Wird Wasserknappheit zum Sargnagel des iranischen Regimes?

Die aktuellen Proteste im Iran entzündeten sich an der Wasserknappheit in der Provinz Khuzestan. (© imago images/agefotostock)
Die aktuellen Proteste im Iran entzündeten sich an der Wasserknappheit in der Provinz Khuzestan. (© imago images/agefotostock)

Das iranische Regime hat große Angst, dass die von Wasserknappheit angestoßenen Proteste auf das ganze Land übergreifen könnten.

Von Hossam Sadek

Zehntägige Proteste in der Provinz Khuzestan im Süden Irans wurden vom Regime mit exzessiver Gewalt beantwortet, wobei neun Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden. Dies erinnert an frühere Demonstrationen in den Jahren 2017 und 2019 und öffnet die Tür zu einer massiven Welle von Protesten, die die Zukunft des Regimes der Mullahs auf den Prüfstand stellen könnte.

Auf die Straße wegen Wasserknappheit

In mehreren Städten und Ortschaften von Khuzestan sind nach einer schweren Wasserknappheit Proteste ausgebrochen, wie eine Gruppe von Menschenrechtsaktivisten im Iran mitteilte. Die Nichtregierungsorganisation fügte hinzu, dass Sicherheitskräfte Tränengas abfeuerten, Wasserwerfer einsetzten und mit Demonstranten zusammenstießen.

Am Freitag erklärte Amnesty International, dass die Sicherheitskräfte während der Proteste scharfe Munition einsetzen würden, und forderte sie auf, das zu unterlassen. „Der Einsatz von scharfer Munition gegen unbewaffnete Demonstranten, die keine unmittelbare Bedrohung für das Leben darstellen, ist grausam“, hieß es in der Erklärung.

Die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, forderte den Iran auf, das Problem der Wasserknappheit in Khuzestan anzugehen, statt „die Proteste zu unterdrücken“.

In Washington sagte die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Jalina Porters, dass die US-Regierung die Berichte über die Proteste im Iran „genau verfolgt“, ebenso wie Berichte über vom Regime verhängte Blockaden des Internets. „Wir fordern die iranische Regierung auf, ihren Bürgern zu erlauben, ihre universellen Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie den freien Zugang zu Informationen online auszuüben“, fügte sie hinzu.

Im gleichen Zusammenhang sagte Ali Al-Basha, der Korrespondent des französischen Senders France 24, dass sich die iranischen Behörden des Ernstes der Lage bewusst wären und befürchteten, dass sich die Demonstrationen auf andere Provinzen ausweiten könnten. Ali al-Basha fügte hinzu: „Es gibt einen Konsens unter den iranischen Behörden über die Berechtigung der Proteste und das Versagen der aufeinanderfolgenden Regierungen, die Krisen der Stadt zu lösen, die eines der größten Wirtschaftszentren des Landes ist.“

Brennpunkt Khuzestan

Khuzestan, am Golf gelegen, ist die bedeutendste ölproduzierende Region im Iran und eine der reichsten der 31 Provinzen. Die Bewohner der Region haben in der Vergangenheit beklagt, von den Behörden vernachlässigt zu werden. Schon 2019 kam es in Khuzestan zu regierungsfeindlichen Protesten, die auch auf andere Teile des Landes übergriffen.

Die Wasserproteste konzentrieren sich momentan zwar hauptsächlich auf Khuzestan, die Provinz, in der die sunnitische Minderheit des Landes lebt. Doch die Region gilt als Brennpunkt, von dem aus weitere Proteste gegen die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen im gesamten Iran angefacht werden können.

Die Befürchtungen des iranischen Regimes, dass sich die Demonstrationen auf andere Provinzen des Landes ausbreiten könnten, wurden genährt, als Gruppen von Demonstranten in einer U-Bahn-Station in der Hauptstadt Teheran regierungsfeindliche Parolen skandierten, um sich mit den Protesten in Khuzestan zu solidarisieren. Das war in einem Video zu sehen, das in den sozialen Medien kursierte. Am Montag fand im Zentrum von Teheran spontan eine große Demonstration statt, bei der der Abgang des Regimes gefordert wurde.

„Das Regime kann sich nicht ewig mit Repression schützen“

In den Jahren 2017 und 2019 erlebte der Iran zwei starke Protestwellen, bei denen die Bereitschaft vieler Menschen deutlich wurde, gegen die Regierung auf die Straße zu gehen. Doch das Regime hat die Proteste stets mit brutaler Gewalt niedergeschlagen.

Aber der Nahostforscher Rabab Ahmed gibt gegenüber Mena-Watch zu bedenken, dass die Theokratie sich nicht auf alle Ewigkeit mit Repression schützen werde können. „Die wiederholten Proteste steigern den Wunsch der Menschen, Widerstand zu leisten und ermutigen sie, der Repression mutig entgegenzutreten. Sie spiegeln auch die sich verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im Land und die Weigerung der Menschen wider, weiter unter diesen Bedingungen zu leben“.

Ahmed erklärte weiter: „Die aktuellen Proteste nehmen wie ein Schneeball immer mehr an Fahrt auf, werden jeden Tag größer und haben Teheran erreicht, was eine große Bedrohung für das Regime der Mullahs darstellt. Wenn diese Dynamik anhält, kann das die Existenz des Regimes bedrohen.“

Angesichts der strengen US-Wirtschaftssanktionen, die wegen Teherans Streben nach einer Atomwaffe verhängt wurden, lebt der Iran unter sehr schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen und leidet unter steigender Armut, hoher Arbeitslosigkeit und zunehmender Wasserknappheit.

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