„Einschätzungen innerhalb der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) zufolge sind nach wie vor bis zu 9 Prozent der eigenen Parteimitglieder unentschlossen. Bis zur Volksabstimmung ist zwar noch etwas Zeit, doch deutet die Polarisierung in der Türkei darauf hin, dass die beiden Lager, unabhängig vom Ergebnis, in etwa gleich groß sein werden. Nach der Volksabstimmung wird die Türkei also in zwei gleich große Teile gespalten sein. Die AKP wirbt mit allen Mitteln des Staates intensiv um das ‚Ja’. Staatliche Flug- und Fahrzeuge befördern Minister in der Weltgeschichte umher, es werden zahlreiche Zeremonien aller Art veranstaltet, das Staatsfernsehen und die überwiegende Mehrheit der Medien betreiben eine ‚Ja’-Kampagne. Und dennoch gelingt es ihnen offenbar nicht, das erwünschte Ergebnis herbeizuführen.
Andererseits behaupten der Präsident und der Premierminister, dass jene, die mit ‚Nein’ stimmen, damit dem Terrorismus dienten. Es fiele wohl nur dieser Regierung ein, das halbe Land der Beihilfe zum Terrorismus zu beschuldigen. Tatsächlich geht es bei der Abstimmung um eine Veränderung des Verwaltungssystems. Die eine Seite behauptet, die Türkei werde ihr Ketten abwerfen, wenn diese Veränderung geschieht. Der anderen Seite zufolge würde die Türkei zu einem autoritären Einmannstaat. Die Entscheidung fällt womöglich mit der Mehrheit von nur einer Stimme. Kann ein Land, das auf diesem Wege seine Verfassung ändert, wirklich ordentlich regiert werden? Es heißt, es handele sich für die Türkei um eine ‚Überlebensfrage’. Wenn es eine solche Überlebensfrage tatsächlich gibt, was nützt da ein Ausgang, der das Land in zwei Lager spaltet?“ (Mehmet Y. Yilmaz: „Ruling this country after the vote“)