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WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Mit seinem sogenannten „Faktencheck“ zu Joachim Schröders und Sophie Hafners Film „Auserwählt und Ausgegrenzt: Der Hass auf Juden in Europa“ hat der WDR für Belustigung gesorgt. Manche sagen: Hätte das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal so gearbeitet, Julius Streicher wäre nicht verurteilt worden.

Was nun Streicher betrifft, so wissen wir nicht, wie man beim WDR über ihn denkt; er ist einer der wenigen im Film erwähnten Antisemiten, die im Faktencheck nicht vorkommen. Richard Wagner hingegen erhält endlich seinen Persilschein: „Der Antisemitismus Richard Wagners [wird] in der neueren Forschung nun gerade als nicht rassistisch bewertet“, will der WDR herausgefunden haben. Die „neuere Forschung“ spreche vielmehr von Wagners „Erlösungsidee“. Sollte es vielleicht Endlösungsidee heißen? Dann würde es stimmen.

Wir Rheinländer werden ja nicht immer gut verstanden. Als der WDR beklagte, im Film gebe es nicht hinreichend „Belege“, haben natürlich alle gedacht, die Verantwortlichen in der Kölner Zentrale wären hocherfreut, wenn dort schubkarrenweise Belege etwa für den Antisemitismus von Mahmud Abbas angeliefert werden. Jetzt stellt sich heraus: So war das nicht gemeint. In keinem einzigen Fall hat der WDR überhaupt nach Belegen für Antisemitismus gesucht. Der „Faktencheck“ ist vielmehr das Zertifikat, dass alles, was sich wie Antisemitismus anhört, in Wirklichkeit koscher ist – mögen die Argumente, mit denen das begründet wird, auch noch so an den Haaren herbeigezogen sein.

„Er hat nicht Brunnen gesagt!“

WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Mahmud Abbas mag zwar in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament gesagt haben: „Erst vor einer Woche haben israelische Rabbiner eine deutliche Erklärung abgegeben: Sie verlangten von ihrer Regierung, das Wasser zu vergiften um Palästinenser zu töten.“ Hieraus, so der WDR, dürfe aber nicht „die Behauptung abgeleitet“ werden, „die Rede Abbas stünde in einer Tradition, die den Juden seit dem Mittelalter vorwirft, Brunnen zu vergiften“, denn: „Von ‚Brunnen’ spricht Abbas hier jedoch nicht.“

Daran, aus welchem Brunnen der WDR sein trübes Wasser schöpft, kann keine Zweifel haben, wer die Replik auf die Äußerungen liest, die der Politikwissenschaftler Stephan Grigat im Film macht. Wenn Grigat dort etwas scheinbar so Selbstverständliches sagt wie: „Große Teile der Linken haben [nach 1945] einfach so getan, als wenn man wieder 1932 anfangen könnte“, dann macht das die Programmverantwortlichen des WDR ziemlich sauer. Sie haben dazu folgendes zu sagen: „Sozialistische Systeme wie DDR und Sowjetunion grenzten sich … deutlich vom Nationalsozialismus ab.“

Die Ära, in der der WDR als sozialdemokratisch galt, scheint vorbei zu sein: Unter allen Linken, die man als Gegner des Nationalsozialismus rühmen könnte, fallen dem WDR nicht etwa Kurt Schumacher oder Willy Brandt ein, sondern die DDR und die Sowjetunion. Grigats Meinung hätte nicht unkommentiert bleiben dürfen, so der WDR, sondern hätte „kritisch gesehen“ werden müssen, zumal die Sowjetunion und die DDR den „Faschismus“ ja „wissenschaftlich erforscht“ hätten.

