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Israels Islamist Mansour Abbas eckt schon wieder an

Der Chef der arabisch-israelischen Ra’am-Partei, Mansour Abbas
Der Chef der arabisch-israelischen Ra’am-Partei, Mansour Abbas (© Imago Images / UPI Photo)

Rund um Israels arabische Parteien scheint es ruhig geworden zu sein. Doch dieser Eindruck täuscht. Erst kürzlich sorgte der Vorsitzende der mit der Islamischen Bewegung verbundenen Partei Ra’am Mansour Abbas wieder einmal für Aufsehen.

Israels arabische Parteien blicken auf einen Ausgang der Wahl vom November 2022, der für sie in vielfacher Hinsicht einem Desaster gleichkommt. Die trotz großer Bemühungen überschaubar gebliebene arabische Wahlbeteiligung und die Spaltung der Vereinigten Liste sorgten dafür, dass nicht die prognostizierten 13 bis 15 oder sogar 16 Abgeordnete arabischer Parteien in die Knesset einzogen, sondern lediglich zehn. Dass die aus der Vereinigten Liste ausgescherte Partei Balad fast 140.000 arabische Wählerstimmen auf sich vereinen konnte, aber genauso wie die Bürgerrechtspartei Meretz mit 150.000 Wählerstimmen an der Sperrklausel scheiterte, trug maßgeblich zur gegenwärtigen Mandatsverteilung bei. 

Und es war eben diese sich daraus ergebende Mandatskonstellation, die es Alt-Premier Benjamin Netanjahu mit seiner Likud-Partei ermöglichte, die am deutlichsten rechts-national und jüdisch-religiös geprägte Regierungskoalitionin der 75-jährigen Geschichte Israels zusammenzustellen. Das setzte zugleich einem Prozess ein Ende, den Mansour Abbas Ende 2020 eingeleitet hatte, als er als erster Vorsitzender einer in der Knesset vertretenen arabischen Partei bekundete, zugunsten einer Verbesserung der Lebensumstände seiner Wählerschaft bereit zu sein, sogar mit dem rechtskonservativen Likud zu kooperieren.

Höhenflug mit Absturz

Das brachte Mansour Abbas damals den Zorn seiner arabischen Parteikollegen ein. Er scherte aus dem Dreiparteienbündnis der Vereinigten Liste aus, verselbstständigte sich mit seiner Partei und konnte im Zuge des Wahlausgangs vom März 2021 tatsächlich die Themen, welche die arabische Gesellschaft Israels bewegen, in die politische Entscheidungsarena tragen. Abbas schrieb israelische Geschichte, die in aller Welt beachtet wurde, denn die von ihm geführte Ra’am wurde zur ersten arabischen Partei Israels, die mit einer aus »zionistischen Parteien« bestehenden Regierung koalierte (Veränderungskoalition 2021 bis 2022).

Viele mutmaßten, dieser Schritt würde Ra’am zum Verhängnis werden, doch Parteivorsitzender Abbas ließ sich nicht beirren. Er blieb bei seinem Ansatz einer Realpolitik, die Ideologie zur Erlangung handfester Zielsetzungen zugunsten der arabischen Minderheit Israels hintanstellt. Dass er den politisch-gesellschaftlichen Wandel seiner arabischen Wählerschaft trotz des Scheiterns der Veränderungskoalition weiterhin richtig deutete, zeigte die Wahl im November 2022. 

Mansour Abbas’ Ansatz, der seit der Staatsgründung praktizierten Distanzierung arabischer Parteien von den »zionistischen Parteien« der jüdischen Mehrheitsgesellschaft eine Absage zu erteilen, schreckte die arabische Wählerschaft auch nach dem Scheitern der Koalition und nach nur mäßiger Implementierung positiver Veränderungen für diese Minderheit nicht ab. Ra’am und die Vereinigte Liste errangen zwar beide je fünf Knesset-Mandate, doch Mansour Abbas konnte auf einen beachtlichen Wählerstimmenzuwachs blicken.

Dennoch ist es ein harscher Absturz, von der präzedenzlosen Regierungsbeteiligung auf die Bänke der Opposition zu wechseln; dies zudem unter einer Regierung, der Abgeordnete der rechtsnational-religiösen Rechtsaußenflanke angehören, die im israelischen Parlament gegenüber arabischen Bürgern Israels unverhohlen rassistisch wettern und beim Blick zu den palästinensischen Nachbarn überdies in Reaktion auf palästinensischen Terror verübte gewalttätige Vergeltung jüdisch-israelischer Gruppen gutheißen.

Ein Islamist auf Friedenspfaden

Dem Abgeordneten der Islamischen Bewegung, Mansour Abbas, wurde und wird weiterhin von der jüdischen Mehrheitsgesellschaft Israels nicht umsonst grundsätzliches Misstrauen entgegengebracht. Das Parteiprogramm von Ra’am ist wahrlich kein Willkommensgruß für den jüdischen Staat. So darf sich angesichts der harschen israelischen Realität niemand wundern, dass immer wieder einmal auch Unterstellungen die Runde machen, Ra’am würde eine versteckte Agenda verfolgen und eigentlich mit der Terrorvereinigung Hamas gemeinsame Sache machen. 

