Von Avi Issacharoff
Über Konferenzen und die Hierarchien der Muslimbruderschaft baut die in Gaza beheimatete islamistische Terrorgruppe eine globale Infrastruktur auf, um die Stellung der PLO als einzig legitimer Repräsentantin der Palästinenser infrage zu stellen.
Und es war nicht die erste Konferenz dieser Art. In den vergangenen Jahren gab es viele wie sie. Viele der anwesenden Gesichter waren dieselben wie auf den vorangegangenen Tagungen. Darunter aktuelle und ehemalige – mehr oder weniger offizielle – Mitglieder der Muslimbruderschaft sowie aktuelle und ehemalige Mitglieder der Hamas. Ihr gemeinsames Ziel ist es, für die internationale Legitimität der Hamas zu werben: in Europa, Afrika, dem Nahen Osten (natürlich) und sogar in Südamerika – in dem Bestreben, die internationale Stellung der PLO als einziger Repräsentantin des palästinensischen Volkes anzufechten. Auf diese Weise etabliert die Hamas langsam aber sicher eine globale Infrastruktur von Unterstützern, die nicht nur Zuspruch und Legitimität, sondern auch eine nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung bieten.
Wirft man einen näheren Blick auf den Aufbau dieser Infrastruktur, erhält man einige überraschende Einblicke. So stellt sich zum Beispiel heraus, dass es in Großbritannien mehr dieser halboffiziellen Aktivitäten der Hamas und der Muslimbruderschaft gibt, als in jedem anderen europäischen Land. Geradezu ein Musterstück dieser Aktivitäten unter einem scheinbar harmlosen Deckmantel ist die Global Anti-Aggression Campaign (GAAC). „Diese Gruppe wurde 2003 in Saudi-Arabien gegründet“, erklärte Dr. Ehud Rosen, ein Experte für den politischen Islam und die Muslimbruderschaft, der gemeinsam mit Steven Merley eine umfangreiche Studie zu diesem Thema verfasst hat. Merley ist Gründer der Internetseite Global Muslim Brotherhood Daily Watch, die über die weltweiten Aktivitäten der Muslimbruderschaft berichtet. „Initiiert wurde sie von zwei ehemaligen, aus Saudi-Arabien stammenden Al-Qaida-Mitgliedern, die die neue Organisation als ‚gewaltfrei‘ kennzeichnen wollten“, erläuterte Rosen weiter.
„Die Organisation wurde 2005 [nachdem sich die saudi-arabische Regierung geweigert hatte, sie auf saudischem Boden zu beherbergen] in Qatar neu gegründet. Zur Gründungsgruppe von 2005 zählen ranghohe Hamas-Vertreter, darunter der politische Führer Khaled Mashaal, neben Vertretern anderer Gruppen, wie etwa der globalen Organisation der Muslimbruderschaft, sowie Salafisten und salafistische Dschihadisten.“ „Diese Gruppe hat zahlreiche Konferenzen veranstaltet und Fatwas gegen den Westen herausgegeben, wie etwa die gegen Frankreich, nach Beginn dessen Militäraktion in Mali.“
„Diese Gruppe [die Global Anti-Aggression Campaign] bezeichnet sich, ebenso wie einige andere muslimische Gruppierungen in Europa, nicht als Mitglied der ‚Muslimbruderschaft‘ oder als Unterstützer der Hamas. Bei ihnen handelt es sich um Netzwerke von Gruppen, die in nahezu der ganzen Welt verstreut sind. Die Führer der Muslimbruderschaft beanspruchen jedoch ihrerseits für sich, ihre Bewegung sei in 80 Ländern aktiv. Seit dem 11. September 2001, und sogar schin davor, leugnen jedoch die mit der [Muslimbruderschaft] in Verbindung gebrachten Gruppen jede Beziehung“, berichtete Rosen. „Nehmen wir ein anderes Beispiel: Die FIOE, die Föderation islamischer Organisationen in Europa. Siebenunddreißig unterschiedliche Gruppen in verschiedenen Ländern Europas operieren unter dieser Dachorganisation und haben sich im Laufe der Jahre ein Image als ‚die legitimer Repräsentant‘ geschaffen – als islamischer Mainstream. In Deutschland kennt man die Gruppe unter der Bezeichnung IGD und in Frankreich als UOIF. Dasselbe geschieht in Skandinavien und nahezu überall sonst.“
Diese Netzwerke operieren nach dem altbewährten Modell der Muslimbruderschaft und der Hamas. In jedem Land gibt es ein Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen – mit anderen Worten: dawa, was auf Arabisch Bekehrung/Missionierung oder Verkündigung des Islam bedeutet. Diese Organisationen werden von bekannten Personen geleitet, wie etwa von den Vorstehern von Madrasas oder Islam-Schulen, von Moscheen, von Wohltätigkeitsorganisationen, die nicht nur Geld für die europäischen Muslime, sondern auch für die Hamas sammeln, und sogar von Studentenverbindungen an allen bedeutenden europäischen Universitäten. In jüngerer Zeit haben sich muslimische „Menschenrechts“-Gruppen gebildet, die sich für eine vermehrte Unterstützung der Ideologie der Muslimbruderschaft und der Hamas einsetzen.
