Für Israels Direktor bei den Verhandlungen im Jahr 2020 ist das Überleben der Abraham-Abkommen wegen des Gaza-Kriegs nicht selbstverständlich und zeugt von einem »warmen Frieden«.
Asher Fredman wies darauf hin, dass vier Jahre nach der Unterzeichnung der Abraham-Abkommen trotz des Kriegs die strategischen Beziehungen der arabischen Staaten zu Israel erhalten geblieben sind und die wirtschaftlichen Beziehungen sogar noch zugenommen haben. Das sei nicht selbstverständlich und beweise, dass ein »warmer« Friede, der auch ein Abkommen zwischen Nationen und nicht nur zwischen Staats- und Regierungschefs ist, stark und stabil sein kann.
Hinzu kämen gemeinsame Interessen an wirtschaftlicher Entwicklung, Innovationen und technologischen Fortschritten sowie die Sicherheit und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit gegenüber dem Iran und radikalen islamistischen Organisationen wie der Muslimbruderschaft. Auch wenn Israels Ansehen in der öffentlichen Meinung der Abraham-Staaten wegen des Gaza-Kriegs gelitten hat, erklärten die Staats- und Regierungschefs, die Beziehungen zu Israel aufrechterhalten und nicht zulassen zu wollen, dass Extremisten wie die Hamas und die Muslimbruderschaft diese zerstören.
Hass auf Hamas und Iran
Fredman ist der Meinung, dass »das palästinensische Volk und sein Streben nach einem unabhängigen Staat von den Menschen und den Regierungen der arabischen Länder, einschließlich derjenigen der Abraham-Abkommen, aufrichtig unterstützt werden«. Diese Länder hassten die Hamas und betrachteten den palästinensischen Ableger der Muslimbruderschaft als Feind. Auch sei ihnen bewusst, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) korrupt ist und hätten, anders als die Europäer, keine Illusionen über diese bzw. Mahmud Abbas.
Ein mögliches Engagement dieser Staaten in Gaza nach dem Krieg hängt laut dem Experten von zwei Bedingungen ab: »Eine davon ist, dass die Hamas nicht mehr regieren wird. Solange die Hamas dominiert, werden sie Gaza nicht betreten. Die Erwartung einiger Israelis, dass die Emiratis oder Saudis sich mit der Hamas befassen werden, wird nicht erfüllt werden. Wenn und falls wir die Hamas vollständig eliminieren, besteht die Chance, dass die Saudis und Emiratis oder Ägypter im Gaza von morgen eine Rolle spielen werden.«
Allerdings werden sie »auch Schritte in Richtung palästinensischer Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Erholung sehen wollen. Wir müssen mit ihnen kommunizieren, um zu verstehen, wie weit sie gehen würden, denn wir haben rote Linien, die wir nicht aufgeben können.«
Trotz ihres Eintretens für die palästinensische Eigenstaatlichkeit verstünden sowohl die Saudis als auch die Emiratis die potenzielle Bedrohung der Existenz Israels durch einen palästinensischen Staat, der von einer schwachen und korrupten PA regiert würde und von Terror geprägt wäre. »Sie wissen, dass die Hamas und islamistische Elemente an Stärke gewinnen würden« und eine strategische Allianz mit dem Iran vorantreiben würde. »Deshalb haben die Saudis vor einigen Jahren die Hilfe für die PA eingestellt. Sie haben auch die Hilfe für die UNRWA gekürzt, sie verstehen also die Situation. Andererseits wollen sie immer noch eine bessere Zukunft für das palästinensische Volk sehen.«
Zwischenlösungen?
Hier komme ein weiterer Akteur ins Spiel, nämlich die USA. Im Zusammenhang mit einem möglichen Friedensabkommen zwischen Saudi-Arabien und Israel stelle sich die Frage, inwieweit die USA bereit sind, den Forderungen der Saudis in der Atomfrage, bei einem Verteidigungsbündnis und anderen offenen Punkten nachzukommen: »Dies wird sich auch auf die saudische Position gegenüber den Palästinensern auswirken, und es ist nicht sicher, dass es sich um eine ›Alles oder Nichts‹-Situation handelt.« Vielmehr gäbe es auch Zwischenlösungen, »auf die wir uns einigen können, also kein sofortiger palästinensischer Staat, der sich möglicherweise bewaffnet und Abkommen mit dem Iran unterzeichnet, was auch die Saudis nicht wollen«.
Es gebe weltweit viele Modelle von Ländern, schließt Asher Fredman seine Einschätzungen, deren internationale Beziehungen und Sicherheit unter der Schirmherrschaft eines anderen Staates stehen: »Wir müssen Optionen und Modelle prüfen. In der arabischen Welt gibt es eine öffentliche Meinung, welche die Palästinenser unterstützt und Israel ablehnt, aber wir haben Prozesse erlebt, die wir initiiert haben und noch nicht abgeschlossen sind. Ich schätze, dass wir ein gewisses Verständnis bei jenen Nachbarn finden können, die Beziehungen zu Israel aufbauen möchten.«