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Mehrheit der Israelis für Einheitsregierung

44% der Israelis wünschen sich eine Einheitsregierung der großen Parteien
44% der Israelis wünschen sich eine Einheitsregierung der großen Parteien (© Imago Images / ZUMA Press)

Dieser Tage erschienen zwei anonym gehaltene Inserate in einer israelischen Tageszeitung, die zur Bildung einer großen Koalition aufrufen. Doch die persönlichen Differenzen der drei Spitzenpolitiker scheinen zu groß, um eine gemeinsame Regierung zu bilden.

Die Parlamentswahlen in Israel hat Benjamin Netanjahu mit seinem rechten Bündnis bekanntlich klar für sich entscheiden können. Ruhig ist es um den umstrittenen »Premier in spe« deshalb aber nicht geworden. In diesen Tagen machen ihm nicht nur die missbilligenden Kommentare aus dem In- und Ausland ob seiner prospektiven Koalitionspartner Kopfzerbrechen, auch das Gerangel um die diversen Ministerposten lassen den Vielgeplagten nicht zur Ruhe kommen. 

Bezalel Smotritsch, der Fraktionsführer des rechten Bündnisflügels, will partout die Finanzbehörde leiten; diesen Job hat Netanjahu aber bereits seinem langjährigen Partner und Anführer der Shas Partei, Arie Deri, versprochen. Kurz, die Koalitionsverhandlungen, die eigentlich diesmal weitgehend reibungslos hätten verlaufen sollen, sind schon jetzt an einem toten Punkt angelangt. 

Anonyme Kampagne sorgt für Spekulationen

Vor diesem Hintergrund sorgt nun eine anonyme Werbekampagne für Aufruhr. Es geht um zwei ganzseitige Inserate in der israelischen Tageszeitung Israel Hayom, die beide zu einer großen Koalition aufrufen. Die grafische Aufbereitung der Anzeigen ist identisch. Vor einem mittelblauen Hintergrund, der an die israelische Landesfarbe erinnert, sind zwei ineinander verschlungene Hände zu sehen, darunter steht der Hashtag »#Stoppt die Spaltung im Volk«. 

Im Text unterscheiden sich die Inserate allerdings. »Netanjahu, höchste Zeit, ein vereinigender Leader zu werden!«, ist auf der einen Seite zu lesen. Auf der zweiten steht: »Lapid und Gantz, Israel [steht für Euch] an allererster Stelle? Dann tretet in die Regierung ein!« Beide Inserate schließen mit folgendem Satz: »Die Mehrheit der Israelis wünscht sich (politische) Einheit.«

Wahlvorteil für rechtes Bündnis knapper 

Diese letzte Aussage lässt sich in der Tat belegen. Obschon die Wahlgewinner beteuern, das Volk habe sich klar für ein rechtes Bündnis entschieden, ergeben die Zahlen ein etwas anderes Bild. Zum einen hat die Allianz rund um Netanjahu nur an die dreißigtausend, etwa 0,6 Prozent, Stimmen mehr bekommen als ihr Kontrahent. Zum anderen hat die politische Mitte, sprich die Fraktionen von Netanjahu, Lapid und Gantz, gemeinsam rund einundfünfzig Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Dass die drei Spitzenpolitiker trotzdem keine gemeinsame Regierung bilden können, liegt nicht an den ideologischen, sondern vielmehr an den persönlichen Differenzen der Kandidaten. 

Wer steckt hinter den Anzeigen?

Die oben genannte Kampagne ruft die Politiker nun auf, diese Differenzen zum Wohl des Volkes beiseitezustellen. So weit, so klar. Nicht klar ist hingegen, wer hinter dieser Kampagne steckt. Niemand scheint nämlich Verantwortung für die Anzeigen übernommen zu haben, und so geben sie Anlass zu jeder Menge Spekulationen. 

»Es muss Netanjahu selbst gewesen sein«, sinniert der bekannte politische Kommentator Kalman Liebskind in seiner morgendlichen TV-Sendung. Schließlich zeige die Geschichte, dass Netanjahu nicht gerne allein mit seinen rechten Koalitionspartnern regiere. Stets habe er jemanden im Kabinett gebraucht, dem er die Schuld zuschieben konnte, wenn er die eine oder andere Reform, die das rechte Lager forderte, nicht bewilligen wollte.

Tatsächlich könnte Netanjahu von einer Zusammenarbeit mit Lapid und Gantz profitieren, weil eine solche ideologisch-mittige Regierung seiner politischen Vision entsprechen und auch im Ausland mit Wohlwollen begrüßt werden würde. 

»Vielleicht stecken hinter der Kampagne ja auch bloß besorgte Bürger, die sich, aus Angst vor den möglicherweise künftigen Reformen der rechten Politiker, spontan zu dieser Initiative zusammengetan haben«, meint hingegen Liebeskind-Kollege Asaf Liberman, bevor er diese These gleich wieder verwirft. Nein, das sei wohl nicht wahrscheinlich, gibt er zu bedenken, weil sich besorgte Bürger nicht so rasch zu einer solchen, nicht gerade billigen Maßnahme entschließen würden. 

Tatsächlich scheint diese Annahme unwahrscheinlich, denn handle es sich um eine Einwohnerinitiative, würde diese wohl kaum anonym geschaltet werden. Bleibt noch die Möglichkeit, dass die Anzeigen Lapid und Gantz zuzuschreiben sind. So könnten die beiden Spitzenpolitiker erklären, sie würden sich dem Willen des Volkes beugen und müssten ihr Dasein nicht auf der Oppositionsbank fristen. 

Wunschvorstellung nach den Wahlen

Vor einigen Tagen hat der bekannte israelische Meinungsforscher Manu Geva in Zusammenarbeit mit iPanel eine landesweite Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, welche Kabinettszusammensetzung sich die Israelis wünschen, jetzt, da die Wahlergebnisse feststehen. 44 Prozent der Befragten sprachen sich für eine große Koalition aus, nur 37 Prozent bevorzugten eine Regierung des rechten Bündnisses. Im Kreis der befragten Netanjahu-Gegner sprachen sich 76 Prozent für den Eintritt von Lapid und Gantz in eine große Koalition aus. 

Dass es wohl trotzdem nicht zu einer Einheitsregierung der politischen Mitte kommen wird, liegt nicht zuletzt am tiefen Misstrauen, das die diversen Fraktionsführer einander entgegenbringen.

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