Wie die EU die Osloer Friedens-Abkommen sabotiert

Von Alex Feuerherdt

EU-Bauten
Mit Unterstützung der EU illegal errichtete Gebäude in der Zone C des Westjordanlandes

Die Europäische Union ist wieder einmal not amused über den jüdischen Staat. In einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), einer Institution zur Unterstützung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, heißt es, in den vergangenen Wochen habe es in der Zone C im Westjordanland „Entwicklungen gegeben, die die Lebensfähigkeit eines künftigen palästinensischen Staates unterminieren“ und geeignet seien, „die Parteien noch weiter voneinander zu entfernen“. Denn Ende Januar habe Israel 154 Hektar Land in der Nähe von Jericho zu staatlichem Gebiet erklärt und außerdem den Bau von weiteren 150 Wohnungen in Siedlungen genehmigt. Darüber hinaus habe der jüdische Staat südlich von Hebron mehrere palästinensische Gebäude abreißen lassen, darunter auch solche, die von der EU finanziert worden seien. Dabei gehe die Europäische Union, wie im Statement weiter zu lesen ist, lediglich „in voller Übereinstimmung mit internationalem Recht humanitären Aktivitäten nach“ und unterstütze „besonders schutzlose Menschen“. Man fordere Israel daher auf, „seine Entscheidungen zu revidieren und den Abriss von Gebäuden einzustellen“.

Erklärungen dieser Art gibt es vonseiten der EU regelmäßig; meist werden sie begleitet von geharnischten Kommentaren in Politik und Medien. Dort ist man dann hellauf empört über die vermeintliche Bockbeinigkeit der Israelis, spricht von einem „schweren Rückschlag für den Friedensprozess“ oder fürchtet gar das „Ende der Zweitstaatenlösung“. Doch wie immer lohnt sich ein genaueres Hinsehen, denn bei Lichte betrachtet stellen sich die Dinge anders dar. Bei der Zone C handelt es sich um ein Gebiet, das etwas mehr als 60 Prozent des Westjordanlandes umfasst. Gemäß den Osloer Abkommen liegt dort, anders als in den Zonen A und B, die volle zivile und militärische Kontrolle bis auf Weiteres bei Israel. Das heißt, dass auch die Bautätigkeit mit dem jüdischen Staat abzustimmen ist. Wer sich nicht daran hält, muss – wie überall auf der Welt – damit rechnen, dass entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Der Außen- und Verteidigungsausschuss des israelischen Parlaments hat Ende des vorvergangenen Jahres einen Bericht vorgelegt, in dem nicht genehmigte Bautätigkeiten dokumentiert sind. Alleine in der Zone C gab es demnach im Jahr 2014 rund 700 Verstöße – 550 von Palästinensern und 150 von Israelis.

Die illegalen palästinensischen Aktivitäten werden dabei von der Europäischen Union tatkräftig unterstützt. Einem Bericht des Armeeradios zufolge hat die EU in den vergangenen Jahren etwa 200 Gebäude in der Zone C errichtet – teilweise an den israelischen Behörden vorbei. Die israelischen Inspekteure kämen derzeit mit den Kontrollen kaum nach, weil vor allem Fertighäuser oft über Nacht geliefert und in den frühen Morgenstunden hochgezogen würden. Bei den Gebäuden südlich von Hebron etwa, über deren Abriss sich die Europäische Union in ihrer Stellungnahme beschwert hat, handelte es sich um Häuser, die in einem militärischen Sperrgebiet lagen. Zehn der 24 zerstörten Gebäude waren EU-finanziert. „Auf der einen Seite beschuldigt die EU uns, Fakten zu schaffen, auf der anderen Seite geben sie mehrere hundert Millionen Dollar für illegale Bauten aus“, kritisierte der israelische UN-Botschafter Danny Danon. „Auf diese Weise schaffen sie selbst Fakten, statt die Palästinenser dazu zu drängen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“

Somit ergibt sich die groteske Situation, dass die Europäische Union gegen die Osloer Abkommen verstößt, während sie gleichzeitig de facto dem jüdischen Staat vorwirft, sich daran zu halten. Die Klage der EU über den Ausbau mancher Siedlungen ist zudem wohlfeil. Denn mit israelischer Genehmigung erweitert werden nur solche großen Siedlungsblöcke, die gemäß sämtlicher bisheriger Friedenspläne ohnehin zu israelischem Staatsgebiet werden sollen – im Austausch für israelische Ländereien, die an die Palästinenser fallen. Dass die Genehmigung von Neubauten in den Siedlungen eine Zweistaatenlösung gefährdet, ist also schlicht und ergreifend unwahr. Die israelischen Behörden gehen in der Zone C gegen nicht genehmigte Baumaßnahmen vor – auch gegen solche von Israelis –, was nach den Vereinbarungen von Oslo ihr Recht ist. Kein Recht hat dagegen die EU, dort einfach Bautätigkeiten zu unternehmen oder zu finanzieren, wie es ihr passt. Wie schon die Einführung der Kennzeichnungspflicht in Europa für Erzeugnisse israelischer Firmen, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben, ist das gerade kein Beitrag zu irgendeinem Friedensprozess und hat auch nichts mit „humanitären Aktivitäten“ zu tun. Vielmehr ist das genaue Gegenteil der Fall.

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