Vor fünf Jahren, 74 Jahre nach dem Farhud – der „gewaltsamen Enteignung“ – haben die Vereinten Nationen den 1. Juni zum Internationalen Farhud-Tag erklärt.
Rachel Wahba, Times of Israel
Der Terror brach am 1. Juni 1941 in Bagdad aus – und dauerte genau achtundvierzig Stunden. Meine Mutter Khatoun war gerade sechzehn Jahre alt, ein junges jüdisches Mädchen aus Bagdad. Im Jahr 1941 war der Irak die Heimat einer der ältesten jüdischen Gemeinden der Welt, denn zwei Drittel der Juden des Landes lebten in Bagdad. Der Farhud brach aus, als die pro-nazistische Partei des Irak von den Briten entmachtet wurde.
Antizionistische Apologeten des islamischen Judenhasses behaupten weiterhin, der Farhud sei ein rein europäischer, von den Nazis angetriebener Import gewesen. Diese falsche Erklärung blamiert sich vor der Realität. Die lange Geschichte der Dhimmi-Gesetze und der allgegenwärtigen kulturellen Verachtung für den störenden, weil ungläubigen Juden ist die traurige Wahrheit.
Meine Mutter wuchs wie die meisten irakischen Juden auf und kannte ihren Platz als Bürgerin zweiter Klasse, ohne gleiche Bürgerrechte, in ihrem eigenen Land. Es gibt im Islam einen Namen für diesen Status: Dhimmi. Eine „geschützte Minderheit“ – genau solange, bis der Schutz aus welchen Gründen auch immer aufgehoben wird.
Als meine Mutter ihr Haus verließ, um zur Schule zu gehen, lernte sie, sich den Verunglimpfungen und Einschüchterungen zu entziehen, indem sie den Kopf gebeugt und die Augen gesenkt hielt. Sie versuchte, die schrecklichen Drohungen zu überhören: „Schlachtet die Juden ab! Wir werden Euch holen!“ Sie sah, wie ihr Bruder verprügelt wurde und wagte es, sich nicht zu wehren. Sie wurde Zeuge, wie der schiitische Dattelhändler in Karbala pflichtbewusst seine Hände wusch, nachdem er Geschäfte mit ihrem Vater, einem Yahud, einem Juden, gemacht hatte – der als lebendige Beleidigung des Islam und der Menschheit galt.
In guten Zeiten bedeutete der Dhimmi-Status, seinen untergeordneten Platz zu kennen, eine spezielle Kopfsteuer zu zahlen, egal wie arm man war, Bestechungsgelder für dieses oder jenes, wenn man Geld hatte. In schlechten Zeiten verhinderte Geld keine Inhaftierungen und keine öffentlichen Hinrichtungen ohne einen fairen Prozess.
„Schon vor dem Farhud waren wir leichte Beute“, erklärte meine Mutter. „Wir konnten nirgendwo hingehen, es gab damals kein Israel … Wir hatten keine andere Wahl, als zu schweigen, um am Leben zu bleiben.“ Die Weichen für den Farhud waren gestellt. Mehr als tausend Jahre, in denen die Imame Juden angegriffen haben, Jahrhunderte antijüdischer Predigten, ein Schwelbrand, der bloß wartete, die richtigen Bedingungen vorzufinden, um sich zu entzünden. Und dennoch konnten sich die Juden von Bagdad so etwas nicht vorstellen, was sich dann ereignete.
Es war Schawuot, der Feiertag zur Übergabe der Thora an Moses, und die Juden eilten nach Hause, um sich darauf vorzubereiten. Plötzlich hieß es auf der Straße: Geht nach Hause. Die Juden sind in Gefahr. Lauft weg. Ein Jude wurde gewaltsam aus einem Bus geholt und überfahren, „nicht einmal, sondern zweimal“, wie sich meine Mutter erinnerte. Auf der Straße aufgegriffene Juden wurden verprügelt und misshandelt. Das Chaos breitete sich schnell aus, und es traf hart.
Für die Juden des Judenviertels war das Zuhause keine Zuflucht. Wütende Massen drangen durch die Tore ein, und die „gewaltsame Enteignung“ hinterließ ihre Spuren. „Es beginnt immer im überfüllten, von Armut geplagten Judenviertel“, erklärte meine Mutter. (…) „Die Schreie, die Schreie, waren unvorstellbar“, haben meine Mutter, meine Großmutter und alle, die dort waren, nie vergessen. (…) Als sie nach dem Farhud ins Judenviertel ging, um Verwandte zu besuchen, die dort wohnten, „war es, als ob Heuschrecken über das Viertel hergefallen wären und alles ausgelöscht hätten; nicht einmal ein Reiskorn war übriggeblieben“.
Das Viertel war vernichtet worden. Die Plünderer hatten nach den Morden, Verstümmelungen und Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen alle Einrichtungsgegenstände geraubt. Meine Mutter lebte mit den Erinnerungen an den Farhud in ihren Adern. (…)
Heute ist der Irak judenfrei. Die 150.000 irakischen Juden durften in den 1950er Jahren fliehen und haben ihre Staatsbürgerschaft und all ihre weltlichen Besitztümer für die Freiheit eingebüßt. Sie verließen den Irak mit einem Koffer voller Kleidung und einem Einwegausgang. Die meisten ließen sich in Israel nieder.