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Wessen am Weltflüchtlingstag nicht gedacht wird

„Am Donnerstag [dem 20. Juni] ist der Weltflüchtlingstag. Laut der Internetseite der Vereinten Nationen, die diesem Thema gewidmet ist, lassen jede Minute 20 Menschen ihr altes Leben zurück, um Krieg, Verfolgung, oder Terror zu entkommen.

Ich bin eine dieser Leute. Als ich 6 Monate alt war, riskierte meine Mutter im Jahr 1948 alles, um mit meinen Geschwistern und mir Tunesien auf der Suche nach einem besseren Leben zu verlassen. Mein Vater blieb zurück, bis er uns Jahre später an unserem endgültigen Bestimmungsort treffen konnte. Wir drängten uns in ein Schiff namens Negba und durchlebten eine schwierige Reise nach Frankreich. Wir warteten ein Jahr, bis wir endlich an der Reihe waren das Land zu betreten, das meine Mutter schon immer für unser Zuhause hielt: Eretz Israel.

 Ich bin nur einer von 850.000 jüdischen Flüchtlingen aus den arabischen Ländern und dem Iran, die diese Gebiete verließen, flohen oder vertrieben wurden, obwohl sie dort bereits, in vielen Fällen, seit der babylonischen Zeit gelebt hatten.

In den Jahren nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel erlitten Juden in den arabischen Ländern unerträgliche Diskriminierungen und Gewaltakte, die zu ihrer Zwangsausweisung führten. Juden wurden aus Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Libyen, dem Irak, dem Jemen, der Türkei, dem Libanon, Syrien und dem späteren Iran vertrieben. Sie ließen ihr Eigentum, sowie ihre Habseligkeiten zurück und trugen nur das Nötigste, das sie besaßen, als sie an ihrem sicheren Hafen ankamen. Ganze jüdische Gemeinden wurden ausgelöscht und Jahrhunderte religiöser Bräuche, Traditionen, Kultur und Musik verschwanden aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika.

 Fast die Hälfte dieser Flüchtlinge ließ sich, genau wie meine Familie, in Israel nieder. Unsere Geschichten bleiben größtenteils unerzählt. Viele wissen immer noch nicht von unserem kollektiven Trauma. (…) (E)s scheint, dass wir für internationale Gremien und Menschenrechtsorganisationen unsichtbar sind. Sind wir es nicht genauso wert, weltweite Sympathiebekundungen zu erhalten, so wie alle anderen Flüchtlinge auch?

Ab dem Jahr 2014 versuchte der Staat Israel diese Ungerechtigkeit zu korrigieren, indem er einen Erinnerungstag einführte, um der Tragödie dieser Juden zu gedenken, die gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen. Jetzt, jedes Jahr am 30. November, werden meine Geschichte und die Geschichten von Hunderten und Tausenden anderer Mizrahi-Juden geehrt. Wenn wir aber am Weltflüchtlingstag jede Flüchtlingsgeschichte verstehen wollen, dann muss diese Geschichte auch [am 20. Juni] erzählt werden.“

(Miriam Shepher: „Jews in Arab countries suffered unbearable discrimination. Why do our stories remain untold?“)

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