in dem seit Wochen intensive Militäroperationen regimetreuer Truppen im Gange sind.  

Der mutmaßliche Giftgaseinsatz von Kafr Zita fällt mit Jubelmeldungen von den Vereinten Nationen zusammen, denen zufolge die letztes Jahr vereinbarte Zerstörung syrischer Chemiewaffen zügig vorankomme. Laut UN sollen bereits rund 80 Prozent der Kampfstoffe abtransportiert und vernichtet worden sein. (Ö1-Abendjournal, 20. Apr. 2014) Wie die Nachrichten aus Kafr Zita und von anderen Schauplätzen zeigen, hindert das das syrische Regime nicht daran, weiter chemische Kampfstoffe einzusetzen. Aus der Sicht Assads war der Deal zur Zerstörung seiner Chemiewaffen ein voller Erfolg: Um sie weiter gegen die Opposition einzusetzen zu können, reichen auch die verbliebenen 20 Prozent aus, und im Gegensatz zum letzten Herbst braucht Assad sich überhaupt keine Sorgen machen, dass seine Verbrechen gegen die Menschheit nennenswerte internationale Reaktionen oder gar eine militärische Intervention auslösen werden.
 

III. Ein besonderer Fall von „Ausgewogenheit“: Andreas Schwarz im Kurier

Im Kurier beschäftigte sich am Ostersonntag Andreas Schwarz mit der bevorstehenden Nahost-Reise, die Außenminister Kurz nach Jerusalem, Ramallah und Teheran führen wird. Wie Schwarz schon in der Überschrift verkündete, sei es ein „Israel-Besuch zu einem heiklen Zeitpunkt“, ausgerechnet jetzt, da die Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern zum Stillstand gekommen seien.

Die israelisch-palästinensischen Verhandlungen seien Schwarz zufolge „nach klassischem Muster“ gescheitert: „Eine Zielvorgabe (die auch von Österreich unterstützte Zwei-Staaten-Lösung), ein innerisraelischer Konflikt darüber, eine palästinensische Trotzreaktion – und aus.“ Bei welch früheren Gelegenheiten Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien nach diesem Muster gescheitert sein sollen, teilte Schwarz seinen Lesern nicht mit, wohl auch deshalb, weil er kaum Beispiele dafür anführen hätte können. Wenn man schon ein „klassisches Muster“ erkennen will, so bestand dieses bislang aus israelischen Zugeständnissen, die regelmäßig mit palästinensischer Ablehnung, manchmal auch mit Gewalt beantwortet wurden.

Dass Schwarz ein „klassisches Muster“ zu entdecken vermag, dem in der Geschichte des Konflikts wenig entsprach, mag zum Teil an seiner kreativen Interpretationsfähigkeit liegen. Dass die PLO in den letzten acht Monaten in keinem einzigen Punkt zu Kompromissen bereit war und sich nach wie vor kategorisch weigert, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, vom uneingeschränkten „Rückkehrrecht“ für Millionen palästinensischer „Flüchtlinge“ abzugehen,  ein Ende des Krieges gegen den jüdischen Staat zu erklären, und zuletzt erklärte, nicht über den 29. April hinaus weiter zu verhandeln, über all das war in Schwarz‘ Bericht mit buchstäblich keinem Wort die Rede. Denn er hatte die wahren Schuldigen für das Scheitern der Verhandlungen ganz woanders ausgemacht: „Es war die Siedlerpartei des aufstrebenden Jungpolitikers Naftali Bennet, die in der israelischen Regierungskoalition von Beginn weg gegen territoriale und andere Zugeständnisse an die Palästinenser opponierte. Auch gegen die vereinbarte Freilassung von palästinensischen Gefangenen in Israel.“

Belege dafür, dass die Verhandlungen am Widerstand der „Siedlerpartei“ von Wirtschaftsminister Bennett gescheitert seien, führt Schwarz mit gutem Grund nicht an, denn die Behauptung als an den Haaren herbeigezogen zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung. Interessant ist aber, was in seinen Ausführungen fehlte: Für die enormen Widerstände, die auf der palästinensischen Seite gegen Kompromisse oder gar einen Friedensschluss mit Israel existierten, interessierte er sich überhaupt nicht. Sofern Palästinenser in Schwarz‘ Sichtweise überhaupt als Akteure vorkommen, werden sie wie Kleinkinder behandelt, die nicht anders könnten, als mit einer „Trotzreaktion“ auf tatsächliche oder angebliche israelische Provokationen zu reagieren. Im konkreten Fall habe Mahmud Abbas beschlossen, auf die nicht erfolgte letzte Freilassungsrunde palästinensischer Gefangener mit Beitrittsanträgen zu internationalen Verträgen zu reagieren, woraufhin Israel Wirtschaftssanktionen „gegen Palästina“ angedroht habe. Die nächste Passage im Beitrag von Schwarz hatte es in sich: „Dann folgte wieder Gewalt: Ein Heckenschütze erschoss Anfang der Woche nahe Hebron einen israelischen Polizisten und verletzte dessen Frau und Kind. Und auf dem Jerusalemer Tempelberg ging die israelische Polizei gegen arabische Gläubige vor, nachdem palästinensische Jugendliche jüdische Gläubige und Polizisten mit Steinen beworfen hatten.“ (Kurier, 20. Apr. 2014)

