Die Wiederaufnahme Syriens in die wichtigste arabische Organisation wirft nicht nur viele Fragen auf, sondern ist auch mit etlichen Bedingungen verknüpft, die der syrische Präsident wohl kaum erfüllen wird.
Nach zwölf Jahren haben die arabischen Länder Damaskus wieder in die Arabische Liga, die wichtigste regionale Organisation dieser Staaten, aufgenommen, nachdem viele davon sich bereits zuvor immer weiter an das syrische Regime angenähert hatten. Diese Rückkehr wirft jedoch mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert, insbesondere was die Auswirkungen auf den Bürgerkrieg und den politischen Prozess in Syrien betrifft, und was sie für die Region bedeutet.
Die Arabische Liga gab am Sonntag in einer offiziellen Erklärung bekannt, dass sie beschlossen habe, die Mitgliedschaft Syriens wiederherzustellen und das Land wieder an den Sitzungen des Rats der Liga teilnehmen zu lassen. So dürften, »syrische Regierungsdelegationen ab dem 7. Mai 2023 wieder an den Sitzungen der Liga und aller ihr angeschlossenen Organisationen und Einrichtungen teilnehmen«. In ihrer Erklärung forderte die Arabische Liga die Bildung eines Ministerkomitees, bestehend aus Vertretern Jordaniens, Saudi-Arabiens, des Irak, des Libanon, Ägyptens sowie dem Generalsekretär der Arabischen Liga, um den direkten Dialog mit Damaskus fortzusetzen und eine umfassende Lösung für die politische Krise in Syrien zu finden, die alle Gründe und Konsequenzen dieser Krise miteinbezieht.
Der saudische Fernsehsender Al-Arabiya präzisierte, die Rückkehr Syriens sei an Bedingungen geknüpft, zu denen gehöre, dass das syrische Regime Maßnahmen gegen den Drogenschmuggel von seinem Hoheitsgebiet aus ergreift; dass es Schritte zur Lösung der Flüchtlingskrise in den Nachbarländern, vor alle, Jordanien und Libanon, unternimmt; und dass es einen arabischen Weg für eine politische Lösung der Syrienkrise einleitet.
Obwohl diese Bedingungen in der kurzen Zeit seit Veröffentlichung der Erklärung natürlich nicht auch nur annähernd erfüllt werden konnten, hat Saudi-Arabien dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eine offizielle Einladung zum nächsten arabischen Gipfeltreffen am 19. Mai in Dschidda geschickt. Damit wird Syrien zum ersten Mal seit der im Jahr 2011 als Reaktion auf die damalige Unterdrückung friedlicher Proteste erfolgten Aussetzung seiner Mitgliedschaft in der Arabischen Liga an so einer Sitzung teilnehmen.
Die Rückkehr Syriens in die Organisation erfolgte, nachdem einer Reihe der wichtigen arabischen Ländern sich in den vergangenen Monaten wieder an Syrien angenähert hatte: insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate, das Golfkönigreich Saudi-Arabien, die nordafrikanischen Staaten Ägypten und Tunesien sowie Syriens Nachbarland Jordanien. Die Golfstaaten hoffen vor allem, dass diese positiven Schritte Assad von seinem wichtigsten Verbündeten, dem Iran, distanzieren werden.
Regionale und internationale Bedenken
Bei den Gegnern des syrischen Regimes stieß die arabische Wiederannäherung an Damaskus jedoch auf Kritik. So bewertet etwa Laila al-Kik, Direktorin der Syria Campaign, einer gemeinnützigen Organisation, die zivilgesellschaftliche Organisationen in Syrien unterstützt, den Schritt der Arabischen Liga dahingehend, dass die arabischen Länder damit beschlossen hätten, »ihre Interessen und ihre diplomatische Agenda über die einfachsten humanitären Bedürfnisse zu stellen. Mit ihrer Entscheidung, das syrische Regime wieder in die Arabische Liga aufzunehmen, haben die Mitgliedsstaaten Zehntausende Opfer des Regimes verraten und Assad grünes Licht gegeben, ungestraft grausame Verbrechen zu begehen.«
Auf internationaler Ebene kritisierte Washington am vergangenen Sonntag die Entscheidung der Liga mit den Worten, dass Syrien »diesen Schritt nicht verdient«, und dass die USA »den Willen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad infrage stellen, die aus dem seit 2011 andauernden Bürgerkrieg resultierende Krise zu lösen«.
In diesem Zusammenhang erklärte der amerikanische Politologe Richard Weitz gegenüber der Website des Fernsehsenders Al-Hurra TV, die Rückkehr Syriens könne als Teil »des derzeit vorherrschenden Musters im Nahen Osten verstanden werden, wo der Einfluss der Vereinigten Staaten schwächer zu werden scheint. Mit dem, was derzeit in der Region geschieht, mit der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran und der Stärkung der Beziehungen einiger Länder zu China, scheinen die Vereinigten Staaten im Nahen Osten weniger involviert zu sein als in der Vergangenheit.«
Der jordanische geopolitische Analyst Amer al-Sabaileh erklärte, die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga werde nicht ohne Preis sein, da Damaskus sich zu einem Paket politischer und sicherheitspolitischer Entscheidungen verpflichte, insbesondere zur Rückkehr der Flüchtlinge und zur Kontrolle des Drogenhandels auf syrischem Gebiet.
In den letzten zehn Jahren hat sich Syrien zu einem wichtigen Land für den Export von Drogen entwickelt, insbesondere von Amphetaminen wie Captagon, die über Syrien nach Jordanien und Saudi-Arabien gelangen. Die Herstellung der illegalen, leistungssteigernden Substanzen sind zu einer Lebensader für die syrische Wirtschaft und zu einem großen Problem für die Nachbarländer geworden.
Charles Lister, Senior Fellow am Middle East Institute in Washington, spielte die Auswirkungen der Rückkehr Syriens in die Arabische Liga auf die Beziehungen zu den arabischen Ländern herunter und meint, er glaube nicht, »dass wir mehr als einen rein politischen Kontakt zwischen diesen Ländern und Damaskus erleben werden. Wir werden sicherlich nicht erleben, dass es zu einer größeren Tätigung von Investitionen in Syrien kommt, da dies ohne die diplomatische und wirtschaftliche Unterstützung des Westens nicht möglich sein wird.« Und solche eine Unterstützung stehe »überhaupt nicht zur Debatte.«