Chinas Engagement im Nahen Osten ist Teil eines umfassenderen Planes zur Errichtung einer post-westlichen Weltordnung.
Von Israel Kasnett
Das Treffen von Präsident Xi Jinping mit dem Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, vor zwei Wochen in Peking war ein Zeichen dafür, dass China das von den Vereinigten Staaten hinterlassene Vakuum im Nahen Osten füllen will. Das Treffen fand statt, nachdem Xi bereits im April sein Interesse an der Förderung von Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern bekundet hatte. Dabei hatte Xi sich mit Abbas in Saudi-Arabien getroffen und erklärt, Peking werde sich weiterhin für eine »baldige, gerechte und dauerhafte Lösung der Palästinenserfrage« einsetzen.
Bei einem Besuch in Riad im Dezember hatte Xi das Interesse seines Landes übermittelt, zur Lösung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran beizutragen. Darauf folgten fünftägige intensive Gespräche im März in Peking, die zu einer Einigung führten. Dieser Erfolg hat China ermutigt, weitere Friedensabkommen im Nahen Osten anzustreben.
Carice Witte, Gründerin und Geschäftsführerin von SIGNAL-Sino Israel Global Network and Academic Leadership, erklärte gegenüber dem Jewish News Syndicate, dass Peking zwar mit dem Iran und Saudi-Arabien ein erster Erfolg gelungen ist, doch dürfte das nur ein Vorgeschmack auf die Schwierigkeiten sein, die Chinas Zugang zum Nahen Osten für Israel zur Folge haben könnte.
Es gebe zwei Schlüsselfaktoren dafür, dass Chinas Engagement ein Problem für Israel darstelle, sagte Witte. Der erste, so Witte, »ist Chinas Ziel, den Konflikt im Rahmen seiner neuen ›Globalen Sicherheitsinitiative‹ (GSI) anzugehen, die als Pfeiler seiner diplomatischen Bemühungen in der Region dient.«
Bebsichtigte Internationalisierung
Die zweite Herausforderung für Israel, so Witte, »ist Chinas erklärte Absicht, den Konflikt vor die UNO und die internationale Gemeinschaft zu bringen, damit er dort behandelt wird. China treibt diese Agenda voran, obwohl es sich bewusst ist, dass die UNO gegenüber Israel voreingenommen ist und dass Peking selbst in allen internationalen Gremien bis heute zu 100 Prozent gegen Israel gestimmt hat.«
Laut Witte war Chinas politische Elite bis vor kurzem überzeugt, dass sie »den Nahen Osten nicht verstehe und habe ihn als einen Sumpf bezeichnet, der Großmächte verschlinge, wobei China nicht in diese Falle tappen werde. Nichtsdestotrotz wurde China 2016 zum größten Investor in dieser Region – und ist es geblieben.«
Nach dem Annäherungsabkommen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran könnte Xi das Gefühl haben, dass er auf dem Höhepunkt seines diplomatischen Könnens ist, und auf diesem Momentum aufbauen wollen. Er will weiter in den Nahen Osten vordringen und weiß, dass die Palästinenserfrage ein guter Weg ist, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen.
Noch nie dagewesene Veränderungen
»Angesichts der beispiellosen Veränderungen in der Welt und der neuen Entwicklungen im Nahen Osten ist China bereit, die Koordinierung und Zusammenarbeit mit Palästina zu verstärken und sich für eine umfassende, gerechte und dauerhafte Lösung der palästinensischen Frage zu einem frühen Zeitpunkt einzusetzen«, sagte Xi zu Abbas, wie der staatliche chinesische Nachrichtensender CGTN berichtete.
Abbas und Xi unterzeichneten Dokumente zur bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Technologie und Visumbefreiung für Diplomaten sowie ein Freundschaftsabkommen zwischen der chinesischen Stadt Wuhan und Ramallah.
Aber nicht nur Xi ist der Meinung, dass Peking ein besserer Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern wäre als Washington. Eine Mehrheit der Palästinenser sieht China und Russland als potenziell wirksame Vermittler für Friedensgespräche mit Israel an, wie eine aktuelle Umfrage ergab.
