Der Bericht der Task Force Antisemitismus der Columbia University beschreibt Erfahrungen jüdischer Studenten bei Demonstrationen.
Unmittelbar nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres kam – und kommt – es an zahlreichen amerikanischen Universitäten zu Anti-Israel-Demonstrationen und dem Ausbruch antisemitischer Aktionen gegenüber jüdischen Studenten. Besonders betroffen war – und ist – die Columbia University, die eine eigene Task Force zur Aufarbeitung der Vorfälle gegründet hat, deren Untersuchung nun veröffentlicht wurde. Nachstehend einige Aussagen und Zeugenberichte von Betroffenen
Der Bericht der Task Force Antisemitismus der Columbia University beschreibt Erfahrungen jüdischer Studenten bei Demonstrationen. Einige mussten sich etwa von einem der Demonstranten direkt vor den Toren der Universität die Botschaft anhören: »Jeder Tag wird für euch ein 7. Oktober sein«. Andere berichteten, dass ihnen gesagt wurde: »Bring dich verdammt noch mal um, oder ich bring dich verdammt noch mal um« anhören. Zugleich wurde seitens der Aktivisten jede Diskussion verweigert, wie ein Student zu Protokoll gab: »Ich habe eine Freundin, die zu den Anti-Israel-Protesten gegangen ist, um mit den Leuten zu diskutieren. Ihr wurde gesagt: ›Ich rede nicht mit Weißen‹ und ›Ich will [solche Gespräche] nicht normalisieren‹.«
An der Columbia wurden »Mahnwachen« von Studentenorganisationen veranstaltet, die unter dem Motto »Ehre unseren Märtyrern« standen. Ein Student beschreibt sie mit folgenden Worten: »Einige der bei diesen Veranstaltungen geäußerten Dinge stehen in direktem Zusammenhang mit Äußerungen der Hamas und ich glaube nicht, dass es sich dabei um tatsächliche Mahnwachen handelte. Diese gewalttätige Sprache entspricht nicht einer Mahnwache. Es fühlt sich an, als würde Tod und Hass gefördert. … Mir fällt auf, dass die Leute Masken tragen und ihre Identität verbergen. Ich glaube, sie wissen, dass sie Dinge sagen, die inakzeptabel sind. … Ich habe nie gehört, dass Leute sagen, ihnen seien beide Seiten wichtig, alle Toten, alle Leben. … Es gibt kein Mitgefühl oder Mitleid mit den vom Konflikt betroffenen Juden.«
Mehrere Studenten wurden angegriffen, als sie israelische Flaggen hielten. In mindestens einem Fall sei die Flagge von den Demonstranten verbrannt worden. Eine Studentin hielt ein Schild mit der Aufschrift »Das nächste Ziel der Al-Qassam-Brigaden« hoch, während sie vor einem jüdischen Studenten stand, der friedlich die israelische Nationalhymne sang.« Der Bericht fährt fort: »Studenten erzählten uns von Sprechgesängen wie ›Al-Qassam, du machst uns stolz, töte jetzt noch einen Soldaten‹, ›Ja, Hamas, wir lieben dich, wir unterstützen auch deine Raketen‹ oder ›Wir sagen Gerechtigkeit, du fragst wie. Brenne Tel Aviv nieder.«
Beängstigende Situation
»Der Hass auf Israelis hat auf dem Campus alarmierende Ausmaße angenommen«, hält die Untersuchung fest. Israelis werden angegriffen, weil sie Israelis sind, wie ein Student erkennen musste: »Eigentlich habe ich mich nie als Zionist bezeichnet, aber ich kann nichts dafür, dass ich in Israel geboren bin. Und deshalb bin ich israelischer Staatsbürger.»
