Wird Mansour Abbas auf neuen Pfaden wandeln?

Mansour Abbas in der Knesset, dem israelischen Parlament
Mansour Abbas in der Knesset, dem israelischen Parlament (Quelle: JNS)

Wer glaubte, dass es nach Verabschiedung des israelischen Staatshaushaltes um den Vorsitzenden der arabischen Partei Ra’am ruhiger wird, hat sich getäuscht. Mansour Abbas war vor diesem für die Koalition bedeutsamen Wendepunkt für Schlagzeilen gut und wartet auch danach mit Überraschungen auf.

Noch hat sich Israel nicht daran gewöhnt, dass eine arabische Partei bei Regierungsentscheidungen mitredet. Mansour Abbas steht nicht von ungefähr im Rampenlicht. Die Regierungsbeteiligung seiner Partei ist eine Premiere, die umso pikanter ist, weil Ra’am der Islamischen Bewegung entspring.

Abgesehen vom politischen Einfluss, den die Partei geltend machen kann, gibt ihr Vorsitzender Mansour Abbas der israelischen Politik eine bislang ungekannte Richtung. Nicht umsonst geistert er als „Vater der Revolution der arabischen Bürger Israels“ durch die Medien des Landes – für die einen als bewundernswerte Figur, für die anderen als Herausforderung der Existenz des zionistischen Israels.

Trotz Machtposition stand für Mansour Abbas mit der Abstimmung über den Staatshaushalt alles auf dem Spiel: Ohne Budget aus keine präzedenzlose finanzielle Förderung seiner Wählerschaft. Dann hätte ein Fragezeichen über seiner politischen Zukunft, aber auch über dem Weg gehangen, den er eingeschlagen hat.

Diskreditierungsversuche lassen Mansour Abbas den Tonfall wechseln

Seit der Koalitionsbildung arbeitet die Opposition an der Delegitimierung der Regierung. Es ist eine akribisch in Gang gehaltene Kampagne, die sich immer mehr auf einen Sündenbock eingeschossen hat: auf Mansour Abbas, der als Unterstützer und Förderer von Terrorismus porträtiert wird.

Beziehen sich die Angriffe gegen seine Person auf konkrete Sachverhalte, so reagiert Mansour Abbas meist in TV-Interviews darauf. Die nutzt er gerne, um seine inhaltlich gemäßigten Aussagen durch sein sanftes Auftreten zu untermalen.

Immer wieder erklärte er, man solle ihn, wenn man Beweise für seine Kontakte zu Terroristen zu haben glaubt, ruhig vor Gericht stellen; er sähe dem gelassen entgegen.

Vorwürfe, Ra’am sei eine Bedrohung der nationalen Sicherheit, bezeichnete er durchweg als „billigen politischen Schachzug“, obschon auch er nicht von der Hand weisen kann, dass Ra’am wegen solcher Bedenken 2009 zunächst von der Wahl zur Knesset-Wahl ausgeschossen, letztlich aber vom Obersten Gerichthof zugelassen wurde. Das erzeugt Bedenken, die viele Israelis nicht so einfach abschütteln können.

Zum Gegenangriff setzte Mansour Abbas dann Ende Oktober an. Am Rednerpult der Knesset berichtete er, welche Register Benjamin Netanjahu einst zog, um ihn von einer Koalition mit dem Likud zu überzeugen. Das in den Raum gestellt, setzte er nach: „Und jetzt werden wir als Terrorismusunterstützer präsentieren?“

Erstmals sprach Abbas eine Warnung aus: Gehe die Hetze weiter, könne er mit „schmerzlichen Wahrheiten“ über „Abu Yair“ aufwarten. Er spielte dabei genüsslich das Quäntchen Zynismus aus, das der Betitelung „Vater von Yair“, mit der sich Netanjahu auf dem Höhepunkt seines Werbens um arabischen Wähler gebrüstet hatte, inzwischen unterliegt.

