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Was folgt auf den Abzug der PKK-Truppen aus der Türkei?

Demonstration in der Türkei für die Freilassung von PKK-Chef Öcalan
Demonstration in der Türkei für die Freilassung von PKK-Chef Öcalan (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Die Kurdische Arbeiterpartei hat ihre Kämpfer aus dem türkischen Hoheitsgebiet abgezogen und in den Nordirak verlegt, was Ankara als Beginn einer »terrorfreien Türkei« begrüßt.

In einer Erklärung, die von der pro-kurdischen Nachrichtenagentur Firat veröffentlicht wurde, gab die Kurdische Arbeiterpartei PKK bekannt, begonnen zu haben, »unsere Truppen aus der Türkei abzuziehen, um potenzielle Risiken von Zusammenstößen und unerwünschten Ereignissen zu vermeiden«. Die Partei forderte die türkischen Behörden auf, die notwendigen rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Friedensprozess zu schützen und ihren Kämpfern den Übergang zu demokratischen politischen Aktivitäten zu ermöglichen. »Die Behörden müssen das Amnestiegesetz für die PKK anpassen und unverzüglich Gesetze erlassen, welche die notwendigen Freiheiten und die demokratische Integration betreffen.«

Die Türkei hat einen parlamentarischen Ausschuss eingerichtet, um die Grundregeln für den Friedensprozess mit der Kurdischen Arbeiterpartei zu formulieren, darunter die Ausarbeitung eines rechtlichen Rahmens für den Übergang der PKK und ihrer Kämpfer zu politischen Aktivitäten.

Die Rückzugsankündigung erfolgte nach einer Botschaft des PKK-Führers Abdullah Öcalan, in der er zu einem Übergang vom bewaffneten zum »demokratischen Kampf« aufrief. Auf seinen als historisch bezeichneten Aufruf folgte ein sofortiger Waffenstillstand und eine Konferenz, auf der die Auflösung des militärischen Flügels der PKK beschlossen wurde, wodurch ein mehr als vier Jahrzehnte andauernder bewaffneter Kampf beendet wurde.

Die Türkei lobte die Ankündigung der Kurdischen Arbeiterpartei. So meinte Ömer Çelik, Sprecher der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Präsident Recep Tayyip Erdogan, »die Entscheidung der PKK, sich aus der Türkei zurückzuziehen und die Ankündigung neuer Schritte in Richtung Entwaffnungsprozess sind greifbare Ergebnisse der erzielten Fortschritte«.

Die große Wende in den Beziehungen zwischen Ankara und der PKK begann, als Devlet Bahçeli, Vorsitzender der Nationalistischen Aktionspartei (MHP) und Koalitionspartner von Präsident Erdogan, vor einigen Monaten eine Einigung mit Öcalan forderte. Daraufhin begannen mit Erdogans Unterstützung indirekte Verhandlungen mit der PKK. Die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP), drittstärkste Partei der Türkei, spielte eine Schlüsselrolle bei der Ermöglichung der Vereinbarung.

Wie weiter?

In Bezug auf die Zukunft des Friedensprozesses erklärte der türkische Autor Kemal Öztürk gegenüber Al Jazeera, dass nun »alle Augen auf das Parlament gerichtet seien«, das neue Gesetze und Rechtsvorschriften erlassen müsse. »Die Kämpfer, die ihre Waffen niedergelegt und sich aus den Bergen zurückgezogen haben, brauchen einen rechtlichen Rahmen, der festlegt, wie und wo sie leben werden, und wie das Schicksal der Inhaftierten aussehen wird.«

Zum Schicksal von PKK-Führer Öcalan sagte er, dieser würde Informationen nach im Gefängnis bleiben, jedoch unter verbesserten Bedingungen für seine Kommunikation mit der Außenwelt. Laut gewordene Behauptungen, Öcalan dürfe sich nun auch politisch betätigen, seien aber unbegründet.

Der türkische Professor für Internationale Beziehungen Samir Salha meinte, der Rückzug der PKK öffne die Tür zu einer zweiten Phase des Friedensprozesses, welche die Einleitung politischer, verfassungsrechtlicher und rechtlicher Reformen im Rahmen des Parlaments erfordere, um die Frage der Kurden anzugehen: »Jeder Schritt in dieser Frage erfordert die Unterstützung des Parlaments. Die Stimmen der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) allein reichen nicht aus, um neue Gesetze zu verabschieden; die Unterstützung der anderen Parteien ist ebenfalls erforderlich.«

Salah weist darauf hin, dass AKP, MHP und HDP allein ihr Ziel nicht erreichen können, wenn Verfassungsänderungen angestrebt werden, um den Status der PKK, die als terroristische Organisation eingestuft ist, zu ändern, weil sie nicht die entsprechende Mehrheit im Parlament besitzen. Die Formel, mit der das in einem solchen Fall notwendige Referendum über eine Verfassungsänderung vermieden werden könnte, bestehe darin, »dass etwa 20 bis 25 Abgeordnete der oppositionellen Volkspartei (CHP) die Änderung unterstützen, um mindestens 400 Stimmen im Parlament zu erreichen«. Diese Frage werde in der kommenden Zeit auch Gegenstand politischer Debatten sein.

Es gibt allerdings noch weitere Hindernisse auf dem Weg zum Friedensprozess. Wie der türkische Forscher für Internationale Beziehungen Taha Aydinoglu erklärte, ist der Weg »auch jetzt noch lang und beschwerlich, insbesondere angesichts der Probleme im Zusammenhang mit der Präsenz der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Qandil-Gebirge an der irakisch-türkischen Grenze und dem Schicksal ihrer Führer und Mitglieder«.

Die Lösung all dieser Fragen hänge von den Schritten ab, welche die Türkei in der kommenden Zeit unternimmt, so Aydinoglu. Die Politik befinde sich diesbezüglich gerade in einer sehr sensiblen und heiklen Phase. Erschwerend komme hinzu, dass jede der involvierten Akteure versuche, so viel wie möglich zu erreichen, was auch damit zusammenhänge, »weil sie in den letzten Jahren erkannt haben, dass militärische Maßnahmen vor Ort keinen Erfolg gebracht haben«.

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