Von Stefan Frank
US-Präsident Donald Trump hat am Mittwoch Sanktionen gegen den iranischen Stahl- und Bergbausektor angekündigt. Er reagierte damit auf neue Provokationen des Ajatollah-Regimes, das kurz zuvor angekündigt hatte, die Arbeiten am Plutoniumreaktor Arak und an der Hochanreicherung von Uran wiederaufzunehmen, sollte die EU die Folgen der US-Sanktionen im Banken- und Rohstoffsektor nicht innerhalb von 60 Tagen kompensieren.
Iranische Ausfuhren von Eisen, Stahl und Kupfer sollen laut einer Pressemitteilung des Weißen Hauses betroffen sein. Begründet wird dies mit den „destruktiven und destabilisierenden Aktivitäten“ des Iran. Konkret genannt werden die fortdauernden Programme im Nuklearbereich und bei der Weiterentwicklung ballistischer Raketen sowie die iranische Unterstützung des Terrorismus.
Stahlhersteller in Indien und anderen Teilen der Welt werden sich darüber freuen, denn die Dumpingpraktiken des iranischen Regimes, das stark subventionierten Stahl zu Tiefstpreisen auf den Weltmarkt wirft – und die iranische Herkunft dabei durch Umwege, die der Stahl auf dem Weg in die Zielländer nimmt, verschleiert –, haben in Indien bereits zu einem offiziellen Protest des Stahlverbands bei der Regierung geführt.
Der Iran besitzt sowohl Eisenerzvorkommen als auch billige Energie zur Weiterverarbeitung in Hülle und Fülle. Doch noch bis 2016 war das Land ein Nettoimporteur von Stahl. In den letzten zehn Jahren aber hat das Regime dem Aufbau einer exportfähigen staatlichen Stahlindustrie in seiner Wirtschaftsplanung offenbar Priorität eingeräumt.
Um 1.777 Prozent hat der Iran laut einer Statistik der US-Regierung seine Stahlexporte seit 2009 gesteigert und steht mit Ausfuhren von 5,3 Millionen Tonnen pro Jahr nun auf Platz 18 in der Liste der größten Stahlexporteure der Welt. Die Daten zeigen, dass der Iran – wohl auch angesichts schwieriger werdender Öl- und Gasexporte – in den letzten Jahren seine Stahlexporte noch schneller gesteigert hat als die Produktion; der Anteil des exportierten Stahls stieg demnach 2018 gegenüber dem Vorjahr von rund 36 auf 42 Prozent, insgesamt legten die Ausfuhren mengenmäßig um 47 Prozent zu, ihr Wert sogar um 87 Prozent.
Wo landet der Stahl? Laut der US-Statistik sind Thailand, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten die Hauptabnehmer. Doch der Stahl, der in diesen Ländern ankommt, wird nicht unbedingt dort verbraucht. Viele Informationen deuten darauf hin, dass insbesondere Dubai als ein Umschlagplatz dient, von dem aus der Stahl – nun mit der Herkunftsangabe „Vereinigte Arabische Emirate“ versehen – weiterverschifft wird. Das behauptet unter anderem der Verband der indischen Stahlhersteller (ISA). In einem Brief an den indischen Stahlminister Binoy Kumar forderte die ISA sofortige Maßnahmen gegen die Einfuhren von iranischem Stahl, der zu Dumpingpreisen in Indien verkauft werde.
Offizielle Statistiken der staatlichen indischen Stahlagentur JPC aber zeigen davon nichts: Laut diesen Zahlen gingen die Stahlimporte aus dem Iran im Rechnungsjahr 2017/18 gegenüber dem Vorjahr (2016/17) um fast zehn Prozent zurück, von 37.600 Tonnen auf 34.300 Tonnen. Im laufenden Jahr 2018/19 liegen die Stahleinfuhren aus dem Iran bei null, während gleichzeitig ein starker Anstieg der Importe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu verzeichnen ist. Diese haben sich gegenüber dem Rechnungsjahr 2016/17 verfünffacht, von 48.000 auf 234.000 Tonnen.