Ein anderer empfindet »die Situation für Israelis auf dem Campus als entsetzlich. … Wir leben dort (in Israel), unsere Eltern leben dort, unsere Geschwister leben dort, wir wurden dort geboren, wir haben dort in der Armee gedient, und ein unverhältnismäßiger Hass richtet sich gegen uns.« Ein Kommilitone ergänzt: »Es herrscht ein Gefühl der Angst, weil die Leute irgendwie spüren, dass man Israeli ist, und auf diesem Campus herrscht ein instinktiver Hass gegen Israelis. … Leider ist dies hier zur Normalität geworden und wird akzeptiert.«
Auf dem Campus kommt es auch immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen. So wurde ein israelischer Student am 7. Oktober angegriffen, als er Bilder von gefangenen Geiseln plakatierte. Nach dem Angriff musste er sich mit einer Anzeige gegen ihn, die schließlich abgewiesen wurde, bei der Columbia auseinandersetzen. Generell hätten Falschanzeigen gegen israelische Studenten im heurigen Frühjahr zugenommen, so die Autoren der Untersuchung.
Eine Studentin beschrieb die Situation nach dem 7. Oktober 2023 folgendermaßen: »Kollegen, mit denen man im Unterricht saß, mit denen man etwas trank, mit denen man zu Mittag und zu Abend aß, sagten am nächsten Tag, sie hoffen, dass die ganze Familie stirbt. … Ich wurde angespuckt und angeschrien. Ich glaube, sie wissen es einfach nicht besser. Manche von ihnen denken, es sei Völkermord und legitim, die Auslöschung des israelischen Staates zu fordern. Wenn ich es mit einem Wort ausdrücken kann: Es ist herzzerreißend. Und es bricht einem noch mehr das Herz als Menschen, die keine Diskussion führen wollen.«
Einige israelische Studenten sind »mit Stereotypen konfrontiert«, so der Bericht, darunter Behauptungen über die angebliche Gefahr, die israelische Veteranen für andere auf dem Campus darstellten. Dies richte sich gegen praktisch alle israelischen Studenten und Dozenten an der Columbia, da der Militärdienst für die meisten jüdischen Israelis verpflichtend ist. Israelische Studenten berichteten, diese Anschuldigung während des akademischen Jahrs wiederholt gehört zu haben:
»Sie sagen, sie wollen weder Zionisten noch israelische Armeeveteranen auf dem Campus. Ich fühle mich persönlich angegriffen … Es herrscht ein Gefühl der persönlichen Bedrohung und wir schauen uns ständig um. Wir sind vorsichtig, wenn wir auf dem Campus Hebräisch sprechen. Wir bleiben vorsichtig. Seit Beginn dieser ganzen Sache ist es wirklich beängstigend.«
Eine israelische Studentin, die in der Armee gedient hatte, wurde von einem Dozenten belästigt, der einen Kurs unterrichtete, der Material über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern enthielt. Laut der Studentin waren die Gespräche durchwegs einseitig und enthielten zahlreiche Ungenauigkeiten. Die israelische Armee wurde als »Armee von Mördern« dargestellt. Der Bericht vermerkt: »Der Dozent sagte der Studentin angeblich, dass sie als ehemaliges Mitglied der israelischen Armee ebenfalls als Mörderin betrachtet werden sollte.«
Nach dem 7. Oktober weigerten sich Studenten, bei Gruppenprojekten mit israelischen Kommilitonen zusammenzuarbeiten, wie es einer Israelin erging: »Sie [eine Mitstudentin] sagte unserem Professor, dass sie nicht mit mir im selben Raum sein möchte.« Israelische Studenten stellten fest, dass »die allgegenwärtige Feindseligkeit« es ihnen erschwere, notwendige Dienste wie die Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen und manchen die Behandlung verwehrt wurde.
Auch die Proteste auf dem Campus richteten sich gegen israelische Studenten: »Im Herbst und Frühjahr skandierten die Demonstranten Sätze wie ›Sag es laut, sag es deutlich, wir wollen hier keine Zionisten‹, hielten Schilder mit ›IOF [Israelische Besatzungstruppen] runter vom Campus‹ und skandierten ›NYPD [New Yorker Polizei], KKK [Ku-Klux-Klan], IOF, sie sind alle gleich‹.»
