In ihrem offenen Brief an Angela Merkel behaupten Wolfgang Benz, Aleida Assmann & Co., deutsche Gerichte würden sich aus Angst und Einschüchterung zu verlängerten Armen der Netanjahu-Regierung machen.
Alan Posener, Welt
Im Zentrum der Angriffe seht schon seit Wochen der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein, von dem es im offenen Brief heißt, er würde „diese Tendenz“ – die Unterdrückung von Israelkritik nämlich – „politisch und finanziell unterstützen“. Kleins „Aktivitäten“ hätten inzwischen „ein menschenverachtendes Ausmaß angenommen“. Eine Formulierung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte.
Als einziges Beispiel für das angeblich von Israelfreundinnen erzeugte „Klima der Angst“ dient den Unterzeichnern das zweite Buch Arye Sharuz Shalicars, Der neu-deutsche Antisemit, das bei Hentrich & Hentrich erschienen ist. Es ist eine erfrischend wütende Polemik gegen deutsche Leitmedien und Intellektuelle, Links- und Rechtsradikale, Christen, Muslime und „Alibijuden, die den Selbsthass zum Beruf machen“.
Als solchen bezeichnet Shalicar auch den Historiker Reiner Bernstein. Ob Shalicars Vorwurf „antisemitischer Ansichten“ bei Bernstein zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Wer Shalicars Zorn erregt, weiß, dass er – ich habe es selbst auf Twitter erlebt – durchaus rhetorisch handfest werden kann. Aber „Brandmarkung, Einschüchterung, Angst“: Geh her, sagt der Bayer.
Was aber hat das mit Klein zu tun? Die Unterzeichner behaupten, Shalicars Buch sei vom Beauftragten für Antisemitismus „gefördert“ worden. Das weist der Verlag entrüstet zurück. Offensichtlich haben die Ankläger Kleins es nicht für nötig befunden, dort selbst nachzufragen. Des Weiteren führen sie zum Beleg der von Klein und anderen angeblichen Freunden der israelischen Regierung geschaffenen Atmosphäre der Angst das Urteil des Berliner Kammergerichts an, das eine Klage Bernsteins gegen Hentrich & Hentrich wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts abgewiesen hat.
Deutschen Gerichten zu unterstellen, sie seien manipulierbar, zumal von jener Minderheit unter den deutschen Intellektuellen, die sich nicht der Mainstreammeinung anschließen, Israel sei an allem schuld: Das zeugt – Entschuldigung – von Realitätsleugnung.
Der Text „Der blinde Fleck der Linken“ von Alan Posener ist zuerst in der Welt erschienen.

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