Die Umfragen in der Türkei sind unzuverlässig, und selbst die besseren Umfrageunternehmen halten ihre Ergebnisse in letzter Zeit zurück, offenbar aus Angst, den Zorn des Präsidenten zu erregen. Ein unabhängiges und wenig profiliertes Unternehmen veröffentlichte jedoch am Samstag seine Ergebnisse: Als AREA die Menschen in der Türkei fragte, ob sie das Gefühl hätten, dass die Türkei gerade um ihr Überleben kämpft, sagten 47% der Türken nein, 37% stimmten zu und 16% enthielten sich. Die Umfrage wurde zwischen dem 9.–19. März in persönlichen Gesprächen mit 5.150 Personen durchgeführt und weist eine Fehlerquote von 2% auf.
Die Experten sind der Meinung, dass Erdogan eine Art Ausnahmzustandsrhetorik verwendet, um trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage Unterstützung zu gewinnen. Er hofft, dass die Wähler durch einen Appell an ihre politische Identität motiviert werden können, ihn zu wählen. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob diese Themen die Unzufriedenheit über die um 30% gestiegenen Gemüsepreise verdrängen können. Am Tag vor der Erdogans Wahlkampveranstaltung [in Ankara] fiel die türkische Lira um 4 % gegenüber dem Dollar. Der Präsident erwähnte dies in seiner Ansprache kein einziges Mal. (…) Erdogan erzeilt zwar massiven Besucherzahlen, doch ist die Zuschauermenge kein Indikator dafür, wie die Menschen am Sonntag schlussendlich abstimmen werden. Bei den Präsidentschaftswahlen im Juni kamen 1,5 Millionen Menschen zur Kundgebung des Hauptkandidaten der Opposition, Muharrem Ince, während zur Ansprache von Erdogan lediglich 20.000 Personen kamen. Am Wahltag wurde Erdogan in Ankara jedoch von 51,5% und Ince lediglich 36,2% der Menschen gewählt.“ (Jasper Mortimer: „Erdogan draws huge crowds, but needs more than base to win“)