Was verstehen Palästinenser unter „Zweistaatenlösung“?

Was verstehen Palästinenser unter „Zweistaatenlösung“?„Für amerikanische Ohren hört sich das unzweideutig einfach an: ‚Zweistaatenlösung‘. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, so die Annahme, sei ein Konflikt zwischen zwei indigenen Völkern, die um das selbe Land kämpfen, mit dem sie eine gemeinsame Geschichte verbindet. Eine faire Lösung bestünde demnach darin, dass Israel als Staat für die Juden existiert und daneben ein separater palästinensischer Staat.

Doch im Nahen Osten versteht sich nichts von selbst und nichts ist eindeutig. Amerikanische Unterhändler, viele amerikanische Unterstützer Israels und die Israelis selbst verwenden den Begriff ‚Zweistaatenlösung‘, als verstehe sich von selbst, was damit gemeint sei und als sei sie von allen Parteien gewollt. Dabei ist das mitnichten der Fall. (…)

Shlomo Avineri, ein angesehener emeritierter Politikwissenschaftler an der Hebräischen Universität, formulierte seine Einschätzung in einer 2015 veröffentlichten Kolumne in Haaretz so:

‚Den Palästinensern zufolge geht es nicht um einen Konflikt zwischen zwei Nationalbewegungen, sondern um einen Konflikt zwischen einer Nationalbewegung (der palästinensischen) und einem kolonialen und imperialistischen Gebilde (Israel). Demnach werde Israel so enden wie alle kolonialen Unterfangen. Es wird untergehen und verschwinden. Außerdem bestreiten die Palästinenser, dass die Juden überhaupt eine Nation seien. Sie seien eine Religionsgemeinschaft und könnten daher das ansonsten universal gebotene Recht auf nationale Selbstbestimmung nicht für sich beanspruchen.‘

Das würde natürlich heißen, dass die amerikanische Vorstellung von ‚zwei Staaten für zwei Völker‘ überhaupt keine faire und akzeptable Lösung darstellt. In meinen zahlreichen Gesprächen mit palästinensischen Führungspersonen und gewöhnlichen Palästinensern habe ich gelernt, das die palästinensische Version der Zweistaatenlösung für einen jüdischen Staat keinen Raum lässt. (…)

Fast alle palästinensischen Bürger Israels, mit denen ich gesprochen habe, vom arabischen Bürgermeister bis zum Lehrer, halten die Existenz eines Staats für das jüdische Volk für illegitim. Der Zionismus sei ein koloniales Unterfangen, das es den Juden ermöglicht habe, das Land der Araber zu stehlen. Das Judentum sei lediglich eine Religion und verfüge über keine nationale Komponente. Den historischen jüdischen Anspruch auf das Land halten sie für eine Fiktion und den Zionismus für Rassismus.

Unter einer ‚Zweistaatenlösung‘ stellen sie sich vor, dass es im Westjordanland einen ausschließlich arabischen Staat gibt und daneben eine binationale Demokratie namens Israel, die den Nachfahren der palästinensischen Flüchtlinge die ‚Rückkehr‘ gestattet. Dies ist kaum die Zweistaatenlösung, die amerikanischen Juden vorschwebt, und eine, die Israel nicht überleben würde. (…)

In der Hoffnung, eine Zweistaatenlösung herbeiführen zu können, werden künftige amerikanische Regierungen gewiss neuerliche Versuche unternehmen, Israel und die Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Dabei würde es sich empfehlen, dafür zu sorgen, dass beide Seiten bereits im Vorfeld der Verhandlungen eine Erklärung unterzeichnen, in der klargestellt wird, dass einer der betreffenden Staaten ein Staat des jüdischen Volks sein wird. Bei einer Vereinbarung, die den Konflikt beenden muss, müsste schriftlich festgelegt werden, dass sämtliche palästinensischen Ansprüche gegen diesen Staat vollständig hinfällig sind.“ (Eric R. Mandel: „What Palestinians Mean When They Talk About A ‘Two-State Solution’“)

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