Wochenbericht, 11.11. bis 17.11.2013

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. Syrien: Tödliche Verwechslung
III. Verhandlungen mit dem Iran: Ein schlechter Deal
IV. Saudi-Arabien im UN-Menschenrechtsrat und ein Moment der Klarheit

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 289 Beiträge mit Bezügen zum Nahen Osten und zu Nordafrika:

Wochenbericht, 11.11. bis 17.11.2013

Folgende Länder standen im Mittelpunkt der Berichterstattung:

Wochenbericht, 11.11. bis 17.11.2013

In den insgesamt 43 relevanten Beiträgen der wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurde folgenden Staaten am meisten Aufmerksamkeit entgegengebracht:

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II. Syrien: Tödliche Verwechslung

Je länger der Bürgerkrieg in Syrien andauert, umso mehr Einfluss gewinnen in den Reihen der bewaffneten Rebellen islamistische Gotteskrieger. Teile des Landes befinden sich unter Kontrolle der al-Qaida nahestehenden Gruppe „Islamischer Staat im Irak und Syrien“ (ISIS), die weniger gegen das syrische Regime zu kämpfen, als gegen andere Rebellengruppen vorzugehen und eine Terrorherrschaft über die Bevölkerung zu errichten scheint.

Am vergangenen Donnerstag berichtete die Kleine Zeitung über „Rebellen-Terror in Aleppo“: „Mit einer grausamen Hinrichtung haben radikale Islamisten die Bevölkerung … vor einer Zusammenarbeit mit dem Regime von Baschar al-Assad gewarnt.“ Zwei ISIS-Kämpfer „trugen den Kopf eines Assad-Anhängers durch die Straßen.“ (Kleine Zeitung, 14. Nov. 2013)

Wie sich mittlerweile herausstellte, war diese Meldung nicht ganz korrekt: Zwar trugen die blutrünstigen Mörder der ISIS tatsächlich einen abgehackten Kopf durch die Straßen von Aleppo, doch handelte es sich bei dem Opfer nicht um einen Assad-Anhänger, sondern um Mohammed Marrouche, einen Kommandanten der ebenfalls gegen das Regime kämpfenden und nur graduell weniger radikalen Islamisten-Gruppe Ahrar al-Sham.

Marrouche war nach einem Kampf mit Regierungstruppen schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Als er aus der Narkose aufwachte, murmelte er offenbar benommen einige Namen, die von den anwesenden ISIS-Kämpfern als Namen schiitischer Heiliger identifiziert wurden, woraus die Männer schlossen, dass es sich bei dem Verletzten um einen an der Seite Assads kämpfenden Alawiten handeln musste – Grund genug, ihm sogleich den Kopf abzuhacken. Der tödliche Irrtum wurde bekannt, als Marrouche auf einem Bild erkannt wurde, auf dem die ISIS-Männer mit dem abgetrennten Kopf posierten.
 

III. Verhandlungen mit dem Iran: Ein schlechter Deal

Nachdem die Verhandlungen der P5+1 mit dem Iran über dessen Atom(waffen)programm in Genf nicht zum erhofften Abschluss eines Deals geführt hatten, wurden Frankreich und Israel von den Medien als Spielverderber dargestellt: Frankreich, weil es als „(e)nfant terrible“ (Presse, 11. Nov. 2013) mit seinem Widerstand in Genf die Unterzeichnung eines Abkommens verhindert habe (Standard, 11. Nov. 2013; Standard, 12. Nov. 2013), Israel, weil es seiner „Rolle als Ausbremser“ nachkomme und „immer schwereres verbales Geschütz“ auffahre, „um die Weltmächte vor einem diplomatischen Teilabkommen im Atomstreit zu warnen.“ (Kronen Zeitung, 16. Nov. 2013. Sehen Sie dazu auch den Abschnitt über die „Buhmänner Israel und Frankreich“ in unserem letzten Wochenbericht.)

Trotz der Enttäuschung über die nicht erfolgreich zu Ende gebrachten Verhandlungen in Genf versprühen die Medien weiter Optimismus. Anfang der Woche vermeldeten sie einen weiteren „Fortschritt im Atomstreit“ (Presse, 12. Nov. 2013): Der Iran und die IAEA einigten sich auf ein Abkommen, das allgemein als ein „(n)euer, ermutigender Schritt im Nuklearstreit mit Persien“ (Kronen Zeitung, 12. Nov. 2013) bzw. als „wichtiger Schritt vorwärts“ (Salzburger Nachrichten, 12. Nov. 2013) und „positives Signal“ (ZiB, 11. Nov. 2013) bewertet wurde. (Sehen Sie dazu unseren Beitrag „Verhandlungen mit dem Iran: Täglich grüßt das Murmeltier“.)