Wie viele Scherereien hätten sich die Autoren erspart, wenn sie sich an die wissenschaftlichen Autoritäten gehalten hätten, die der WDR empfiehlt! Auf Grundlage dieser Forschung hätten sie den Antisemitismus dann z.B. als ein „spezifisches Mittel“ erklärt, „um die gesellschaftlichen Ursachen der Scheidung zwischen Besitzenden und Besitzlosen, der erbarmungslosen Knechtung der Produzenten durch die Besitzer der Produktionsmittel zu verschleiern“. (Walter Mohrmann: Antisemitismus – Ideologie und Geschichte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Ost-Berlin 1972). Da wären sie nicht in Fettnäpfchen getreten, und keine NGO hätte sich beschwert.

Handwerkliche Mängel

WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Der „Faktencheck“ des WDR weist viele weitere journalistisch-handwerkliche Mängel auf. So sind Betroffene mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen nicht konfrontiert worden. Das aber gehört zu den Standards der journalistischen Arbeit.

Über die in Jerusalem ansässige Organisation NGO Monitor, die sich für mehr Transparenz im israelischen NGO-Sektor einsetzt, behauptet der WDR etwa, sie sei „keine unabhängige Organisation“, sei „eng“ mit dem „Institute for Zionist Strategies“ verbunden, „engagiere … sich für die Besiedlung der 1967 erkämpften Gebiete im Westjordanland durch jüdische Siedler“ und habe „deshalb eine politische Agenda“.

Der angesprochenen Organisation wurde vom WDR jedoch keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese wurde erst durch Mena Watch eingeholt. Dass der WDR sich nicht mit NGO Monitor in Verbindung gesetzt hatte, um diese Behauptungen abzuklären, bezeichnet Naftali Balanson, Chief of Staff von NGO Monitor in Jerusalem, als „umso erstaunlicher, als Sie und ich am 14. und 15. Juni per Email in Verbindung standen, wodurch Sie jede erdenkliche Gelegenheit gehabt hätten, diese Informationen vor ihrer Veröffentlichung zu verifizieren.“

Offenbar gehört es zu den Gepflogenheiten des WDR, nur Anti-Israel-NGOs die Gelegenheit zu geben, auf Vorwürfe zu reagieren. Mehr noch: Bei allen Organisationen, die im Film kritisiert werden, nimmt der WDR das Wort der Beschuldigten für bare Münze. Würde im Leben immer so verfahren, kein Politiker würde je zurücktreten müssen, kein Straftäter je verurteilt.

WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Im Film wird korrekt gezeigt, dass einige kirchliche – und vom deutschen Steuerzahler geförderte – Organisationen die antisemitische BDS-Kampagne unterstützen. Der WDR behauptet, das sei falsch und führt als Belege Stellungnahmen der Organisationen an. Brot für die Welt wird zitiert:

„Für Brot für die Welt endet jede Förderung, wenn das Existenzrecht Israels nicht anerkannt wird, zum Boykott von Waren aus Israel aufgerufen oder Antisemitismus geäußert wird.“

WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Und das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) – es schickt Westler in braunen Uniformen durch Israel, um angeblich von Juden begangene Gesetzesbrüche zu dokumentieren – lässt per WDR-„Faktencheck“ wissen:

 „Als Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) ist EAPPI nicht Mitglied der Boycott-Disinvestment-Sanction (BDS)-Bewegung.“

 Sowohl Brot für die Welt als auch EAPPI lügen; und hätte der WDR ein Interesse an der Wahrheit, hätte er das leicht rausgefunden. Brot für die Welt etwa ist zusammen mit der katholischen Organisation Misereor Herausgeber einer Reisebroschüre, in der auf zwei Seiten für das „Kairos“-Dokument geworben wird, das dazu aufruft, „endlich ein System wirtschaftlicher Sanktionen und Boykottmaßnahmen gegen Israel einzuleiten“. Der Weltkirchenrat (WCC), der das EAPPI-Programm initiiert hat, hat den „Kairos“-Text sogar auf seiner Website. Und EAPPI selbst firmiert zusammen mit dem WCC als Herausgeber der Broschüre „Faith under Occupation“. BDS ist darin ein eigenes Kapitel gewidmet: „BDS ist eine Strategie, die es Menschen mit Gewissen ermöglicht, eine aktive Rolle im palästinensischen Kampf für Gerechtigkeit zu spielen“, heißt es dort.

