„Die Ermunterung zur bedenkenlosen Gewaltanwendung, das Gerede von ‚Märtyrertum‘ und die tatsächliche Terrorbedrohung sind das eine. Aber es gibt einen weiteren Aspekt, den Mord an dem Botschafter nicht bloß als bedauerlichen Einzelfall erscheinen lassen, sondern als – unbeabsichtigtes – Produkt einer systematischen Fehlsteuerung: die ideologische Verfassung vieler Polizisten. So eröffneten die Parolen, die türkische Polizisten an Häuserwänden in umkämpften kurdischen Städten hinterließen, oder ihre martialischen Siegesfeiern tiefe Einblicke in die Gesinnung, die im Polizeiapparat weit verbreitetet ist: nationalistisch, islamistisch, militaristisch.
Dass viele Polizisten anfällig für autoritäre Weltbilder sind, ist nicht bloß ein türkisches Phänomen. Aber nicht überall können sie sich damit in Übereinstimmung mit der politischen Führung wähnen. Mit „Allahu-akbar“-Rufen stürmten schon bei den Gezi-Protesten die Polizisten auf Demonstranten; ‚Allahu-akbar‘ riefen Polizisten in Cizre der kurdischen Bevölkerung zu, die sie zudem als „Armenier“ beschimpften. ‚Allahu-akbar‘ rief der Attentäter – und zitierte eine Parole von al-Nusra, dem syrischen Al-Qaida-Ableger, zu dem die türkische Regierung ein nicht ganz klares Verhältnis hat.‘ (Deniz Yücel: „Extremisten in türkischer Polizeiuniform“)