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Gibt es eine Vergewaltigungskultur?

wettig-aegypten„Der Titel war gewagt: ‚Nach Köln: Bringen die Flüchtlinge eine Vergewaltigungskultur mit?‘ Das hatte sich die Agentur so ausgedacht und ausgeführt: ‚Dieser Text soll (…) sich der Frage widmen, ob ein Zusammenhang zwischen bestimmten kulturellen/religiösen Hintergründen und sexualisierter Gewalt gegen Frauen existiert.‘ Dazu sollte ich einen Text für das Online-Portal der ‚Bundeszentrale für politische Bildung‘ schreiben. Natürlich ging die Agentur davon aus, dass ich die Eingangsfrage verneine. Ein Freund riet mir, den Auftrag abzusagen. ‚Wie willst du das denn verneinen?‘ Ganz einfach: Es ist keine Vergewaltigungskultur, sondern Vergewaltigungspolitik. ‚Aber willst du wirklich schreiben, dass es keinen Zusammenhang mit dem Islam gibt?‘ Nein, aber das können sie auch unmöglich von mir erwarten. Sie wissen doch, was ich dazu schon geschrieben habe. (…)

Erst als nach dem ‚arabischen Frühling‘ 2011 breit über sexuelle Gewalt auf Demonstrationen in Ägypten diskutiert wurde, sahen auch arabische Feministinnen die politische Dimension. Der Zusammenhang war nun offensichtlich: In den Moscheen predigten Islamisten, Frauen gingen nur auf Demos, um vergewaltigt zu werden. Viele Demonstrantinnen erkannten in dem Mob, aus dem heraus sie gezielt begrabscht wurden, Anhänger der Muslimbrüder. Darüber hatte ich schon oft geschrieben und nun schrieb ich es also auch für die ‚Bundeszentrale für politische Bildung‘ – mit Zitaten, Namen und Ortsangaben. Lange erhielt ich keine Antwort. Zwei Monate später kam die Absage: Qualitätskriterien nicht erfüllt. Nachbesserung zwecklos. Wieder und wieder las ich die E-Mail, dann den ursprünglichen Auftrag und meinen Artikel. Ich hatte den Auftrag exakt abgearbeitet. Ich hatte mich mit rassistischen Orientbildern auseinandergesetzt und die Kulturthese abgelehnt. ‚Habe ich dir doch gesagt‘, sagte mein Freund. ‚Das wollen sie nicht hören.‘“

(Hannah Wettig: „Über den Mythos vom fremden Vergewaltiger“)

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