Um die Währungskrise zu meistern, hat sich die türkische Führung nun erneut an den engen Verbündeten Katar gewandt.
Katar gehört zu den wenigen Ländern, die die Türkei bislang nicht verärgert hat. Das ist insofern beachtlich, als Ankara mit so gut wie jedem Land im Nahen Osten im Dauerclinch liegt. Darum überraschte es kaum, als Ende November beide Länder eine Reihe von Vereinbarungen ankündigten, die unter anderem neue Akquisitionen vorsehen.
Hierfür trat am 26. November der katarische Emir Sheikh Tamim bin Hamad Al Thani höchstpersönlich eine Reise nach Ankara an. Dort wurde er vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan herzlichst empfangen, um dann gemeinsam die zehn Vereinbarungen vorzustellen, die unter anderem militärische wie wirtschaftliche Zusammenarbeit, Freihandelszonen und Investitionen vorsehen.
Die Achse Katar-Türkei
Beide Länder verbindet eine strategische Partnerschaft, die insbesondere durch die gemeinsame Unterstützung der Muslimbruderschaft zusammengehalten wird. Sie intensivierte sich insbesondere nach dem Sturz des Führers der ägyptischen Muslimbruderschaft Muhammad Mursi und nahm 2017 eine neue Qualität an, als eine von Saudi-Arabien geführte Gruppe arabischer Länder die diplomatischen Beziehungen zu Katar abbrach und den Waren- und Personenverkehr massiv einschränkte.
Die Türkei eilte zur Hilfe und bot eine Luftbrücke an, um die Versorgung zu gewährleisten. Als Dank bekam der türkische Präsident 2018 einen 400-Millionen-Dollar-Privatjet geschenkt, eine Erklärung darüber hat Ankara bis heute nicht abgegeben. Die Türkei betreibt seit 2016 eine Militärbasis mit etwa 5000 Soldaten in Katar. Im Gegenzug ist Katar einer der größten Abnehmer der türkischen Waffenindustrie. Nachgefragt sind insbesondere TB2-Drohnen, Panzerfahrzeuge und Altai-Panzer.
Mit dem neuen Abkommen dürfte sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Zukunft weiter vertiefen, zumal sich die Türkei im Streit unter den arabischen Staaten auf die Seite von Katar gestellt hat, und nicht müde wird, insbesondere die Vereinigte Arabische Emirate zu verdächtigen, den Putschversuch vom 15. Juli 2016 unterstützt zu haben.
Petrodollars für Ankara
Ganz neu ist die finanzielle Unterstützung durch Katar allerdings nicht. In jüngerer Zeit zeigt sich eher, wie bemüht sich Katar sogar gibt, um der krisengeschüttelten Türkei unter die Arme zu greifen. Als spätestens im August 2018 die türkische Währung kräftig einbrach – im Vergleich zum Jahresbeginn ergab sich ein Wertverlust von etwa 40 Prozent –, sich der Streit mit den USA um den in der Türkei in Hausarrest festgehaltenen Pastor Andrew Brunson zuspitzte, und US-Präsident Donald Trump daraufhin Sanktionen ankündigte, sicherte das Golfkönigreich für das noch laufende Jahr Investitionen von 15 Milliarden US-Dollar zu.
Die finanziell angeschlagene Türkei ist auf solche Hilfen aus Katar dringend angewiesen. Allein die katarischen Direktinvestitionen sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Lag sie in den Jahren 2002 bis 2017 insgesamt bei etwa 1,8 Milliarden US-Dollar, so stiegen die Investitionen in Banken und ausgesuchte Wirtschaftsprojekte im Jahr 2019 auf 22 Milliarden US-Dollar.
Das ist eine beachtliche Summe, zumal Ankara gegenwärtig jeden Dollar benötigt, seitdem die türkische Währung seit 2018 immer weiter an Wert verliert und immer mehr ausländisches Kapital das Land verlässt, womit die Türkei nun umso mehr darauf angewiesen ist, dass Fremdwährungen ins Land fließen. Da sind Petrodollar aus Katar tatsächlich wie ein Segen.
Steht ein Ausverkauf türkischer Unternehmen an?
