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Wochenbericht, 13.2. bis 19.2.2012

Wie bereits in der letzten Woche war auch dieses Mal Syrien das dominierende Thema der Nahostberichterstattung österreichischer Tageszeitungen. Von den insgesamt 195 erschienenen relevanten Beiträgen (nach zuletzt 212) beschäftigen sich rund 37 Prozent mit dem nicht enden wollenden Blutvergießen in der Diktatur Bashar al-Assads.

Im Hinblick auf die einzelnen Tageszeitungen ergab sich in dieser Woche folgende Verteilung:

Wochenbericht, 13.2. bis 19.2.2012

Dieses Verteilungsmuster ist über Wochen hinweg gesehen sehr konstant, einzig Standard und Presse lösen einander immer wieder ab, wenn es darum geht, welche Zeitung am meisten über den Nahen Osten berichtet. Unter Berücksichtigung des geografischen Schwerpunkts der Berichterstattung ergibt sich folgendes Bild:

Wochenbericht Tabellen - Wochenbericht - 20Feb12 - Tab2

Im Vergleich zu den letzten Wochen ist daran einerseits auffällig, dass Ägypten dieses Mal unter den fünf am Öftesten genannten Ländern von Libyen verdrängt wurde. Der Grund dafür ist der erste Jahrestag des Beginns des Aufstandes gegen Muammar al-Gaddafi, der zum Anlass genommen wurde, die seitherige Entwicklung Libyens kritisch unter die Lupe zu nehmen. Die so entstandenen Resümees waren eher pessimistisch: Auch wenn es im Zuge der Vorbereitung der ersten freien Wahlen, die spätestens Ende Juni abgehalten werden sollen, zur Gründung politischer Parteien kommt, ist das Land von demokratischen Verhältnissen noch weit entfernt. (Standard, 17. Feb. 2012) Die für wesentliche Fortschritte unerlässliche Entwaffnung der etlichen Milizen geht, so überhaupt Erfolge zu verzeichnen sind, nur sehr schleppend voran; nach wie vor beherrschen viele bewaffnete Gruppen die Szenerie. (Kleine Zeitung, 18. Feb. 2012; Presse, 18. Feb. 2012) Menschenrechtsgruppen weisen alarmiert darauf hin, dass systematische Folterungen angeblicher oder tatsächlicher Anhänger des gestürzten Diktators auf der Tagesordnung stehen. Seit September des vergangenen Jahres sind zumindest zwölf Fälle belegt, in denen Menschen zu Tode gefoltert wurden, darunter beispielsweise auch der ehemalige libysche Botschafter in Frankreich. Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ sieht sich nicht mehr in der Lage, ihre Arbeit in Misrata fortzusetzen – sie weigert sich, Menschen ärztlich zu versorgen, nur damit diese in den Folterkellern ein wenig länger durchhalten können. (Presse, 19. Feb. 2012) Vorsichtig positive Nachrichten gibt es dagegen auf wirtschaftlichem Gebiet: Die libysche Erdölförderungen hat wieder ihr Vorkriegsniveau erreicht und soll in den kommenden Jahren weiter gesteigert werden (Libyen verfügt über rund 3,5 Prozent der bekannten Rohölreserven, die achtgrößten Vorräte weltweit). Dass es gelingen wird, sich zu einem „Norwegen des Mittelmeeres“ zu entwickeln, darf dennoch bezweifelt werden (Presse, 16. Feb. 2012) – die skandinavische Symbiose von Ölreichtum, allgemeinem Wohlstand und Menschenrechten stellt einen reichlich untypischen Fall im Kreise der ölproduzierenden Länder dar.

Dominiert wurde die Nahostberichterstattung österreichischer Zeitungen, wie erwähnt, wieder von Syrien. Nachdem eine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen an den Vetos Russlands und Chinas gescheitert war, wurde in der UN-Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die die Gewalt in Syrien verurteilt. (Standard, 17. Feb. 2012) Zwölf Länder stimmten immer noch gegen eine Verurteilung des syrischen Regimes; sie sollten nicht unerwähnt bleiben: Weißrussland, Bolivien, China, Kuba, Ecuador, Iran, Nicaragua, Nordkorea, Russland, Syrien, Venezuela, Zimbabwe. Wie es abseits folgenloser UN-Resolutionen weitergehen soll, bleibt unklar. Die Arabische Liga rief die Vereinten Nationen zur Entsendung einer Blauhelm-Truppe auf (KURIER, 14. Feb. 2012), doch hat ein solcher Vorschlag momentan kaum Chancen auf eine Umsetzung. Aufrufe, wie jener von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon am Rande seines Opernballbesuches in Wien, das Blutvergießen zu stoppen (KURIER, 17. Feb. 2012), sind allein ob ihrer Hilflosigkeit beachtlich. Über die Bemerkung Bans im Krone-Interview, die UN-Generalversammlung habe „mit ihrer Resolution ein starkes Signal gesetzt, das Präsident Assad sicherlich nicht unbeeindruckt lassen wird“, hat der angesprochene syrische Diktator – im Gegensatz zu syrischen Bevölkerung – sicher sehr gelacht. (Kronen Zeitung, 18. Feb. 2012)

