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Wie Kritik an Saudi Arabien zum Bumerang wird

Es fällt ganz sicher nicht schwer, sich über die Menschenrechtslage in Saudi Arabien ganz gewaltig zu echauffieren. Ein Blick in einen Bericht von Human Rights Watch reicht, um einem nachhaltig die Laune zu verderben – von der Bevormundung und Unterdrückung von Frauen, vor allem aber sog. Gastarbeiterinnen, ganz zu schweigen.

Sicher gibt es inzwischen auch ein paar Hoffnungsschimmer am Horizont und zaghafte Versuche, gewisse Reformen einzuleiten und auch durchzusetzen. Es tut sich durchaus etwas in Saudi-Arabien, zugleich aber sitzt Raif Badawi weiter in Haft, mit dem Iran und China führt das saudische Königreich die Liste derjenigen Länder an, in denen die meisten Menschen hingerichtet werden, teilweise geschieht dies öffentlich. Mit Kritik an der islamisch legitimierten Herrschaftspraxis sollte also nicht gespart werden, gerade auch weil Saudi Arabien so ein enger Wirtschaftspartner des Westens ist und einer der Hauptimporteure von Waffen aus Europa und den USA.

Nun stellt sich allerdings auch die Frage, wer aus welchen Gründen Saudi Arabien nicht mag. Ist es Solidarität mit Raif Badawi, die zugleich auch eine Solidarität mit allen politischen Gefangenen in der Region sein sollte? Empört man sich über Hinrichtungen, weil man Gegner der Todesstrafe ist? Kritisiert man die Geschlechtertrennung, weil man sie überall in der Region  abschaffen möchte? Kämpft man für Trennung von Religion und Gesellschaft aus der tiefen Überzeugung, dass sie universal umzusetzen sei?

Warum ist es so wichtig nach den Gründen zu fragen? Nun, weil sich Saudi Arabien in einem Krieg befindet und zwar mit dem Iran und seinen Stellvertretern in der Region, mit Russland und Assad, also der „Achse des Widerstandes“ – und weil Saudi Arabien als Alliierter des Westens gilt und deshalb die besondere Animosität  all jener auf sich zieht, die den Westen bzw. den Imperialismus oder Zionismus so gar nicht mögen. Schließlich unterhält Saudi Arabien inoffiziell recht gute und enge Kontakte mit Israel, während etwa die Islamische Republik Iran strikt an ihrem Staatsziel, der Vernichtung des jüdischen Staates, festhält.

Und so gibt es eine ganze Propagandamaschinerie, die sich auf Saudi Arabien eingeschossen hat. Seien es russische Medien wie Sputnik oder RT, iranische Seiten oder jene Kamarilla von assadfreundlichen Bloggern, deren oberstes Ziel es ist, jeden, der gegen den syrischen Präsidenten kämpft, zum sunnitischen Jihadisten zu erklären, der sein Geld vom saudischen Königshaus erhalte. Gegen Saudi Arabien wird Krieg im Cyberspace geführt und dafür ist jedes Mittel recht. Sicher: Es gibt genügend absurde Fatwas, Meldungen von Misshandlungen und Exekutionen, die man gar nicht erfinden muss, aber hier und dort wird eben auch etwas nachgeholfen. Ganz besonders dann, wenn  es eigentlich positive Entwicklungen zu berichten gäbe.

Als jüngst die deutsche Kanzlerin an den Golf reise, trat sie dort nicht nur ohne Kopftuch auf, der saudische Vizewirtschaftsminister erklärte in einem Interview gar, sie sei ein Vorbild für alle saudischen Frauen.

Nun ist es nicht Saudi Arabien, das einen allgemeinen Kopftuchzwang für Frauen erlassen hat, sondern die Islamische Republik Iran, ein enger Verbündeter des vermeintlich so säkularen  Assad Regimes in Damaskus, und zugleich der größte Gegner und Feind der Saudis. Aber wer weiß das schon? Und sicher, so wie Merkel kann sich keine saudische Frau auf den Straßen Riads oder Medinas zeigen. Also erlaubte sich jemand einen kleinen satirischen Spaß:

Wie Kritik an Saudi Arabien zum Bumerang wird

Was dann geschah, beschreibt das Abendblatt:

 „Ursprünglich wurde das Foto von der arabisch-sprachigen Seite ‚Khase News‘ auf Facebook gepostet. Es war eine Satire von ‚Khase News‘: Die saudi-arabischen Medien hatten mitbekommen, wie groß die Diskussion in Deutschland darüber war, ob Merkel bei ihrem Staatsbesuch Kopftuch tragen muss oder nicht. Das Bild wurde sogar als Scherz markiert, um Missverständnissen vorzubeugen: ‚Just vor fun‘ (deutsch: nur zum Spaß), schrieb ‚Khase News‘ unter das Bild, auf dem die Haare der Kanzlerin verpixelt sind. (…)

Dann lud die syrische Nutzerin Sarah Abdallah das Foto auf Twitter erneut hoch. Sie sparte den scherzhaften Kommentar aus, versah das Fake-Foto mit ernsten Worten: ‚Kein Witz: Das neue Mitglied der UN-Menschenrechtskommission zensiert das Haar der deutschen Kanzlerin im saudischen Fernsehen.‘

Abdallahs Post verbreitete sich viral auf Twitter. Auch in anderen sozialen Medien erregte die Falschmeldung großes Aufsehen. Auf Facebook wurde es vor allem von Anhängern der rechten Szene weiter verbreitet, oft mit Hasskommentaren versehen. Unter anderem sei von Nutzern vorgeschlagen worden, Saudi-Arabien zu bombardieren, wie das Online-Portal ‚Bento‘ berichtete. Auch die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün nahm das Bild ernst, postete es auf ihrer Facebook-Seite.“

Sarah Abdallah ist – und darüber schweigt das Abendblatt leider – keine Unbekannte. Sie lebt im Libanon, spricht also arabisch, und wusste, dass es sich bei dem Bild um eine Satire handelte. Sie verbreitete es, weil sie eine glühende Anhängerin Bashar al-Assads ist und ihr Blog eine Waffe im Kampf gegen die Feinde ihres verehrten Präsidenten. Ein kurzer Blick auf ihren Twitter-Account spricht Bände. Da werden, neben Lobeshymnen auf das syrische Regime und hasserfüllten Kommentaren gegen die Opposition  etwa solche Bilder verbreitet:

Wie Kritik an Saudi Arabien zum Bumerang wird

Sarah Abdallah ist nur eine aus einer ganzen Armee von Cyberkriegern, denen es einzig darum geht, die Saudis zu denunzieren. Mit Exekutionen, Folter und Kopftuchzwang innerhalb der „Achse des Widerstandes“ scheint sie dagegen keine Probleme zu haben. Ganz im Gegenteil: sie verbreitet weitgehend ungefiltert jenes binäre Weltbild, nachdem im Nahen Osten die Gefahr ausschließlich von sunnitischen Islamisten – also dem IS und AL Qaida – ausgehe, hinter denen Saudi Arabien, der Westen und Israel stehen. Dies ist das offizielle Narrativ aus Damaskus, Teheran und Moskau, das nur allzu gerne auch in Europa und den USA geteilt wird und zwar von einem Spektrum, dass von Neonazis wie David Duke bis in weite Teile der Linken hineinreicht. Die Geschichte vom verpixelten Bild Merkels ist dabei nur eine von Hunderten.

Leider gerät Kritik an Saudi Arabien, die äußerst berechtig und wünschenswert wäre, so schnell zur Apologie von Ländern wie dem Iran oder Russland. Und die schrecken, inzwischen dürfte es sich herumgesprochen haben, vor keinerlei Fake-News zurück. Saudi Arabien kritisieren sie nicht etwa aus Empathie mit den Opfern dortiger Herrschaftspraxis, sondern weil das Land ihr militärischer Feind ist. Würden die Saudis morgen die Seiten wechseln, die Kritik verebbte binnen Stunden.

So wäre es nicht nur Lale Akgün, deren kritische Äußerungen ganz sicher nicht dem Iran zu Gute kommen sollten, angeraten, jede Meldung, die sie über Saudi Arabien verbreitet, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und sich die Mühe zu machen, einen Blick auf die Quelle zu werfen, aus der sie stammt. Wer mit PressTV, syrischen pro-Regime Bloggern, Sputnik-News oder obskuren Seiten aus dem neurechten Sumpf in den Kampf für Frauenrechte in Saudi Arabien zieht, wirkt weder besonders glaubhaft noch tut er den Menschen dort einen Gefallen. Im Gegenteil: Ganz häufig und oft unwissentlich hilft man so nur dem Iran, Russland, Assad und der Hizbollah in ihrem Cyberkrieg.

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