Über den angesprochenen Anschlag durch einen Heckenschützen hatte der Kurier zuvor bereits mit einer Kurzmeldung berichtet. Obwohl der ermordete 40-Jährige Baruch Mizrahi mit seiner Frau und seinen Kindern nicht im Westjordanland, sondern in der israelischen Stadt Modi’in gelebt hatte, lautete die Überschrift dieses Artikels: „Jüdischer Siedler erschossen“. (Kurier, 15. Apr. 2014) Dass der Ermordete Polizist war, wie Schwarz erwähnte, spielte bei dem Mordanschlag allem Anschein nach keine Rolle und dürfte dem Mörder nicht bekannt gewesen sein. Während der Kurier das Opfer einmal fälschlicherweise als „jüdischen Siedler“ und ein anderes Mal als „israelischen Polizisten“ identifizierte, beschrieb Schwarz die Identität des Täters völlig unbestimmt bloß als „Heckenschütze“ – dass es sich um einen Terroranschlag handelte, bei dem ein Araber bzw. Palästinenser ganz gezielt das Feuer auf eine jüdische Familie eröffnete, wurde nicht klar ausgeführt. Im zweiten Fall von Gewalt gab es plötzlich wieder verantwortliche Akteure: „Israelische Polizisten“ gingen gegen „arabische Gläubige“ vor.  Erst im Zusatz wurde klar, dass am Beginn der Gewalt am Tempelberg palästinensische Angriffe auf Juden gestanden hatten.

So wie Schwarz die beiden Vorfälle präsentierte, erweckte er den Eindruck, als habe es auf der einen Seite den Mordanschlag auf einen Israeli gegeben, während die israelische Polizei auf der anderen Seite gegen „arabische Gläubige vorgegangen“ sei (was auch immer damit gemeint gewesen sein soll). Der Anschein einer Gegenüberstellung von Gewalt von der einen wie von der anderen Seite ergab sich aber allein durch die manipulative Darstellungsweise, wo es sich in Wahrheit doch in beiden Fällen um palästinensische Gewalt gegen Juden handelte.
 

IV. Palästinensische Gefangene sind nicht gleich palästinensische Gefangene

Schwarz stimmt mit dem medialen Mainstream darin überein, dass der Zusammenbruch der israelisch-palästinensischen Verhandlungen mit der israelischen Weigerung begonnen habe, ein viertes Mal binnen acht Monaten Dutzende palästinensische Häftlinge freizulassen. Was in der Berichterstattung völlig übersehen wird, ist die eklatante Doppelmoral, die den palästinensischen Umgang mit Gefangenen betrifft.

Denn während die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) gerade eben am sogenannten „Gefangenentag“ wieder im ganzen Westjordanland Demonstrationen inszenierte, um ihre Solidarität mit palästinensischen Gefangenen in Israel zu bekunden und israelische „Menschenrechtsverletzungen“ gegenüber diesen Häftlingen beklagen, haben die Sicherheitsorgane der Palästinensischen Autonomiebehörde allein seit dem Jahresbeginn 2014 über 350 Menschen unter oft fadenscheinigen Gründen in Gefängnisse geworfen, wo die Inhaftierten oftmals schwer gefoltert werden. Während die palästinensische Führung grausame Mörder von Israelis als Helden feiert und den Kampf für ihre Freilassung als nationale Pflicht betrachtet, verschwinden hunderte Palästinenser in den Verliesen der PA, und das nicht etwa wegen ähnlich blutiger Verbrechen, sondern weil sie aus diesem oder jenem Grund der Diktatur von Mahmud Abbas ein Dorn im Auge sind. Der palästinensische Journalist Khaled Abu Toameh streicht die Doppelmoral hervor, die darin zum Ausdruck kommt: „So while the Palestinian Authority is calling on the international community to punish Israel for imprisoning Palestinians, its own security forces continue to hold hundreds, if not thousands, of Palestinians in prison, some tortured, some without trial. Yet, the Palestinian Authority does not see its actions as a violation of human rights and international law. It is all right for Palestinians to detain and torture a fellow Palestinian. But apparently it is not all right for Israel to arrest and imprison anyone who harms its security or murders its citizens.“