Doch wie so oft im Atomstreit mit dem Iran folgte auch im Falle des „Joint Statement on a Framework for Cooperation“, das medial so bejubelt wurde, auf den optimistischen Überschwang zumindest unter den weniger von maßlosem Wunschdenken beherrschten Beobachtern die Ernüchterung. „Dieses Kooperationsabkommen“, analysierte Gudrun Harrer in ihrer Kolumne im Online-Standard, „ist, genau betrachtet, vor allem ein Dokument des guten Willens – man könnte auch sagen des guten Wetters –, ein technischer Durchbruch ist es nicht.“ Ephraim Asculai vom israelischen Institute für National Security Studies wurde in seiner Einschätzung des IAEA-Iran-Abkommen deutlicher: „(I)t does not have much more than a placebo effect, where the patient, in this case the world, believes that it is receiving a true palliative. Unfortunately, this is not the case here.“ Im Hinblick auf die Fortsetzung der Verhandlungen in Genf sei das Abkommen als Erfolg der iranischen „Charmeoffensive“ zu werten, da es als Bestätigung gesehen würde, dass ein Deal mit dem Iran erzielt werden könne – selbst wenn das Abkommen mit der IAEA nur von sehr geringem praktischen Nutzen sei.

Ende der Woche war schließlich im Standard zu lesen: „Atombehörde: Iran bremste Nuklearausbau“. Demnach habe der Iran laut einem Bericht der Atomenergiebehörde seit August „den Fortschritt des Atomprogramms verlangsamt“. Die Einschränkung folgte allerdings auf dem Fuße: „Grund seien zum Teil Wartungsarbeiten. Ein Diplomat sagte, dies sei ‚kein ungewöhnlicher Vorgang‘.“ (Standard, 16./17. Nov. 2013)

An der Berichterstattung über die aktuellen Entwicklungen im Atomstreit fällt vor allem eines auf: Ein Deal mit dem Iran wird so sehr herbeigesehnt, dass dessen Inhalt fast egal zu sein scheint. Während Israel vorgehalten wird, gegen jede mögliche Vereinbarung mobil zu machen, und speziell Premier Netanjahu vorgeworfen wird, „er fühle sich nicht verpflichtet, sich an irgendein Abkommen zu halten“ (Ö1-Mittagsjournal, 8. Nov. 2013), scheint man im Westen mehr als bereit zu sein, darauf zu vergessen, worum es im Atomstreit geht. Das Ziel, den Iran an der Entwicklung von Atombomben zu hindern, scheint durch das Ziel ersetzt worden zu sein, um jeden Preis einen Deal mit dem islamistischen Regime zu unterzeichnen. Wie wäre anders zu erklären, dass die Medien zwar über den Spielverderber Netanjahu berichten, es dabei aber tunlichst unterlassen, sich mit dem Inhalt seiner Kritik an den Verhandlungen auseinanderzusetzen? So froh stimmt die Hoffnung auf ein Abkommen, dass die Medien kaum mehr die Frage stellen, ob dem Iran damit der Weg zur Bombe effektiv versperrt würde. Im CNN-Interview machte Netanjahu am Wochenende noch einmal deutlich, worin seine Kritik besteht:

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Schon allein die Tatsache, dass Netanjahu  nicht über die Inhalte eines Deals mit dem Iran hinwegsehen und ihn nicht als Selbstzweck betrachten kann, führt dazu, dass Israel sich „international zunehmend isoliert“ (Kronen Zeitung, 16. Nov. 2013) und nicht etwa das iranische Atom(waffen)programm, sondern der jüdische Staat als „Risiko“ (Ö1-Mittagsjournal, 8. Nov. 2013) betrachtet wird.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass österreichische Medien keine Notiz von einem der seit dem Libanonkrieg 2006 selten gewordenen öffentlichen Auftritte von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah nahmen. Die Times of Israel berichtete, wie dessen am letzten Mittwoch kundgetane Einschätzung der Verhandlungen in Genf aussieht: „Failure to reach a deal between Iran and world powers over Tehran’s nuclear program could lead to a war in the Middle East … A successful conclusion of current talks over the disputed program however would strengthen the Islamic Republic and its allies in the region”.

 

