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Wie sieht die Zukunft des iranischen Regimes aus?

Der Haupteingang des iranischen Foltergefängnisses Evin nach einem israelischen Luftangriff (© Imago Images / AnurPhoto)
Der Haupteingang des iranischen Foltergefängnisses Evin nach einem israelischen Luftangriff (© Imago Images / AnurPhoto)

Während der Krieg zwischen Israel und dem Iran nach zwölf Tagen mit einem Waffenstillstand endete, bleiben die Fragen über die Zukunft des Regimes der Islamischen Republik offen.

Laut Angaben der iranischen Staatsmedien vom vergangenen Montag  wurden während des zwölftägigen Kriegs mit Israel mindestens 935 Menschen getötet. Israel begann seinen Angriff auf den Iran am 13. Juni mit Operationen, bei denen mit dem Atomprogramm in Verbindung stehende Wissenschaftler und hochrangige Militärs eliminiert wurden. Zusätzlich richteten sich die Angriffe gegen Militärstützpunkte, Atomanlagen und Wohnanlagen von Revolutionsgardisten und anderen Regimefunktionären im gesamten Land.

Der Krieg war der bislang schwerste Moment für das Regime in einem ohnehin schon schwierigen Jahr, in dem seine Stellvertreter in der Region, insbesondere die libanesische Hisbollah, massive Schläge erlitten hatten und die Herrschaft seines Verbündeten Baschar al-Assad in Syrien zusammengebrochen war. Das größte Problem liegt jedoch in der Erosion der Autorität der seit 1979 herrschenden Mullahs, die mit verheerenden Wirtschaftskrisen zusammenfällt und viele Fragen über deren Zukunft aufwirft.

Laut einer Forschungsarbeit des ägyptischen Al-Ahram Center for Strategic Studies ist die Stabilität des Teheraners Regime durch die fragile Lage nach dem Ende der Konfrontationen zwischen Israel und dem Iran infrage gestellt. Allerdings steht auch das Potenzial der Opposition, das Regime zu einer Änderung seiner Politik zu drängen oder gar einen politischen Wechsel herbeizuführen, vor großen Herausforderungen, insbesondere aufgrund des Mangels an einer einheitlichen, einflussreichen und richtungsweisenden Führung vor Ort.

Im selben Zusammenhang erklärte der ägyptische Iran-Experte Amr al-Shobaki, dass das iranische Regime ein komplexes religiös-politisches System sei, das nach der Revolution von 1979 unter antiamerikanischen und antiisraelischen Slogans entstanden ist. Er ist der Ansicht, dass das Regime stark und geschlossen geblieben sei und weder durch externe Interventionen wie im Irak noch durch eine interne Bewegung gestürzt werden könne. Sein Vorschlag, dass der mögliche Weg zu einem Wandel dieses Regimes weniger in der Konfrontation liege als vielmehr in internen Reformen, welche die politische Macht vom Obersten Führer auf zivile Institutionen übertragen und die Rolle des Obersten Führers auf religiöse und symbolische Aspekte beschränken, ist angesichts der Verfasstheit des Regimes wohl allerdings nur weltfremd zu nennen.

Protestwellen

In den letzten drei Jahrzehnten war die Islamische Republik wiederholt mit Protestwellen konfrontiert, wie beispielsweise den Studentenprotesten von 1999, die nach der Schließung der reformistischen Zeitung Salam ausbrachen. Die Proteste der Grünen Bewegung von 2009, eine der größten politischen Herausforderungen für das Regime seit der Revolution, brachen nach Vorwürfen von Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen aus, die zum Sieg von Mahmoud Ahmadinejad geführt hatten.

In den Jahren 2017 und 2018 gab es wegen der hohen Preise und Arbeitslosigkeit eine Welle von Wirtschaftsprotesten. Die zunächst in Städten der Peripherie lautgewordenen Proteste weiteten sich schnell auf das gesamte Land aus und umfassten Slogans, die grundlegende Veränderungen forderten und alle Zweige – sowohl die Konservativen als auch die Reformisten – des Regimes kritisierten, also letztlich auf einen Regimewechsel hinausliefen.

Danach kam es im November 2019 zu Protesten gegen die Erhöhung der Kraftstoffpreise um zweihundert Prozent, die durch eine plötzliche Entscheidung des Regimes, die Kraftstoffsubventionen einzuschränken, ausgelöst wurden. 2022 schließlich brachen nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei die Jin-Jiyan-Azadi-Proteste aus, die sich bis ins Jahr 2023 zogen.

Zusätzlich zu den wiederkehrenden Unruhen steht die Wirtschaft seit Jahren unter vielfältigem Druck, insbesondere durch westliche Sanktionen, hohe Inflation und die Abwertung der Landeswährung. Die jüngsten Auseinandersetzungen haben die Fragilität der Wirtschaft deutlich gemacht, da Industrie- und Militäranlagen direkt angegriffen wurden und die Verteidigungs- und Militärausgaben in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage gestiegen sind.

Unreformierbar

Der türkische Wissenschaftler Ali Bakir erklärte, all diese Faktoren beschleunigten den Verlust der Handlungsfähigkeit und die Legitimität des Regimes und machten einen Systemwechsel durch interne Faktoren in Zukunft möglich und sogar logisch.

Das Regime könne diesen Kurs natürlich ändern, gelänge es ihm, seine Legitimität wiederherzustellen, meinte Bakir. Dies funktioniere »aber nicht auf der Grundlage von Parolen der Konfrontation mit Israel und Amerika, sondern nur auf der Grundlage von Demut und echter Offenheit gegenüber seinen arabischen Nachbarn, insbesondere den Golfstaaten und der Levante, sowie auf der Grundlage einer gemeinsamen Agenda für regionale Maßnahmen, die es dem Iran ermöglicht, durchzuatmen und seine Ressourcen mittel- und langfristig wieder aufzubauen.«

Dies sei wegen der Verfasstheit des Regimes allerdings unwahrscheinlich bis unmöglich, so Bakri, der drei Probleme sieht, die dem Vorschlag einer Öffnung des Regimes gegenüber der Welt entgegenstehen: »Erstens ist die Fortsetzung der derzeitigen Herrschaft des Obersten Führers ein Hindernis für ein solches Szenario. Zweitens wird das Scheitern einer Einigung mit den Vereinigten Staaten über das Atomprogramm die Verwirklichung dieses Szenarios erschweren. Drittens könnten die Arroganz und Selbstüberschätzung des Regimes es daran hindern, den ersten Schritt zur Versöhnung mit sich selbst und der Region zu setzen.« Langfristig wird also nur ein Regimewechsel den Iranern und dem Nahen Osten ein Mehr an Stabilität und Atemluft verschaffen.

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