Die türkische Opposition beklagt bereits den Ausverkauf des Landes, nachdem bekannt wurde, dass Katar in die türkische Börse einsteigt. „Warum verkaufen Sie die Börse? Katar kann die Aktien an der Börse kaufen, aber aus welchen Gründen verkaufen Sie die Börse?“, klagte Kemal Kılıçdaroğlu, der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP).
Die Sorge der Opposition ist berechtigt. Im kommenden Jahr droht vielen türkischen Unternehmen eine Pleitewelle. Darum gehört zu den jüngsten Vereinbarungen mit Katar auch der Einstieg in die Börse in Istanbul. Katar hat sich mit einem Anteil von zehn Prozent in die wichtigsten türkischen Unternehmen, die an der Börse vertreten sind, eingekauft.
Um Pleitewellen vorzubeugen oder angeschlagene Unternehmen zu retten, investiert Katar auch zunehmend in türkische Unternehmen, die auf ausländische Direktinvestitionen dringend angewiesen sind. Bislang hatte Doha es noch auf türkische Banken wie Finansbank oder Abank abgesehen. Nun geht das Interesse aber weit darüber hinaus, wie das Beispiel des Instinye Park zeigt.
Die Qatar Holding soll einen Vertrag von über einer Milliarde US-Dollar abgeschlossen haben, um 42% des türkischen Istinye Park, eines der bekanntesten Einkaufszentren des Landes, zu kaufen, berichtet die Daily Sabah. Der Istinye Park befindet sich in Istanbul in der Nähe der „Qatar Street“ und ist mit 300 Geschäften eines der größten und meistbesuchten Einkaufszentren in der Türkei.
Swaps für Ankara
Auch die Türkische Zentralbank darf sich freuen. Gerade weil in den vergangenen zwei Jahren gegen die Lira-Abwertung Dollarreserven von weit über 110 Milliarden in den Markt gepumpt wurden, sich aber zugleich zeigt, wie wirkungslos dieser Aktionismus ist, da sich der Lira-Verfall auf diesem Weg nicht wirklich stoppen lässt, gehen der Zentralbank allmählich die Reserven aus besseren Tagen aus.
Katar bietet nun sogenannte Währungsswap an, um den schwindenden Devisenreserven der Zentralbank Abhilfe zu schaffen. Der Swap-Handel ist für die Türkei enorm wichtig, um finanzielle Risiken zu verringern. Dabei werden gegenläufige Zahlungsströme – meist Forderungen und Verbindlichkeiten – unter den Marktteilnehmern getauscht. Da weder die US-Notenbank noch die Europäische Zentralbank einem solchen Swap-Handel zustimmten, freut sich Ankara jetzt über Katar und die Bindung an den katarischen Rial, der eine deutlich „härtere Währung“ als die türkische Lira ist.
Bereits im August 2018 kam es zu einem ersten Swap-Deal über 3 Milliarden US-Dollar mit Katar. Im November 2019 wurde er auf 5 Milliarden US-Dollar erhöht. Im Mai dieses Jahres verdreifachte Katar das Limit des Swap-Deals auf umgerechnet 15 Milliarden US-Dollar.
Obwohl der Swap-Handel kein langfristiges Mittel ist, hilft er der Türkischen Zentralbank doch, um kurzfristig über die Runden zu kommen. Wie lang dies noch gut geht, ist äußerst fraglich; zumal auch unterschiedlichste Zahlen zu den Dollarreserven der Zentralbank vorliegen, und solche Reserven im internationalen Handelsgeschäft deutlich risikofreier bewertet werden als riskante Swaps.
Letzte Woche hat der Präsident Erdoğan darum seine Landsleute dazu aufgerufen, ihre Fremdwährungsreserven zu verkaufen, um die türkische Lira und die Wirtschaft zu unterstützen. Ob seine Staatsbürger dem Aufruf folgen werden, wird sich zeigen. Allein im vergangenen Jahr haben türkische Staatsbürger laut Angaben der türkischen Zentralbank etwa 30 Milliarden US-Dollar zu ihren Deviseneinlagen hinzugefügt.