Die von YouGov im Mai im Auftrag von Arab News durchgeführte Umfrage ergab, dass der bevorzugte Friedensvermittler der Palästinenser Russland ist, dicht gefolgt von der Europäischen Union und China, während die USA bei den Befragten alles andere als beliebt sind. Die Tatsache, dass die USA ein starker Befürworter der palästinensischen Menschenrechte sind, spielt dabei keine Rolle. Einem AP-Bericht zufolge gaben Xi und Abbas eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie »Pekings Innen- und Außenpolitik unterstützen und westliche Konzepte der Menschenrechte ablehnen«.
Während die Palästinenser jedes Mal zu den Vereinten Nationen laufen, wenn sie der Meinung sind, dass Israel muslimische Empfindlichkeiten verletzt hat, zeigte Abbas kein Interesse am Schutz der in China lebenden Muslime. In der Erklärung wiederholte die Palästinensische Autonomiebehörde die chinesische Propaganda und erklärte, Chinas Politik gegenüber den Muslimen in Xinjiang habe »nichts mit den Menschenrechten zu tun, sondern zielt darauf ab, Extremismus zu bekämpfen und Terrorismus und Separatismus zu bekämpfen«.
Neugestaltung der globalen Ordnung
Witte erklärte gegenüber dem JNS, China habe inzwischen mehrere Interessen im Nahen Osten und wolle die Region nutzen, um die globale Ordnung umzugestalten, so etwa durch die Einbindung seiner Reihe von Initiativen, die auf diese Aufgabe abzielen: die GSI, die »Globale Entwicklungsinitiative« (GDI) und die »Globale Zivilisationsinitiative« (GCI) – die jeweils verschiedene Aspekte der derzeitigen globalen Ordnung in Frage stellen. Damit will China das Image der USA als Supermacht untergraben, das amerikanische Versagen im Irak, im Jemen, in Afghanistan und in Syrien aufzeigen und demonstrieren, dass es einen besseren Ansatz für Diplomatie, Sicherheit und Entwicklung hat. (…)
Peking hat Witte zufolge bisher aber noch keine Zusagen an Abbas gemacht, und da es relativ enge diplomatische Beziehungen zu Israel unterhält, ist unwahrscheinlich, dass es Israel über einen Vermittlungsvorschlag hinaus drängen wird. Israel seinerseits hat kein Interesse daran, China die Vermittlung von Friedensgesprächen zu überlassen, da dieses in der UNO stets gegen Israel stimmt und der jüdische Staat die Vereinigten Staaten weiterhin als einzigen möglichen Vermittler betrachtet.
Efraim Inbar, Präsident des Jerusalemer Instituts für Strategie und Sicherheit, erklärte gegenüber dem JNS, China zeige in seiner Außenpolitik eine anti-israelische Gesinnung und wolle nun eine strategische Partnerschaft mit einem unbedeutenden Gebilde wie der PA eingehen.
Chinas wachsende Beziehung zum Iran zeige, dass seine Absichten nicht zum Vorteil Israels seien. Er bezweifelt aber, dass Chinas Avancen an die PA von großer Substanz seien. »Das Papier mit der Palästinensischen Autonomiebehörde ist wertlos, da die Chinesen keine wirklichen Investitionen in die Palästinensische Autonomiebehörde tätigen und auch nicht die Absicht haben, Geld in die PA, einen scheiternden Staat, zu investieren«, so Inbar.
Letztendlich besteht Chinas Ziel darin, die USA als einzige Supermacht im Nahen Osten ablösen. Laut dem in Paris ansässigen Institut für Sicherheitsstudien der Europäischen Union ist die GSI »wie die Gürtel- und Straßeninitiative (BRI), die GDI und die GCI ein Label, unter dem China eine Reihe von diplomatischen Initiativen fördern wird. Durch sie hofft China, eine Koalition befreundeter Länder zu vergrößern und letztlich eine post-westliche Sicherheitsordnung zu gestalten, in der auch Russland eine zentrale Rolle spielen könnte.«
(Die Analyse ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)