Im Einklang mit der Wirtschaftskammer will der Kurier die Wirtschaftskrise im Iran erklären, ohne über die zentrale Rolle der Revolutionsgarden zu sprechen.
Sehr geehrte Kurier-Redaktion,
mit einigem Erstaunen las ich in der heutigen Ausgabe Ihrer Zeitung den Artikel von Thomas Pressberger über die wirtschaftlichen Probleme des Iran. Ausführlich kommt darin Philipp Winkler zu Wort, der Delegierte der österreichischen Wirtschaftskammer in Teheran, der das Land als »eine der wichtigsten Volkswirtschaften der Region« bezeichnet, hervorhebt, wie »diversifiziert« dessen Wirtschaft sei, und ausgiebig die »Sanktionierung des Landes durch die USA« beschreibt. Der Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr, der Wertverlust der iranischen Währung, zahlreiche Importverbote, all das würde die wirtschaftliche Lage sehr schwierig machen.
Erstaunt bin ich nun nicht über Winklers Wehklage über die internationalen Sanktionen gegen den Iran: Sein Job besteht nun einmal darin, österreichischen Betrieben trotz aller höchst gebotenen politischen und moralischen Einwände wirtschaftliche Aktivitäten im iranischen Gottesstaat schmackhaft zu machen. Dass ihm dabei die Sanktionen schwer im Magen liegen, ist nur allzu verständlich.
Überrascht bin ich aber darüber, dass man offenbar einen Artikel über die katastrophale wirtschaftliche Lage im Iran schreiben kann, ohne auch nur ein einziges Wort über zwei ihrer wesentlichen Ursachen zu verlieren: die alles durchdringende massive Korruption sowie die Tatsache, dass das Unternehmensgeflecht der Revolutionsgarden (offiziell: »Armee der Wächter der Islamischen Revolution«, oft auch kurz Pasdaran genannt) gut ein Drittel der iranischen Wirtschaft kontrolliert und der bei Weitem wichtigste ökonomische Akteur des Landes ist.
Besonders stark vertreten sind die Pasdaran schon seit Jahrzehnten im Bau- und Erdölsektor, doch mittlerweile sind sie praktisch in allen Wirtschaftssparten vertreten, wo sie ihre einzigartige Stellung im iranischen Machtgefüge sehr zum Schaden der privaten Konkurrenz geltend machen, die gegen die im Schutz der Halbstaatlichkeit mafiaartig agierenden Firmen der Revolutionsgarden oft keine Chance hat.
Es ist eine Sache, dass der WKO-Delegierte lieber nicht darüber sprechen möchte, dass ausländische Firmen im Iran kaum tätig sein können, ohne sich auf eine Zusammenarbeit mit den Revolutionsgarden einzulassen – und damit gleichzeitig die iranische Privatwirtschaft zu strangulieren und die Hauptstütze eines Regimes zu stärken, das gerade wieder einmal versucht, Proteste gegen sein unmenschliches System mithilfe brutaler Gewalt zum Schweigen zu bringen.
Nicht zu verstehen ist aber, warum Sie glauben, ernsthaft über die wirtschaftliche Situation im Iran berichten zu können, ohne den riesigen Elefanten im Raum auch nur zu erwähnen, der eigentlich für jeden seriösen Beobachter offensichtlich sein müsste.
Mit freundlichen Grüßen,
Florian Markl