Die Entscheidung der USA, ihre Truppen aus Syrien abzuziehen, hat Befürchtungen geweckt, dass der Islamische Staat das zu erwartende Machtvakuum ausnutzen und ein Comeback feiern könnte.
Das US-Verteidigungsministerium kündigte an, die Zahl seiner in Syrien stationierten Soldaten in den kommenden Monaten von etwa zwei- auf weniger als eintausend zu reduzieren. Wie das Pentagon erklärte, werde die Operation »kalkuliert und unter bestimmten Bedingungen« erfolgen und die Verlegung von Truppen an ausgewählte Standorte umfassen, ohne die Fähigkeit zur Durchführung von Luftangriffen gegen Ziele des Islamischen Staats (IS) einzuschränken. Laut Berichten ist beabsichtigt, die Zahl der Truppen zu reduzieren, drei der acht Stützpunkte zu schließen und anschließend zu prüfen, ob weitere Reduzierungen erforderlich sind.
Währenddessen bestätigten Quellen vor Ort gegenüber Al Jazeera, die US-Streitkräfte hätten bereits den Großteil ihrer Truppen aus dem Stützpunkt Conoco in Deir ez-Zor im Osten Syriens abgezogen und würden wahrscheinlich ihre dortige Präsenz sowie einen weiteren Stützpunkt im Ölfeld Omar gänzlich beenden. Die Truppen werden auf Stützpunkte in der syrischen Provinz Hasaka und in der autonomen Region Kurdistan im Irak neu verteilt.
Den Quellen zufolge sollen amerikanische Soldaten in ein oder zwei Stützpunkten in der Provinz Hasaka präsent bleiben, um die von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrollierten Gefängnisse zu überwachen, in denen Tausende von Menschen festgehalten werden, die der IS-Zugehörigkeit beschuldigt werden.
IS-Bedrohung
Der geplante Abzug der USA aus Syrien fällt mit Berichten über eine Neuformierung des IS im Land zusammen. Die New York Times berichtete vor einigen Wochen, dass die Gruppe in Syrien wieder aktiv geworden sei, an Stärke zurückgewonnen habe, neue Kämpfer anwerbe und die Zahl ihrer Anschläge erhöhe. Der IS sei zwar weit von jener Macht entfernt, die er vor einem Jahrzehnt hatte, als er große Teile Syriens und des Iraks kontrollierte; Experten jedoch warnen, er könnte einen Weg finden, Tausende seiner erfahrenen Kämpfer aus den SDF-Gefängnissen zu befreien.
Die New York Times zitierte den Forschungsleiter Colin Clarke bei der Soufan Group, einem globalen Geheimdienst- und Sicherheitsunternehmen, mit den Worten: »In diesen Gefängnissen sitzen erfahrene, kampferprobte IS-Kämpfer, sodass eine Öffnung dieser Gefängnisse die Rekrutierungsbemühungen der Gruppe über Monate hinweg verstärken würde.«
In der Zwischenzeit legten hochrangige US-Geheimdienstmitarbeiter dem Kongress im März ihre jährliche globale Bedrohungsanalyse vor, in der sie zu dem Schluss kamen, der IS werde versuchen, den Sturz des Assad-Regimes auszunutzen, um Gefangene zu befreien und seine Fähigkeit zur Planung und Durchführung von Anschlägen wiederherzustellen.
Gefährliche Lücke
In diesem Zusammenhang warnte der irakische Sicherheitsexperte Kamal al-Taie, dass »der US-Abzug aus Syrien gefährliche Lücken in der gemeinsamen Sicherheitsmauer zum Irak öffnen könnte, wodurch der IS seine Logistiklinien reaktivieren und seine Zellen zwischen der syrischen Wüste und der irakischen Grenze verlegen könnte«. Al-Taie erklärte gegenüber der emiratischen Website Erem News, das durch den Abzug der US-Truppen entstehende Vakuum, insbesondere in Gebieten wie Deir ez-Zor und al-Tanf, »wird weder von lokalen Kräften noch von der internationalen Koalition gegen den IS leicht zu füllen sein, sofern nicht zuvor entsprechende Vorkehrungen vor Ort getroffen werden«.
Der Irak, so fügte er hinzu, werde als erstes Land von diesen Entwicklungen betroffen sein, da jeder Zusammenbruch der Sicherheit in Ostsyrien erneuten Druck auf die irakischen Provinzen Diyala, Salah al-Din und Anbar bedeutet, die trotz anhaltender Kampagnen weiterhin anfällig für eine Unterwanderung durch den IS seien.
Die Syrischen Demokratischen Kräfte schrieben ebenfalls vor einigen Tagen in einer Stellungnahme, dass die Entscheidung des Weißen Hauses, die Truppen aus Syrien abzuziehen, dem IS ermöglichen würde, »wieder aufzutauchen« und Ostsyrien zu bedrohen. Der Abzug würde »ein politisches und militärisches Vakuum in der Region schaffen und die Bevölkerung feindlichen Kräften und Parteien schutzlos ausliefern«.