Darüber hinaus hört man im der Partei weisungsgebenden Shura-Rat der Islamischen Bewegung keineswegs nur Stimmen, die Mansour Abbas und seinem gemäßigten Ansatz beipflichten. Das zeigte sich sehr deutlich, als er sich ausgerechnet in Zeiten, in denen Israel schwerste Zusammenstöße zwischen arabischen und jüdischen Bürgern erlebte, mit Botschaften der Mäßigung ebenso wie der Aussöhnung zu Wort meldete, oder als er Ende 2021 laut aussprach, dass Israel »als jüdischer Staat geboren wurde und ein jüdischer Staat bleiben werde«.

Bislang hat er überlebt, nicht nur politisch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Angesichts seiner neuesten Statements vor wenigen Tagen kann man nur hoffen, dass dies so bleibt. In einem Exklusivinterview erhob er schwere Vorwürfe vor allem gegen die Bemühungen der sich im Gazastreifen mit Waffengewalt an der Macht haltenden Hamas, die Araber der gesamten Region zu Terrorakten gegen Israel anzustacheln. 

»Der bloße Gedanke daran, die palästinensisch-arabischen Bürger in Israel zu irgendwelchen Akten der Gewalt aufzurufen, bringt eine neue Katastrophe«, meinte Mansour Abbas im israelischen Nachrichtensender i24News, der ein Publikum auf Englisch, Französisch und Arabisch anspricht, und setzte nach: »Wir müssen die arabische Gesellschaft [Israels] davon abhalten, in diese Richtung zu gehen, da dies ausschließlich dem Extremismus und den Extremisten zuträglich ist.« 

In einem von i24News ausgekoppelten und separat publizierten Interviewabschnitt führte der Ra’am-Vorsitzende zudem aus: »Wir sollten die Gewalt in all ihren Erscheinungsformen beiseiteschieben und uns für Frieden und Aufbau einsetzen.«

Diese Ausführungen brachten Mansour Abbas nur wenig später einen unerwarteten Kommentar des langjährigen Ex-Likud-Abgeordneten Michael Kleiner ein: »Die jüngsten Äußerungen des Vorsitzenden der Ra’am-Partei, Dr. Mansour Abbas, gegen den Versuch der Hamas und der palästinensischen Fraktionen, Araber in Israel zu bewaffneten Operationen gegen Israel zu zwingen, sind sehr wichtige Äußerungen, die den Mut dieses Mannes veranschaulichen.« 

Und auch Kleiner hatte einen Satz nachzuschieben: »Mansour Abbas ist mutiger als Anwar Sadat!«, meinte er unter Bezugnahme auf den 1978 erfolgten Israel-Besuch des 1981 ermordeten ägyptischen Präsidenten, der nach zwei bitteren Kriegen (Sechstagekrieg 1967, Yom-Kippur-Krieg 1973) ein Jahr später zum Camp-David-Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel beitrug.

Unbequeme Vernunft und Menschlichkeit

Man kann sich denken, dass Mansour Abbas’ Aufruf an die palästinensische Führung, »sich nicht in interne Angelegenheiten der palästinensischen Araber einzumischen, die Bürger Israels sind«, gar nicht gut ankam und dazu führte, dass praktisch alles, was diesen arabischen Politiker Israels ausmacht, angegriffen wurde. 

Im Zusammenhang mit seiner Person setzte die palästinensische Al-Quds-News das Wort islamisch in Anführungszeichen, betonte, dass ihm »Zionisten vertrauen«, er den »Apartheid-Staat Israel« präsentiere und »ein gehorsames Werkzeug in den Händen der Besatzung sei«.

Während in der Vergangenheit die Hamas immer schnell zu einem Schlagabtausch zur Stelle war, wenn sich Mansour Abbas in ihre Richtung äußerte, herrscht bislang aus ihren Reihen ebenso Schweigen wie seitens des Islamischen Dschihad. Mit Pauken und Trompeten hat sich hingegen eine dritte Terrororganisation zu Wort gemeldet: die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die verkünden ließ, Mansour Abbas sei »ein Verräter der Interessen unseres Volkes und unserer nationalen Anrechte«.

Auch der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmoud Abbas ließ sich in demselben Tenor aus. In Anbetracht der Bezugnahme von Mansour Abbas auf die unter anderem von der Fatah seit Jahrzehnten praktizierte Ausgrenzung von Arabern mit israelischer Staatsbürgerschaft kam der Präsident der PA zu der Schlussfolgerung: »Mansour Abbas hat mit seinen Positionen die roten Linien überschritten.«

Mit seinen Ausführungen, die darüber hinaus die Aussage beinhaltete, er trete weiterhin für die Schaffung eines palästinensischen Staates ein, dürfte Mansour Abbas auch etliche Angehörige der jüdischen Mehrheitsgesellschaft aufgebracht haben. Da dürfte ihn auch nicht mehr retten, dass er laut und deutlich anfügte, eine solche Entität solle ausschließlich an der Seite – und nicht anstelle – eines Staates Israel bestehen.

Da Mansour Abbas gegenüber der Jerusalem Post in diesen Tagen zudem ausführte, »Toleranz ist ein universeller, humaner Wert, der alle Menschen verbindet, ohne zwischen Religion, Rasse oder Geschlecht zu unterscheiden«, stellt er allerdings offen unter Beweis, dass er als strenggläubiger Muslim und Anhänger der Islamischen Bewegung einen Ansatz vertritt, welcher der israelischen Unabhängigkeitserklärung alle Ehre macht und der israelischen Demokratie weitaus besser zu Gesicht steht als die Vorstellungen eines Bezalel Smotrich, Itamar Ben-Gvir und Co.

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