Wie eine Frau zum Symbol des Sturzes von Sudans Diktator Bashir wurde

Von Thomas von der Osten-Sacken

Mit dem erzwungenen Rücktritt des sudanesischen Diktators Omar al-Bashir endete innerhalb von nur zwei Wochen die Herrschaft zweier langjährige Präsidenten in Nordafrika. In beiden Fällen reagierte das Militär auf wachsenden Druck der Straße. Längst ist deshalb auch von einem arabischen Frühling 2.0 die Rede. Überall in der Region fühlen sich Oppositionelle bestätigt und verfolgen elektrisiert die Nachrichten aus den beiden Ländern.

Wie eine Frau zum Symbol des Sturzes von Sudans Diktator Bashir wurde
Sudans abgesetzter Präsident Bashir (Von محسن الفكي, CC BY-SA 3.0)

Nachdem das Militär in Algerien nach wenigen Wochen dem Druck der Straße nachgegeben hatte, indem es Präsidenten Abdalziz Bouteflika quasi zum Rücktritt zwang, entschied sich auch die sudanesische Armee zu diesem Schritt. Lage Zeit stand zu befürchten, dass sie eher dem syrischen Beispiel folgen und mit allen Mitteln gegen die Protestbewegung vorgehen würde. Nicht nur sind Omar al-Bashir und Hafiz al-Assad gute Freunde – erst jüngst stattete der sudanesische Präsident seinem syrischen Amtskollegen einen Staatsbesuch ab – auch ähneln sich beide Regimes. Sowohl im Sudan wie auch in Syrien spielt die Armee eine wichtige Rolle, Assads Vater war ebenso Offizier wie al-Bashir. Und anders als in Algerien handelt es sich bei Syrien und dem Sudan um hochideologische Regimes.

Was für eine zentrale Rolle das Militär im Sudan spielt, war den Führern der Opposition von Anfang an klar. Sie wussten, dass sie gegen den Widerstand der Armee nichts erreichen können. Deshalb wurden auch seit Monaten immer wieder entsprechende Forderungen an die Armeeführung gestellt. Die bislang größte Demonstration, die vermutlich auch den Ausschlag zur Abestzung al-Bashirs gab, fand dann vergangene Woche auch vor dem Hauptquartier der Armee statt. Als Soldaten begannen, Demonstranten vor der Polizei zu schützen und der oberste General des Landes verkündete, das Militär werde sich nicht gegen das Volk stellen, war klar, dass Bashirs Tage gezählt waren.

Noch ist völlig unklar, wie es nun weiter gehen wird. Das Militär erklärte den Notstand und kündigte an für zwei Jahre an der Macht bleiben zu wollen. Zu Recht fürchten viele Sudanesen, dass den Offizieren eine „ägyptische Lösung“ vorschwebt und es lediglich um kosmetische Änderungen geht. Immerhin erließ der nun amtierende Militärrat eine Amnestie für politische Gefangene, und Büros von Bashirs „islamischer Partei“ wurden durchsucht. Die Forderungen der Opposition gehen allerdings wesentlich weiter:

„Vertreter der Protestbewegung haben in einer ersten Reaktion deutlich gemacht, dass ihnen die Absetzung des Langzeitherrschers nicht ausreicht. Die Organisatoren des Sitzstreiks vor dem Hauptquartier der Armee fordern die Demonstranten auf, die Ausgangssperre zu ignorieren und den Protest fortzusetzen. Auch das bekannteste Gesicht der Proteste, Alaa Salah, äußerte sich enttäuscht über die Erklärung des Militärs. ‚Das Volk will keinen Übergangsmilitärrat. Wandel wird nicht passieren, wenn Baschirs gesamtes Regime die sudanesischen Zivilisten mit einem Militärputsch täuscht. Wir wollen, dass ein ziviler Rat den Übergang anführt‘, twitterte Salah.“

Es wird also absehbar in den nächsten Wochen zu Konflikten zwischen Armee und Protestbewegung kommen. Das allerdings hielt tausende von Sudanesen nicht davon ab, am 11. April den Abgang ihres verhassten Präsidenten zu bejubeln. Und sie wissen, dass die Armee keineswegs bereit ist, die Macht ohne Widerstand abzugeben, dass zugleich aber ein Sturz Bashirs ohne die Hilfe der Armee nur in einem blutigen Bürgerkrieg möglich gewesen wäre. Schließlich haben die Menschen im Sudan und in Algerien auch die Entwicklungen der Region seit 2011 beobachtet und ihre Lehren gezogen. Es wäre also völlig verfrüht, irgendwelche Prognosen über die Zukunft beider Länder zu stellen.