Der berühmt-berüchtigte Tropfen

Abbas hatte sein Drohung kaum ausgesprochen, da kündigte der Sender Channel 13 eine Reportage an, die wie eine Bombe einschlagen sollte: Es ging um Verbindungen zwischen Ra’am und der Hamas über die Islamische Bewegung.

Im Fokus der Recherche stand Razi Issa, hochrangiges Ra’am-Parteimitglied und enger Berater von Mansour Abbas, sowie die NGO „Support 48“, die Familien von palästinensischen „Märtyrern“ und Gefangenen, sprich: Terroristen hilft. Impliziert wurde dabei, dass der Ra’am-Partei zugesprochene Finanzmittel, letztlich Gelder der israelischen Steuerzahler, an die Hamas gehen würden.

Kurz darauf tauchten Fotomontagen von Mansour Abbas und Hamas-Anführer Yahya Sinwar auf. Wieder einmal kamen Erinnerungen an die Zeit der Osloer Abkommen auf: einige erinnerte das alles an Schritte auf ein souveränes Palästina zu, anderen rief es die Ermordung Yitzhak Rabins ins Gedächtnis.

Selbst Anshel Pfeffer, Kolumnist der als linken Tageszeitung Haaretz, hielt nach der Ausstrahlung der Reportage fest: „Schockierend wenn wahr.“

Doch erwiesen sich die vorgebrachten Argumente rasch als haltlos, wie auch Pfeffer aufzeigte: Razi Issa reiste 2019 tatsächlich in den Gazastreifen, jedoch mit besonderer Genehmigung der israelischen Sicherheitsbehörden. Bestünde auch nur der leiste Verdacht einer Gefahr für die nationale Sicherheit, wäre er, so Pfeffer, nicht auf freiem Fuß geblieben.

Außerdem: „Die Fördergelder, die ‚Support 48‘ erhält, stammen von Privatspendern. Darüber hinaus gibt es im neuen Budgetplan keinen Posten, der dieser NGO irgendeine Förderung zuspricht.“

Wirkung verfehlt

Auch wenn dies nicht bedeutet, dass nicht weitere Recherchen in diese wie auch andere Richtungen folgen könnten, so veruffte die Neuigkeit, die wie eine Bombe einschlagen sollte, doch ohne die gewünschte Wirkung. Der Staatshaushalt wurde beschlossen, so dass Ra’am auf astronomische Fördersummen für den arabischen Sektor blicken kann.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Ra’am-Partei denn auch schon damit begonnen, sich aktiv gegen die Vorwürfe zu wehren und Klage gegen Channel 13 eingereicht.

Mansour Abbas’ Überraschungen

Die Verabschiedung des Staatshaushaltes verschaffte der Koalition mit Sicherheit eins: Zeit. Die erhoffte Ruhe und Stabilität lässt jedoch auf sich warten und wird wohl auch in Zukunft nicht ins Haus stehen.

Dass Mansour Abbas weiterhin für Überraschungen gut ist, veranschaulichen nicht nur sein Ja zum Cannabis-Gesetz und die angebotene Weiterleitung einer der arabischen Gesellschaft zugesprochenen Summe von 100 Millionen Schekel (28 Millionen Euro) an die ultraorthodoxe Gemeinschaft.

Zu erwähnen ist ebenso Mansour Abbas’ Nein zur Errichtung eines neuen Krankenhauses im arabischen Sakhnin, und das obwohl sich bislang keines der 33 israelischen Krankenhäuser in einer arabischen Stadt besteht.

Abbas wollte sich nicht an der Seite seines Parteikollegen Mazen Ghanaim wiederfinden, der den Krankenhausbau u.a. zusammen mit Oppositionsführer Netanjahu und Ahmed Tibi durchbrachte, der an der Spitze der Vereinigten Liste steht, die mit wie auch gegen Ra’am um die Vertretung der arabischen Belange in der Knesset ringt.

