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Wie Juden in der Diaspora den Aufstieg von Itamar Ben-Gvir erklären können

der den extrem rechten Block der Religiösen Zionisten anführende Itamar Ben-Gvir feiert Wahlerfolg
der den extrem rechten Block der Religiösen Zionisten anführende Itamar Ben-Gvir feiert Wahlerfolg (© Imago Images / ZUMA Wire)

Nach dem Erfolg der Rechtsreligiösen bei der vergangenen Wahl sind nicht in Israel lebende Juden mit der Zumutung konfrontiert, den Aufstieg dieser Parteien erklären zu müssen.

Benjamin Kerstein

Der Sieg des rechtsreligiösen Blocks bei den israelischen Wahlen in der vergangenen Woche hat in der Diaspora erhebliche Bestürzung ausgelöst, und dafür gibt es gute Gründe. Der erste Grund ist der Aufstieg der extrem rechten Religiösen Zionistischen Partei und insbesondere von Itamar Ben-Gvir, dem ehemaligen Schüler von Meir Kahane, der die Otzma Yehudit-Fraktion der Partei anführt. Die meisten Diaspora-Juden, vor allem in Amerika, sind liberal eingestellt, und Ben-Gvirs ethnischer und religiöser Chauvinismus ist für sie bestenfalls abstoßend und schlimmstenfalls ein Gräuel.

Nach dem, was ich in der letzten Woche gesehen habe, sind die Juden in der Diaspora jedoch nicht nur deshalb besorgt über Ben-Gvir, weil sie selbst ihn abstoßend finden, sondern auch wegen der möglichen Reaktion der nichtjüdischen Welt auf seinen Aufstieg.

Diese Juden, deren Engagement für die Sache des Zionismus und des jüdischen Staates nicht infrage steht und auch nicht infrage gestellt werden sollte, haben Jahrzehnte damit verbracht, Israel als ein liberales, demokratisches Land zu verteidigen, das die westlichen Werte teilt. Der Aufstieg eines israelischen Politikers, der diese Werte abzulehnen scheint, macht diesen Kampf, der ihnen sehr am Herzen liegt, schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Wie, so fragen sie, können sie ihrem nichtjüdischen Umfeld das Phänomen Ben-Gvir erklären?

Oft an Erklärung gar nicht interessiert

Ben-Gvir mag sich als Ungeheuer erweisen oder auch nicht, wobei er meiner Meinung nach auf jeden Fall das Zeug zu einem solchen Ungeheuer hat. Es ist jedoch unklar, wie viel Einfluss er in der nächsten Regierung haben und ob der ins Amt zurückkehrende Premierminister Benjamin Netanjahu in der Lage sein wird, seine Exzesse einzudämmen. Dennoch stellt sein Aufstieg zweifellos eine Herausforderung für die Verteidiger Israels in der Diaspora dar, und sie machen sich zu Recht Sorgen.

Auf die Fragen, die den Juden in der Diaspora nun gestellt werden, gibt es prosaische Antworten. Die erste ist, dass die meisten Menschen, die für Ben-Gvir – und wahrscheinlich auch für Netanjahu – gestimmt haben, dies aus Angst taten. Ihr Votum war eine Art verspätete Reaktion auf die antisemitischen Ausschreitungen arabischer Israelis im Mai 2021, die die Furcht, die als unsere Nachbarn und Mitbürger lebenden Araber könnten sich erheben und uns in unseren Betten ermorden, verstärkt und vergrößert haben.

Die israelische Öffentlichkeit hat es versäumt, diese Angst zu thematisieren, und so hässlich seine Rhetorik auch sein mag, Ben-Gvir hat dies zumindest getan. Viele Israelis dachten: »Na ja, wenigstens ist er bereit, darüber zu sprechen.« Zusammen mit der jüngsten Zunahme von Terroranschlägen in der Westbank ist dies wahrscheinlich der Grund für Ben-Gvirs kometenhaften Aufstieg. Dies ist zumindest so etwas wie eine Erklärung.

