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Wiener Festwochen: »Netanjahu ist mir näher als Rau«

Der Intendant der Wiener Festwochen Milo Rau
Der Intendant der Wiener Festwochen Milo Rau (© Imago Images / Capital Pictures)

Der »Welt«-Herausgeber Ulf Poschardt sorgte bei den Wiener Festwochen für einen Eklat. Allerdings muss der Skandal ganz woanders verortet werden.

Ulf Poschardt polarisiert. Als Herausgeber der deutschen Tageszeitung Die Welt ist er bekannt für seine libertären Positionen, für sein rhetorisches Zuspitzen, für seine Lust an der Konfrontation. Poschardt hat sich in den vergangenen Jahren ohne Zweifel zum journalistischen Feindbild des linken Milieus hochgedient. Dass er beim Debattenformat Wiener Kongresse, einer Veranstaltung der Wiener Festwochen, nicht auf große Begeisterung stoßen würde, war erwartbar respektive vom Veranstalter wahrscheinlich auch einkalkuliert. Doch was sich im Theater Akzent tatsächlich zutrug, erwies sich nicht als billige Provokationslust eines Meinungsjournalisten, sondern als Versagen einer Veranstaltung, die vorgibt, ein Raum für kontroverse Debatten zu sein.

Poschardt war eingeladen, um über Cancel Culture zu sprechen. Doch nach der Eröffnungsrede des Festwochen-Intendanten Milo Rau, der eine stereotype und politisch einseitige Kritik an Israel formuliert hatte, hielt sich Poschardt nicht mehr an das eigene Drehbuch. Er replizierte auf Rau mit einem klaren Bekenntnis zu Israel, seiner Armee und seiner Verteidigungsfähigkeit. Und er kritisierte die einseitige Empörung vieler westlicher Intellektueller: »Bei Taliban: Schweigen. Bei Assad: Schweigen. Aber bei Israel: Empörung.«

Poschardt thematisierte dabei eine Haltung, die sich in weiten Teilen der linken Kulturszene immer weiter ausbreitet und mittlerweile Common Sense ist. Nämlich, dass Israel als Sonderfall behandelt und bewertet wird, moralisch strenger als andere, mit wenig Verständnis für seine Realität, seine Bedrohung, seine Defensive und seine Geschichte. Als Poschardt sagte, er wolle seine Rede den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) widmen, wurde er ausgebuht. Und als er sich in einem symbolischen Satz dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu näher fühlte als dem Intendanten Rau, wurde er aus dem Publikum heraus als »genozidales Schwein« beschimpft.

Der eigentliche Skandal

Von einigen Medien wurde diese Aussage zum Eklat hochstilisiert. Dabei lag der Skandal weniger beim Vortragenden, sondern mehr beim Publikum und beim Veranstalter selbst. Nicht Poschardts Rede, über die man streiten kann oder sogar muss, war das eigentliche Problem, sondern der Umgang damit. Statt Widerspruch oder Diskussion gab es Buhrufe. Der Zwischenruf »genozidales Schwein« wurde von der Moderatorin nicht sanktioniert.

Milo Rau verstieg sich einen Tag später sogar darauf, dass er meinte, man habe Poschardt nicht unterbrochen, weil dieser »offensichtlich verwirrt« gewesen sei. Anstatt sich also mit dem Inhalt von Poschardts Rede auseinanderzusetzen, wurde der Vortragende als unzurechnungsfähig bezeichnet. Es ist ein billiger Trick: Wer nicht ins eigene Weltbild passt, wird pathologisiert, nicht kritisiert.

Die Wiener Kongresse geben vor, ein Raum für offene Debatten zu sein. Ein Raum, in dem über Meinungsfreiheit, Cancel Culture und Antisemitismus diskutiert und gestritten werden sollte. Die Praxis sieht anders aus. Die vorgegebene Toleranz gilt offenbar nur in denen vom Veranstalter vorgegebenen Bahnen. Wer für Israel eintritt, wer Antisemitismus nicht nur bei Rechten verortet und die westliche Doppelmoral offenlegt, schert dabei aus und wird nicht als gleichwertiger Diskussionspartner gesehen, sondern als verwirrter Störenfried.

Eine Debattenkultur, die Dissens nicht aushält, schafft sich selbst ab. Sie bleibt Fassade. Und je moralischer sie sich inszeniert, desto unfreier wird sie. Für den Beweis dieser These sorgt der Intendant dabei selbst, dessen ideologische Einseitigkeit und antiisraelische Obsession offenbar zum Programm gehören und – abgesehen von Ulf Poschardt – in der öffentlichen Debatte kaum noch Widerspruch erfährt.

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