Auch dass die von Brot für die Welt finanzierte antiisraelische NGO B`Tselem einen Holocaustleugner beschäftigt hat, wie Tuvia Tenenbom in seinem Buch Allein unter Juden aufgedeckt hat, kommt im Film zur Sprache. Das hält der WDR für unfair und zitiert Mitteilungen von B`Tselem und Brot für die Welt, wonach B`Tselem die Äußerung des „Feldforschers“ „sofort und kategorisch“ verurteilt und ihn „unmittelbar nach dem Vorfall“ entlassen  habe. Das zu verschweigen, sei „im besten Fall nachlässiger, unethischer Journalismus; im schlimmsten Fall ein absichtliches Weglassen von relevanten Informationen, um den Zuschauer in die Irre zu führen“, schreibt B`Tselem auf der Website des WDR.

WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Tuvia Tenenbom wurde vom WDR keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese wurde erst durch Mena Watch eingeholt. Seine Antwort:

„Sie sind so ein Haufen von Lügnern! Erstens, war er nicht bloß ein ‚Feldforscher’, sondern ihr Chefermittler – er hat u.a. auch Gideon Levy begleitet, wenn es um von Israelis verübte ‚Gräueltaten’ an Palästinensern ging. Zu seinen eigenen ‚Erkenntnissen’ gehörte, dass die IDF mitten in der Nacht kleine Kinder aus ihren Betten entführen würde und niemand wisse, was mit ihnen geschehe… 

Nachdem ‚Allein unter Juden‘ erschienen war, nannte mich B`Tselem fünf Wochen lang einen Lügner und gab ausländischen Medien Interviews, in denen behauptet wurde, ich hätte das alles erfunden. Als das israelische Fernsehen einen Ausschnitt aus unserem Film zeigte, bezichtigte B`Tselem das israelische Fernsehen, den Clip ‚manipuliert’ zu haben. Erst nachdem ich das Rohmaterial des Treffens mit dem Ermittler auf Facebook gestellt hatte, hatten sie keine andere Wahl, als den Mann zu feuern. Gleichzeitig weigerten sie sich, seine Berichte und Behauptungen zurückzuziehen.“

NGO Monitor hat mittlerweile eine umfassende Dokumentation erstellt, die detailliert zeigt, wie der WDR in seinem „Faktencheck“ lügt, um antisemitische deutsche Lobbygruppen zu entlasten.

„Das sind doch die Täter!“

WDR-„Faktencheck“: Recht auf Einspruch nur für Israelhasser

Der WDR will, wie es in seinen Programmrichtlinien heißt, „gesellschaftliche und politische Veränderungen bewirken“ – hat also eine politische Agenda. Weiter heißt es in den Richtlinien, der Sender wolle dazu beitragen, „dass die Ursachen internationaler Konflikte … von unserem Publikum besser verstanden werden.“ Welches Volk der WDR als die Ursache internationaler Konflikte ausgemacht hat, zeigt der Erfahrungsbericht eines langjährigen WDR-Mitarbeiters. Der Sozialwissenschaftler, Fernsehjournalist und Sachbuchautor Dr. Wolfgang Buschfort schreibt auf Facebook:

„Habe 17 Jahre beim WDR gearbeitet. Beim Krieg gegen die Hisbollah im Libanon regionalisierte man den Krieg: Palästinensische und libanesische Studenten wurden befragt, ob sie Angst um ihre Familien haben, was sie fühlen, was sie denken. Ich habe dann den Vorschlag gemacht, mal eine mir bekannte israelische Familie in Münster zu interviewen. Denn ihre Anverwandten lagen in Haifa unter Beschuß der Hisbollah. Die Redakteurin zu meinem Vorschlag: Aber Wolfgang, das sind doch die Täter!“

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