Das Problem dabei ist jedoch, dass sich viele Nicht-Juden einfach nicht um israelische Ängste kümmern. Für sie ist Israel entweder schuld an der Gewalt, die Palästinenser und arabische Israelis ausüben, oder es verdient dies Gewalt geradezu. Für diese nicht-Juden ist die Gewalt so etwas wie ein Phänomen der theoretischen Physik, eine gleichwertige und entgegengesetzte Reaktion auf eine Aktion: das »verständliche Ergebnis von … (Zutreffendes bitte einsetzen)«, das selbst keinerlei moralische Gewicht besitzt.

Diese Vorstellung ist natürlich reiner Nihilismus und eine geradezu rassistische Durchstreichung und Auslöschung arabischer Handlungsfähigkeit – aber viele Nicht-Juden hängen ihr leidenschaftlich an und wollen keine andere Erklärung hören.

Andere Form der Erklärung

Die Juden in der Diaspora müssen also nach einer anderen Antwort suchen. Ich denke, sie ist in der Gegenfrage zu finden: »Warum fragst du mich das?« Das heißt, die Juden in der Diaspora sollten ihre eigene Erklärung anstreben. Was ich meine, wurde vielleicht am besten von dem großen amerikanischen schwarzen Schriftsteller und Aktivisten James Baldwin erläutert, der einmal sagte:

»Eines der großen Dinge, die die weiße Welt nicht weiß, von denen ich aber glaube, dass ich sie weiß, ist die Tatsache, dass Schwarze genauso sind wie alle anderen Menschen. Man hat den Mythos des ›Negers‹ und den Mythos der Hautfarbe benutzt, um anzunehmen und so zu tun, als ob man es im Grunde mit etwas Exotischem, Bizarrem und nach den menschlichen Gesetzen praktisch Unbekannten zu tun hat. Leider ist das nicht wahr. Auch wir sind Söldner, Diktatoren, Mörder, Lügner. Auch wir sind Menschen.«

Nehmen wir einmal an, dass Ben-Gvir tatsächlich das Monster ist, für das ihn viele halten. Wenn ja, dann gilt Baldwins Feststellung für die Juden und den Staat Israel genauso wie für die Schwarzen. Wir dürfen sagen, und sei es nur, weil es wahr ist, dass wir genauso sind wie alle anderen. Auch wir haben unsere Ungeheuer, unsere Rassisten, unsere Theokraten, unsere Schläger, unsere Unholde. Auch wir sind Menschen. Wir sind kein Volk von Heiligen, und niemand hat das Recht, etwas anderes zu fordern.

Es ist also durchaus möglich, dass die Diaspora-Juden Ben-Gvir »erklären«. Sie sollten einfach sagen, dass Ben-Gvir keiner Erklärung bedarf. Die Geschichte der nichtjüdischen Welt ist voll von Monstern. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass unsere Geschichte anders sein sollte, denn auf der grundlegendsten Ebene gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Nicht-Juden. Wir sind Menschen und sie sind es auch. Nichts Menschliches ist einem von uns fremd, und das Menschliche ist oft zutiefst hässlich.

Erstaunlich ist, dass selbst im 21. Jahrhundert, lange nachdem die nichtjüdische Welt diese Lektion gelernt haben sollte, jemand etwas anderes erwartet. Sie tun dies, wie Baldwin sagte, weil sie glauben, dass wir die menschlichen Gesetze nicht kennen. Das ist absurd. Die Aufgabe der Juden in der Diaspora, die versuchen, eine politische Entwicklung zu erklären, die sie selbst oft als bedauerlich empfinden, besteht darin, einfach auf diese Absurdität hinzuweisen und sie damit zu beenden.

Benjamin Kerstein ist Schriftsteller und Redakteur und lebt in Tel Aviv. Lesen Sie mehr von ihm auf Substack, auf seiner Website oder bei Twitter @benj_kerstein. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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