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Wie Erdogan Gras über Wahlniederlage in Istanbul wachsen lassen will

Wie Erdogan Gras über Wahlniederlage in Istanbul wachsen lassen will„Bei den Kommunalwahlen im März gewann die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) knapp den Wettbewerb um das Bürgermeisteramt in Istanbul, der größten Stadt der Türkei. Die AKP übte danach immer wieder Druck aus und erreichte schließlich eine gerichtliche Anordnung zur Wiederholung aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen. Am vergangenen Sonntag fand die zweite Abstimmung statt. Diesmal hatte der CHP-Kandidat, Ekrem Imamoglu, keine Mehrheit von bloß 13.000 Stimmen, dieses Mal waren es mehr als 800.000. Als relativer Neuling in der türkischen Politik besiegte Imamoglu seinen Gegenkandidaten Binali Yildirim, ein Gründungsmitglied der AKP, von 2016 bis 2018 Premierminister und ein eingefleischter Erdoğan-Loyalist. Was macht Erdoğan – Ministerpräsident von 2003 bis 2014, Präsident von 2014 bis heute, ein ewiger Machtkonsolidierer – angesichts dessen? Wie lässt er Gras über Istanbul wachsen, den Ort seiner Kindheit, in dem er von 1994 bis 1998 Bürgermeister war, was den ersten Schritt zu seinem politischen Aufstieg darstellte. Er verschiebt den Fokus.

Der Präsident musste den Sieg der CHP akzeptieren und anerkennen, aber die mit der AKP verbundenen Medien machten schnell den nächsten Schritt. Die Tageszeitung Sabah verwandelte die Niederlage in die Schlagzeile ‚DEMOKRASİ KAZANDI‘ (‚Die Demokratie hat gewonnen‘) und versuchte, das Scheinwerferlicht von der Opposition auf Erdoğan zu lenken.  (…) Erdoğans Außenpolitik trat in den Vordergrund. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu wurde bald von Fragen bezüglich Sicherheit und Diplomatie beherrscht. Am Montagmorgen war Syrien, wo der türkische Präsident Ankaras Einflussbereich im Norden des geteilten Landes auszuweiten versucht, die zweithäufigste Schlagzeile von Daily Sabah. Daneben fand sich  ein Artikel mit der Ankündigung: ‚Die Türkei ist jetzt bereit, Fortschritte zu erzielen und sich auf das Wichtige zu konzentrieren, wie zum Beispiel auf Themen der internationalen Diplomatie.‘ Am Dienstag widmete sich die Website von Daily Sabah der Freilassung eines US-Konsulatsangestellten aus der Haft, den amerikanischen Sanktionen gegen den Iran und Razzien gegen die ‚Terroristen‘ der kurdischen PKK im Nordirak. Eine Geschichte über Istanbuls Brücken verdrängte den Sieg der CHP.

Hurriyet, die landesweit meistgelesene Zeitung, berichtete zunächst mehr über das Wahlergebnis und zeigte offener den Triumph der CHP und den Fokus auf ihre Mitte-Links-Politik. Allmählich lenkte jedoch auch diese Tageszeitung die Aufmerksamkeit auf die Außenpolitik und die Instandhaltung der Istanbuler Fatih-Mehmet-Sultan-Brücke. Das Rampenlicht ist nicht mehr auf Imamoglu gerichtet. (…) Die nächsten Parlamentswahlen stehen erst im Jahr 2023 an. In den kommenden Monaten wird klar werden, ob Erdoğans Einfluss auf das Land und die größte Stadt nachgelassen hat. Aber für heute ist seine Taktik offensichtlich: Schauen Sie dort hin: Syrien, Irak, Iran. Schauen Sie sich die schöne Brücke an. Schauen Sie einfach nicht nach Istanbul.“ (Charlie Avery: „Turkey’s Erdogan Tries to Bury Defeat in Istanbul Election – But Can He?“)

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