Viele bekannte Vertreter dieser Gruppen operieren einmal mehr von Großbritannien aus. Hier einige Beispiele.
- Anas Altikriti, gebürtig aus dem Irak, ist der Sohn eines hochrangigen Vertreters der Muslimbruderschaft. Sein Vater floh vor dem Regime Saddam Husseins nach England. Er selbst wurde im Irak geboren, lebt aber seit seinem zweiten Lebensjahr in London. Vor zwei Jahren war er zu Besuch im Weißen Haus, wo er sich mit Präsident Barack Obama traf. Obwohl er deren politische Bestrebungen unterstützt, sagt er, er sei kein Mitglied der Muslimbruderschaft.
- Muhammad Sawalha, palästinensischer Herkunft, ist den israelischen Sicherheitsbehörden als einer der Gründer des militärischen Flügels der Hamas im Westjordanland bestens bekannt. Auch er lebt in London.
- Zaher Birawi, ehemaliger Hamas-Agent im Gazastreifen, war einer der Sprecher der Mavi Marmara-Flottille sowie an anderen Flottillen beteiligt.
- Essam Yusuf Mustafa ist ein ehemaliges Mitglied des politischen Flügels der Hamas, zumindest laut US-Finanzministerium. Mustafa, einer der Organisatoren der jüngsten Konferenz in Istanbul, ist Kuratoriumsmitglied einer weiteren Organisation, Interpal, die bereits 2003 von den Vereinigten Staaten als eine terrorunterstützende Organisation eingestuft wurde. Beide, Birawi und Mustafa gleichermaßen, leben in Großbritannien.

Mustafa war Anführer einer Gruppe namens Charity Coalition (auch bekannt als die Union of Good), die Anfang der 2000er Jahre Geld für die Hamas sammelte und die geistige Unterstützung von Yusuf al-Qardawi, dem führenden sunnitischen Geistlichen und Mitglied der Muslimbruderschaft, besaß. Die türkische Abteilung der IHH (Stiftung für Menschenrechte, Freiheiten und Humanitäre Hilfe) – eine der Mitorganisatoren der Marmara-Flottille – war ebenfalls Teil der Charity Coalition.
Und es gibt weitere, innerhalb und außerhalb von Großbritannien: Ismail Patel, Leiter der Gruppe Friends of Al-Aqsa; Daud Abdullah, ursprünglich aus Grenada und ehemaliges Mitglied des Muslimischen Rats von Großbritannien (MCB), hilft beim Betrieb einer neuen Internetseite, die eine deutliche Position für die Hamas und für die Muslimbruderschaft einnimmt; Azzam Tamimi, ein Palästinenser und Geschäftsführer des von London aus operierenden Fernsehsenders Alhiwar, der ebenfalls die Hamas explizit unterstützt (Zaher Birawi hat eine eigene Show bei dem Sender); Ibrahim el-Zayat, derzeit in Deutschland lebend, gilt als zentrale Figur in den Finanzangelegenheiten dieser Netzwerke; und Ibrahim Munir Mustafa, ebenfalls ägyptischer Abstammung, der der internationalen Organisation der Bewegung der Muslimbruderschaft vorsitzt und in London lebt.
Rosen, der diese Verbindung bereits seit einiger Zeit erforscht, sagte, es gebe einen Unterschied zwischen den Mitgliedern der offiziellen Muslimbruderschaft, die etwa in Ägypten operieren, und den Netzwerken, bei denen man davon ausgeht, dass sie mit ihnen in Verbindung stehen. „Bei diesen handelt es sich um Gruppen, die aus ehemaligen Mitgliedern der Muslimbruderschaft entstanden, die in den 1960er Jahren aus Ägypten flohen und sich in Europa niedergelassen haben. Diese Gruppen wurden ohne direkte Order [seitens der Bruderschaft] gegründet, ohne eine zentrale Befehlsstruktur oder einen bekannten Befehlshaber“, erklärte er. „Aber es gibt definitiv Netzwerke hier, mit bedeutenden Knotenpunkten wie London oder Deutschland. Sie kooperieren mit der offiziellen Muslimbruderschaft und der Hamas.“
„Der Einfluss der Hamas in der riesigen, als die globale Muslimbruderschaft bekannten Organisation nimmt derzeit zu“, stellte er fest. „Die Hamas ist das eigene Fleisch und Blut der Bewegung und sie will die Kontrolle über die PLO übernehmen. Das ist der Grund, warum ihre globale Aktivität eine neue Bedeutung angenommen hat. Die palästinensische Organisation versucht, sich selbst neu zu erfinden, mit einer neuen Plattform und einer angeblich moderateren Richtung, aber es ist und bleibt dieselbe Organisation.
„Die gesamte BDS-Bewegung profitiert von dieser islamistischen Infrastruktur und wird von Organisationen unterstützt, die mit der Hamas oder der Muslimbruderschaft in Verbindung stehen“, sagte Rosen. „Und es ist nach wie vor immer wieder die Rede davon, dass Khaled Mashaal, der Führer des politischen Flügels der Hamas, Ibrahim Munir als Vorsitzenden der internationalen Organisation der Bewegung der Muslimbruderschaft ersetzen soll.“
Avi Issacharoff ist Nahost-Analyst bei The Times of Israel. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Times of Israel.