IV. Saudi-Arabien im UN-Menschenrechtsrat und ein Moment der Klarheit

Während in Saudi-Arabien gegen Frauen vorgegangen wird, die sich dem diskriminierenden Verbot widersetzen, ein Auto zu steuern, verrichtet in Wien Österreichs ehemalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ihren Dienst in dem von den Saudis gesponserten „König-Abullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“. Von der Krone um einen Kommentar zur Diskriminierung von Frauen in Saudi-Arabien gebeten, gab sie sich wortkarg: „Wir haben kein Mandat, uns politisch zu äußern.“ (Kronen Zeitung, 14. Nov. 2013) Auch zu anderen Menschenrechtsverletzungen in der Heimat der Finanziers ihres Jobs wollte sie wenig sagen: Dass in Saudiarabien Männer zu Peitschenhieben verurteilt wurden, weil sie mit nacktem Oberkörper getanzt hatten, fand sie laut Presse zwar „erschreckend“, wollte aber, ganz die um Recht und Ordnung bemühte Ex-Richterin, „nicht über Akten urteilen …, deren Inhalt sie nicht genau kenne.“ (Presse, 13. Nov. 2013) Dass das angeblich um „interreligiösen Dialog“ bemühte Abullah-Zentrum bislang zu keinerlei Stellungnahme zum Bürgerkrieg in Syrien, in dem religiös begründete Verwerfungen eine zunehmend wichtige Rolle spielen, in der Lage war, sei nur am Rande erwähnt. (Presse, 13. Nov. 2013)

Beim Abdullah-Zentrum handelt es sich, in den Worten von Christian Ultsch, um das „Heuchelprojekt par excellence“. Diese Woche wird wieder eine von dieser höchst fragwürdigen Institution organisierte Konferenz stattfinden, auf der rund 500 Teilnehmer über das „Bild des anderen“ debattieren sollen, obwohl es in einer saudischen Einrichtung viel über andere Dinge zu reden geben würde: über die Lage der Frauen im Land der islamischen Heiligtümer, „über den Einreisebann für Juden oder auch über das Verbot, in Saudiarabien Kirchen zu bauen und andere Religionen als den Islam anzunehmen“. (Presse, 17. Nov. 2013) Dafür ist allerdings im „interreligiösen Dialog“ saudischen Zuschnitts kein Platz.

Das Abdullah-Zentrum ist freilich bei Weitem nicht die einzige Institution, bei der westliche Demokratien dabei zusehen, wie „aus dem Diskurs über Menschenrechte, über ihre eigenen zentralen Werte also, eine Farce“ (ebd.) gemacht wird – der UN-Menschenrechtsrat bot sich gerade wieder als mindestens ebenso gutes Beispiel an, nachdem mit China, Kuba, Saudi-Arabien, Vietnam und Russland zum wiederholten Male ausgerechnet Länder in das UN-Gremium gewählt wurden, in denen Menschenrechte mehr oder minder systematisch mit Füßen getreten werden. Es mag ein Ausdruck aufrichtigen Entsetzens gewesen sein, als Verena Gleitsmann im Morgenjournal meinte, die Liste der „14 neuen Mitglieder des UNO-Menschenrechtsrates liest sich wie eine Liste von Ländern, die normalerweise vom selbigen kritisiert werden“ (Ö1-Morgenjournal, 13. Nov. 2013), doch lag sie mit dieser Behauptung völlig falsch: Den UN-Menschenrechtsrat in Genf charakterisiert eben, dass den Verantwortlichen für schlimmste Menschenrechtsvergehen keine Unannehmlichkeiten drohen. Die „Vereinten Menschenfeinde“ (Presse, 17. Nov. 2013) wachen hier vielmehr darüber, dass ihre jeweiligen Menschenrechtsverstöße nicht zur Sprache kommen, während sie sich mit obsessiver Ausdauer ihrer Lieblingsbeschäftigung widmen: der ständigen Denunziation Israels, das hier so oft an den Pranger gestellt wird, wie kein anderes Land auf der Welt.

Der Menschenrechtsrat mag ein besonders herausragendes Beispiel für Doppelmoral und pathologisch anmutende Israelfeindlichkeit sein, doch stehen andere UN-Institutionen dem kaum nach. Ganz ähnlich geht es beispielsweise auch in der UN-Generalversammlung zu, wo die Verurteilung Israels zur täglichen Routine gehört.

Am 14. November wurde dieses üble Ritaul jedoch für einen denkwürdigen Moment unterbrochen: Nachdem im Vierten Komitee der Generalversammlung bereits neun Resolutionen Israel verurteilt hatten, brachte eine UN-Übersetzerin ihre Verwunderung über das dargebotene Schauspiel zum Ausdruck – nicht wissend, dass ihr Mikrofon noch an war: „I mean, I think when you have five statements, not five, like a total of ten resolutions on Israel and Palestine, there’s gotta be something, c’est un peu trop, non? [It’s a bit much, no?] I mean I know… There’s other really bad shit happening, but no one says anything, about the other stuff.”

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Damit wurde für einen kurzen Moment der Irrsinn unterbrochen, der zum Alltag bei den Vereinten Nationen gehört. Die NGO UN Watch fasst zusammen:  „(B)y the end of its annual legislative session next month, the General Assembly will have adopted a total of 22 resolutions condemning Israel – and only four on the rest of the world combined. The hypocrisy, selectivity, and politicization are staggering.”

Es ist ein absurdes Schauspiel, an dem sich die westlichen Staaten (inklusive Österreich) übrigens in aller Regel ohne jede Einschränkung beteiligen.

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