Klar dagegen ist, dass mit den Ereignissen in beiden Ländern all jene Lügen gestraft wurden, die in den letzten Jahren behauptet hatten, der so genannte arabische Frühling sei nur eine kurze Episode gewesen und nun vorbei. Die Bilder aus Algier und Khartoum im Jahre 2019 ähnelten doch sehr denen aus Kairo, Tunis und Damaskus aus dem Jahr 2011. Und an den strukturellen politischen und ökonomischen Problemen der ganzen Region hat sich ja auch wenig oder besser gesagt: nichts geändert. Gerade in Ländern wie dem Sudan oder Algerien versuchten abgehalfterte, korrupte Regimes sich mit aller Macht am Ruder zu halten. Dass es nur wenige Woche der Proteste bedarf, bis sie am Ende sind, spricht Bände über ihre innere Verfasstheit.

Und seit vergangener Woche hat die arabische Welt auch eine neue Freiheitsikone. Das Bild von  Alaa Salah, die auf einem Auto stehend, Demonstranten anfeuerte, ging nicht nur um die ganze Welt, es wurde vor allem in anderen Ländern der Region begeistert aufgenommen. Seit einigen Tagen schmückt dieses Wandbild eine Straße im nordsyrischen Idlib:Wie eine Frau zum Symbol des Sturzes von Sudans Diktator Bashir wurde

„Freiheit ist keine Statue mehr“, heißt es da: „Sie lebt und ist aus Fleisch und Blut“. Für den Künstler in der von islamischen Milizen kontrollierten Stadt, scheint besonders wichtig, dass eine junge Frau zum  Symbol des Widerstandes gegen Bashirs Diktatur geworden ist. Denn vor Alaa Salah, oder dem was sie repräsentiert und symbolisiert, müssen sich dieser Tage nicht nur die verbleibenden autokratischen Herrscher in der Region fürchten, sondern eben auch islamistische und andere Milizen.

Und nicht nur sie: Auch für den russischen Präsidenten Vladimir Putin ist die Entwicklung wenig erfreulich, hatte er doch auf Bashirs Überleben gesetzt und sogar Einheiten der gefürchteten Wagner-Söldner in den Sudan entsendet. Auch mit dem algerischen Regime pflegte Russland enge Kontakte. Und mit Sorge dürfte Moskau auch verfolgen, wie begeistert, ja fast elektrisiert syrische Oppositionelle die Neuigkeiten aus dem Sudan aufgenommen haben: Derweil skandierten Demonstranten in Khartoum „Heute Bashir, morgen Bashar“ und schwenkten dabei die Fahnen der syrischen Revolution.  

Und Europa? Nun, ausgerechnet mit dem sudanesischen Regime und seinem vom Internationalen Strafgerichtshof wegen des Verdachtes auf Völkermord gesuchten Präsidenten versuchte man in der vergangenen Zeit ins Geschäft zu kommen. Schließlich spielt der Sudan, ebenso wie Algerien, eine strategisch wichtige Rolle bei dem Versuch in Nordafrika Fluchtrouten zu schließen. Und nichts fürchten Europäer dieser Tage so wie „Instabilität und Chaos“ in ihrer südlichen und südöstlichen Peripherie. Denn dann könnten ja mehr Flüchtlinge übers Meer kommen. Also hoffte man offenbar, dass sich sowohl Bashir als auch Bouteflika im Sattel halten würden – und hofft nun, dass das Militär die Lage unter Kontrolle hält, denn schließlich kommt die EU auch mit dem ägyptischen Präsidenten recht gut aus. Nur: Vermutlich wird in den nächsten Wochen und Monaten weder in Algerien noch dem Sudan die Opposition groß Rücksicht auf europäische Ängste nehmen.

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