Doch nicht nur die Führung der PA bedient sich einer Doppelmoral, sondern auch die westlichen Medien, die hellhörig werden, wenn von palästinensischen Häftlingen in Israel die Rede ist, über die von den palästinensischen Sicherheitsdiensten verschleppten Palästinenser aber schweigen: „Of course, the arrests by the Palestinian Authority … continue to be ignored by the mainstream media in the West. This is a story that does not reflect negatively on Israel, so is therefore not considered worthy of being reported to Western audiences.“
 

V. Das „moderate Aushängeschild“ Zarif

Die seit dem vergangenen Sommer laufende und bisher äußerst erfolgreiche Charmeoffensive des iranischen Regimes wird in westlichen Medien von zwei Gesichtern repräsentiert. Da ist zum Einen natürlich Präsident Hassan Rohani, dessen Wahl für viele in Wunschdenken gefangene Beobachter den Beginn einer neuen Ära der Versöhnung markierte, in welcher der Iran auf internationaler Ebene als konstruktiver Partner auftrete und darum bemüht sei, Konflikte zu lösen und Krisen zu bewältigen. Ganz in diesem Sinne wurde in dieser Woche darüber berichtet, dass Rohani – ausgerechnet – eine Militärparade in Teheran zum Anlass nahm, um ein weiteres Mal die islamistische Diktatur als „Land des Friedens und der Stabilität“ zu verklären. (Presse, 19. Apr. 2014)

Zum Anderen ist es Außenminister Mohammed Javad Zarif, der als stets lächelnder Vertreter den angeblich neuen Kurs seines Landes verkörpert. Diesem Mann widmete Arian Faal in der Wiener Zeitung einen wohlwollenden Beitrag, in dem er Zarif als „moderates Aushängeschild und rechte Hand des als gemäßigt geltenden Präsidenten Rohani“ porträtierte, der „zwischen den Stühlen“ sitze, weil er einerseits um einen Kompromiss im Atomstreit mit dem Westen bemüht sei, andererseits aber genau deshalb unter Kritik der „Hardliner im eigenen Land“ stehe.

So ausgeprägt ist das Bedürfnis westlicher Medien, an den „neuen“ Iran Rohanis und Zarifs zu glauben, dass Meldungen, die diesem Bild widersprechen, einfach ignoriert werden. In keinem der von MENA systematisch analysierten österreichischen Medien wurde beispielsweise darüber berichtet, dass der ach so „moderate“ Präsident Rohani es noch vor wenigen Jahren als die „Pflicht aller Muslime“ bezeichnete, dem Befehl Khomeinis zu folgen und den Schriftsteller Salman Rushdie wegen dessen vermeintlicher Beleidigung des Islam zu ermorden. Und genauso wenig sind hierzulande die Bilder zu sehen, die das „moderate Aushängeschild“ des angeblich um „Frieden und Stabilität“ bemühten Iran in einem doch deutlich anderen Licht zeigen. Im vergangenen Jänner etwa wurde in Beirut folgendes Foto geschossen:

Wochenbericht, 14.4. bis 20.4.2014

Außenminister Zarif ist hier bei einer Kranzniederlegung zu Ehren von Imad Mugniyeh zu sehen, dem 2008 in Damaskus bei der Explosion einer Autobombe ums Leben gekommenen Chef-Terroristen der libanesischen Hisbollah. Mugniyeh war das Mastermind hinter einer Vielzahl von Entführungen, Anschlägen und anderen Terrorakten seit den frühen 1980er-Jahren und galt als gefährlichster Terrorist der Welt – bevor ihm ein gewisser Osama bin Laden in dieser unrühmlichen Reihung den Rang ablief. Zarif im stillen Gedenken an einen Massenmörder – dieses Bild des „moderaten Aushängeschilds“ des iranischen Regimes wurde österreichischen Medienkonsumenten vorenthalten.

Wie das folgende Foto der offiziellen iranischen Nachrichtenagentur belegt, hat Zarif es aber nicht nur mit toten Terroristen:

Wochenbericht, 14.4. bis 20.4.2014

Der Mann links ist wieder Außenminister Zarif, lächelnd wie etwa man ihn von gemeinsamen Presseauftritten mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton kennt. Bei dem Mann rechts, der hier von Zarif mit freudiger Umarmung begrüßt wird, handelt es sich um niemand geringeren als Ramadan Abdullah Mohmmad Shallah, den Generalsekretär des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ), der sich seit Jahren auf der FBI-Fahndungsliste der „Most Wanted Terrorists“ befindet. An den bis zu fünf Millionen Dollar für Hinweise, die zur Ergreifung Shallahs führen, ist Zarif offenbar nicht interessiert, ist er als glühender Verfechter des iranischen Regimes doch hocherfreut darüber, mit dem PIJ über Handlanger im Krieg gegen Israel und im Kampf um Einfluss unter den Palästinensern zu verfügen.

Beide Fotos zeigen das „moderate Aushängeschild“ Zarif so, wie es in österreichischen Medien nie zu sehen ist: als freundliches Gesicht des Terrors.

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