In ihrem Brief nennt die ISA Hinweise darauf, dass der aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importierte Stahl nicht dort hergestellt worden sein könne. So seien von dort etwa 65.000 Tonnen Warmband importiert worden – ein Zwischenprodukt der Stahlerzeugung, das aufgerollt in Bunden transportiert wird –, obwohl die Emirate selbst ein Nettoimporteur von Warmband seien. „Es ist alarmierend, festzustellen, dass die Exporte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem Nettoimportland, plötzlich um 390 Prozent gestiegen sind … Somit lässt sich eine Verbindung zur Umladung von Stahl iranischen Ursprungs in den Vereinigten Arabischen Emiraten herstellen“, heißt es in dem Brief.
Ein Artikel auf der indischen Wirtschaftswebsite Hindu Business Line beschreibt den „Modus Operandi“: „Ein Händler mit Büro in Dubai beschafft Stahlprodukte aus iranischen Stahlwerken und stellt eine Rechnung aus, die Jebel Ali [den Hafen von Dubai; S.F.] als Ladehafen ausweist. Auf dem Herkunftszertifikat steht Dubai, obwohl es dort keine Stahlwerke gibt. Der indische Zoll prüft solche Feinheiten nicht. Ist die Ware in Indien, wird sie in Euro bei einer europäischen Bank bezahlt.“ Sollte diese Praxis mit den derzeit noch überschaubaren Mengen Erfolg haben, so der Bericht, werde der Iran Indien mit Stahl „überschwemmen“.
Die Preise, zu denen der iranische Stahl in Indien angeboten wird, liegen Presseberichten zufolge um rund zehn Prozent unter denen der Stahlhersteller aus der Volksrepublik China, die seit vielen Jahren als Billigproduzenten und größte Gefahr für die weltweite Stahlindustrie betrachtet werden. „Stahlimporte aus dem Iran oder solche, die über die Vereinigten Arabischen Emiraten geleitet werden, müssen verboten werden, da sie eine ernsthafte Verletzung der US-Sanktionen sind und Strafmaßnahmen gegen Indien nach sich ziehen können“, sagt ISA-Generalsekretär Bhaskar Chatterjee. Zudem stellten Stahlimporte zu Dumpingpreisen eine „ernsthafte Bedrohung der indischen Stahlindustrie“ dar.
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind nicht der einzige Umschlagplatz für iranischen Stahl; auch Ägypten und die Türkei werden immer wieder genannt. Im April zitierte die libanesische Tageszeitung al-Joumhouria „einen der größten Stahlhändler“, der dem Blatt sagte, ,,wöchentlich“ treffe ein mit iranischem Stahl beladenes Schiff in Beirut oder einem türkischen Hafen ein. Wie The National, eine Zeitung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, schreibt, sind Händler im Libanon „wütend über einen Anstieg von Importen billigen iranischen Stahls und Eisens in diesem Jahr“. Aus Angst vor US-Sanktionen gebe aber niemand zu, dafür verantwortlich zu sein. „Geschäftsleute geben sich gegenseitig sowie der Hisbollah, Teherans wichtigstem politischen Verbündeten im Libanon, die Schuld an den Billigimporten aus dem Iran, die den örtlichen Markt erschüttern“, so The National. Hinter „verschlossenen Türen“ hätten Händler das Thema mit dem Wirtschaftsminister besprochen, niemand aber wolle sich öffentlich dazu äußern.
Im November 2018 hatte Mena Watch darüber berichtet, dass iranische Frachtschiffe nach dem Verlassen des Hafens das automatische Identifikationssystem (AIS) abschalten, so dass sich ihre Routen nicht – oder nicht mehr so gut – verfolgen lassen. Nun ist klar, dass diese Praxis auch den Zweck hat, zu verschleiern, dass der Iran die Welt mit Stahlprodukten zu Dumpingpreisen überschwemmt und welche Häfen er dabei benutzt. Und wenn die oben zitierten Informationen von Hindu Business Line stimmen, wickelt „eine europäische Bank“ die Zahlungen ab.