In Syrien selbst gingen regimetreue Truppen weiter gegen Zentren des Aufstandes vor, insbesondere Homs stand weiter unter schwerem Beschuss. (Standard, 18. Feb. 2012) Die zunehmende Militarisierung der Auseinandersetzung hat zu Folge, dass nur noch selten jene Demonstrationen zu sehen sind, die in den ersten Monaten den Aufstand gegen die Diktatur Bashar al-Assads prägten. (Standard, 17. Feb. 2012) Geheimdiensten zufolge sollen auf der Seite der Rebellen auch Mitglieder der al-Qaida und ehemalige Kämpfer aus Libyen zu finden sein. (Presse, 18. Feb. 2012) Per Videobotschaft rief al-Qaida-Chef Ayman al-Zawahiri zum Kampf gegen Assad auf. (Standard, 13. Feb. 2012) Der angebliche Einsatz amerikanischer Drohnen im Luftraum über Syrien dürfte nur auf Aufklärungstätigkeiten zurückzuführen sein (Kronen Zeitung, 19. Feb. 2012) und sollte zumindest im Augenblick nicht als Hinweis auf eine mögliche Intervention der USA oder anderer westlicher Staaten gewertet werden.

Neben Syrien sorgte in dieser Woche vor allem der Iran für Schlagzeilen. Präsident Ahmadinejad gab unter lautem Getöse neue Fortschritte des iranischen Atomprogrammes bekannt. Demnach soll ein Forschungsreaktor in Teheran erstmals mit im Iran produzierten Brennstäben gefüttert worden sein. Anderen Berichten zufolge sollen in der Urananreicherungsanlage in Natanz neue, leistungsfähigere Zentrifugen in Betrieb genommen worden sein. In einem Brief an EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton soll Ahmadinejad seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme von Gesprächen über das Atomprogramm zum Ausdruck gebracht haben. (Standard, 16. Feb. 2012) Dass Ashton sich daraufhin „vorsichtig optimistisch“ zeigte, weil die Post aus Teheran bedeuten könnte, dass der Iran „gesprächsbereit“ sei, und US-Außenministerin Clinton den Brief als die Antwort bezeichnete, „auf die wir gewartet haben“ (Standard, 18. Feb. 2012), macht einigermaßen sprachlos – offenbar hat der Westen nach zehn Jahren iranischen Zeitschindens noch immer nicht verstanden, welchen Zweck das Regime mit Gesprächen dieser Art verfolgt.

Parallel zur andauernden Auseinandersetzung um das iranische Atomwaffenprogramm führten offenbar iranische Agenten im Laufe der Woche eine Anschlagsserie gegen israelische Ziele durch. Am Montag wurden eine Mitarbeiterin der israelischen Botschaft und ihre Chauffeur in Neu Delhi bei der Explosion einer an ihrem Wagen befestigten Bombe verletzt. Am gleichen Tag scheiterte ein ähnlicher Anschlag im georgischen Tiflis, weil ein aufmerksamer Chauffeur im Dienste der israelischen Botschaft die Bombe rechtzeitig entdeckte. (Standard, 14. Feb. 2012; Presse, 14. Feb. 2012) Einen Tag darauf wurde in der thailändischen Hauptstadt Bangkok ein Mann mit iranischem Pass festgenommen. Zuvor hatte er in einem Haus offenbar beim Hantieren mit Sprengladungen irrtümlich eine Explosion ausgelöst. Bei seinem anschließenden Fluchtversuch warf er zuerst eine Bombe auf einen Taxifahrer, der sich weigerte, den fliehenden Mann zu befördern, und wurde anschließend schwer verletzt, als eine auf die ihn verfolgende Polizei geworfene Bombe abprallte und vor seinen Füßen detonierte. Zumindest ein Komplize wurde am Flughafen von Bangkok festgenommen, als er sich ins Ausland absetzen wollte. (Presse, 16. Feb. 2012; KURIER, 16. Feb. 2012) Ebenso wurde bekannt, dass eine Gruppe von Iranern in Singapur den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak ermorden wollte. (Presse, 17. Feb. 2012)

Bemerkenswert im Bezug auf österreichische Zeitungen ist, dass all diese Vorgänge der Kronen Zeitung bislang genau einen einzigen Bericht wert waren, in dem die Anschläge und Anschlagsversuche als das Werk von „Dilettanten-Terroristen“ verniedlicht wurden. (Kronen Zeitung, 17. Feb. 2012). Noch auffälliger ist allerdings, dass in der Kleinen Zeitung bis zum heutigen Tage mit keinem einzigen Wort über diese gegen israelische Ziele gerichtete Terrorserie berichtet wurde.

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