Besonders beunruhigend für die Studenten sei die Tatsache gewesen, dass bei einigen der nicht genehmigten Proteste Lehrkräfte, darunter einige in universitären Führungspositionen, anwesend waren und auch Reden hielten. Außerhalb des Campus wurden bei Protesten, die von Studentenorganisationen der Columbia mitorganisiert wurden, Slogans wie »Israel ist das neue Nazi-Deutschland« und »Israel stiehlt palästinensische Organe« gerufen.
Diversität und Inklusion – nicht für Juden
Vielfalt, Gleichberechtigung, Inklusion (Diversity, Equality, Inclusion; [DEI]) seien für Columbia wichtig, wird auf der Website betont. Für Fälle von Diskriminierung gibt es mindestens drei verschiedene Instanzen, jüdische Studenten befürchten aber, dass ihre Erfahrungen mit Diskriminierung nicht ernst genommen werden: »Wir haben viele Kurse, in denen über Diskriminierung diskutiert wird, was großartig ist. Aber wenn man selbst an der Reihe und man jüdisch ist, fühlt man sich nicht wohl dabei, über seine Erfahrungen mit Diskriminierung zu sprechen. Uns wird klar gemacht, dass das für Juden nicht in Ordnung ist.«
Eine andere Studentin sagte: »Als ich darüber redete, haben viele Leute aufgehört, mit mir zu sprechen. In diesen Kursen und in dieser Generation herrscht heute die Ansicht, dass man nicht gleichzeitig jüdischer Zionist sein und sich für andere einsetzen kann.»
Als eine Studentin, die an einer Diskussion über Amerika und den Holocaust teilnahm, ihre Großmutter erwähnte, die als Flüchtling amerikanische Staatsbürgerin geworden war, sagte ihr Professor: »Ich denke, das sollten Sie sich noch einmal überlegen.»
Einem Studenten, der mit einem Administrator über Antisemitismus sprechen wollte, wurde gesagt, er sei der einzige Student, der ihn mit Bedenken hinsichtlich Antisemitismus angesprochen habe. Der Student wurde anschließend zur Psychotherapie überwiesen. »Zufällig sagte ein zweiter Student im selben Programm, ihm sei ebenfalls gesagt worden, dass er der einzige jüdische Student sei, der dieselbe Meldung gemacht habe.« Als Studenten ihre Beschwerden an Columbias dezentrale Büros für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion richteten, hätten diese sich »im Allgemeinen nicht mit Beschwerden jüdischer Studenten befasst«, so der Bericht.
Bei einer Untersuchung verschiedener Websites, Programme und Diskussionen der unzähligen DEI-Büros fand die Task Force nur eines, in dem Antisemitismus erwähnt wurde. »Um es klar zu sagen: Diese Studenten baten nicht um Schutz vor Ideen oder Argumenten. Viele der von Studenten gemeldeten Vorfälle beinhalteten verbale Angriffe und Anspucken in der Öffentlichkeit, weil sie eine Kippa trugen. Einem Studenten, der dies dem Office of Diversity meldete, wurde als Antwort mitgeteilt, dass es keinen Grund gebe, sich unsicher zu fühlen und er vielleicht den Campus verlassen sollte.«
Versprechen für die Zukunft
Die Interimspräsidentin der Universität, Katrina A. Armstrong, sagte über den Bericht: »Dies ist eine Gelegenheit, den angerichteten Schaden anzuerkennen und die notwendigen Änderungen vorzunehmen, um es besser zu machen.« Sie versprach außerdem eine Aktualisierung der Verhaltensrichtlinien, Maßnahmen zur Verbesserung der Campuskultur und die Schaffung eines Office of Institutional Equality, das Belästigungsbeschwerden, einschließlich solcher im Zusammenhang mit Antisemitismus, entgegennehmen soll. Die Task Force selbst kündigte an, in den kommenden Monaten einen Bericht über »Voreingenommenheit in Hörsälen und Lehrplänen« zu veröffentlichen.