Beachtlich ist auch, wie Ra’am das „Strom-Gesetz“ vorantrieb. Die Partei möchte mit diesem Gesetz nicht nur erlangen, dass alle, die in illegal errichteten Bauten leben, dennoch Aussicht auf Anschluss an das Elektrizitätsnetz und somit auf ein normales Leben haben.

Illegale Gebäude an das Stromnetz anzuschließen bedeutet aus Sicht von Ra’am auch, indirekt einzugestehen, dass die Bauten mehrheitlich aufgrund eines Notstandes ohne Baugenehmigungen errichtet wurden und man daher für die betroffenen Menschen, vor allem im Süden lebende Beduinen, andere Lösungen als den Abriss ihrer Häuser finden muss.

Innenministerin Shaked versuchte noch vor Verabschiedung des Haushaltes das Gesetz auszubremsen, doch Ra’am vollzog einige parlamentarische Übungen, die schließlich vor wenigen Tagen auch erfolgreich waren, da das Gesetz in erster Lesung vom Ausschuss für Inneres angenommen wurde.

Auf neuen Pfaden?

Last but not least sind der Besuch von Mansour Abbas beim jordanischen König Abdullah und seine nachfolgenden Statements zu erwähnen. Bei der mit dem Büro von Premierminister Naftali Bennett abgestimmten Unterredung im Königspalast in Amman soll es auch um diplomatische Angelegenheiten gegangen sein, obwohl Premier Bennett und Außenminister Lapid immer wieder betonten, dass Ra’am in der Koalition ausschließlich bei „Themen der Zivilgesellschaft“ mitredet.

Dass Mansour Abbas längst nicht mehr nur bezüglich sozialer Themen gehört werden möchte, zeigt u.a. ein Interview, das er dem Armeeradiosender Galei Zahal gab: „Die Regierung hat sich zunächst das Ziel gesetzt, Themen des wirtschaftlich-sozialen Bereichs voranzutreiben. Ich denke, dass sie sich in Zukunft allerdings auch mit politischen Themen wird auseinandersetzen müssen“, meinte er und setzte nach, dass man nun die Gelegenheit habe, „die Route neu zu berechnen.“

Mansour Abbas weiß, dass ein Zusammentreffen mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) eine Tretmine ist. Doch er ist sich ebenfalls bewusst, dass ein fortgesetztes Ausklammern von Themen wie dem der israelischen Präsenz im Westjordanland im Besonderen und dem israelisch-palästinensischen Konflikt im Allgemeinem seinem Konkurrenten der ohnehin stärkeren Arabischen Liste in die Hände spielen könnte.

Während Abbas im Hinblick auf den PA-Präsidenten Mahmud Abbas meinte, „Let time do its thing“, äußerte er sich neuerdings mehrmals zum Thema Jerusalem.

Kein Mann ohne Aspirationen

Mansour Abbas tritt moderat auf, hat es aber in der Vergangenheit verstanden, mit harten Bandagen eiskalte Kampagnen zu führen. Er hat bewiesen, dass er politische Vorstöße nicht nur bestens, sondern lange im Vorfeld durchdacht hat.

Auch wenn er seine Person bescheiden hinter sein großes Ziel zurückstellt, so ist er dennoch kein Mann ohne Aspirationen. Er weiß, dass bezüglich der ausgeschütteten Fördersummen vieles schiefgehen kann und erhoffte Ergebnisse ausbleiben könnten. In solch einem Fall thematisch eingleisig unterwegs zu sein, birgt das Risiko, bei der arabischen Wählerschaft durchzufallen.

Je mehr er sich jedoch zu anderen Themen äußert, desto mehr wird das jüdische Israel einen sehr viel genaueren Blick nicht nur auf Ra’am, sondern auch auf ihn als an der Spitze des politischen Arms der Islamischen Bewegung Stehenden werfen.

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