Während der Großteil der Israelis Trump seiner Kontrahentin Harris vorzieht, könnte vor allem die mögliche Russlandpolitik des neugewählten US-Präsidenten den Sicherheitsinteressen Jerusalems zuwiderlaufen.
Gestern gegen halb zwölf Uhr mittags Wiener Zeit wurde die Nachricht veröffentlicht dass Donald Trump bei den US-Wahlen soeben insgesamt 277 Wahlmänner und damit die notwendige Mehrheit für sich gewinnen konnte, um als nächster amerikanischer Präsident angelobt zu werden.
Wie Umfragen in den vergangenen Tagen zeigten, wird dieser Wahlsieg des republikanischen Kandidaten über seine demokratische Kontrahentin von einer Mehrheit der Israelis begrüßt. Laut dem israelischen TV-Sender Channel 12 bevorzugten zwei Drittel Trump, während sich nur siebzehn Prozent für die aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris aussprachen. Unter jüdischen Israelis ist dieser Trend noch eindeutiger: Wie eine Umfrage des Viterbi Family Center for Public Opinion and Policy Research ergab, votierten 72 Prozent der Befragten für Trump und nur elf Prozent für Harris.
Neben dem antisemitischen linken Parteiflügel, dem sogenannten Squad, ist es hauptsächlich die von vielen Israelis als unzulänglich empfundene Unterstützung der Biden-Administration für Israels Kriegsführung im Gazastreifen, die zu dem schlechten Ansehen der demokratischen Kandidatin geführt hat.
So sprach etwa Israels Premierminister Benjamin Netanjahu im Juni davon, dass die amerikanischen Waffenlieferungen an die israelischen Streitkräfte stark zurückgegangen seien und Washington seine Militärhilfe zurückhalte. Und es waren Präsident Biden und Vizepräsidentin Harris, die Israel davon abhalten wollten, nach Rafah im Süden des Gazastreifens vorzustoßen, wo israelische Truppen im Oktober dann Hamas-Führer Yahya Sinwar eliminieren konnten.
Donald Trump hingegen ist im israelischen Gedächtnis mit der Anerkennung der Souveränität über den Golan, der Verlegung der US-Botschaft in die Hauptstadt Jerusalem oder der »Politik des maximalen Drucks« auf den Iran verankert – und nicht zuletzt mit dem Abschluss der Abraham-Abkommen, die Israel Frieden mit Marokko, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten brachten.
Doch gerade diese Abraham-Abkommen könnten laut Eytan Gilboa vom Jerusalem Institute for Strategy and Security dazu führen, dass die Politik eines zukünftigen Präsidenten Trump gegenüber Israel konfrontativer sein wird als sie es bisher war. So meint Gilboa, dass Trump sich in einer zweiten Amtszeit wahrscheinlich »anders verhalten würde als in seiner ersten«. Trump wolle eine Erweiterung der Abraham-Abkommen, was Zugeständnisse von Israel erfordern würde, denn insbesondere die Saudis hatten erklärt, dass ein Normalisierungsabkommen mit Israel nicht ohne eine Bewegung in Richtung eines palästinensischen Staates zustande kommen könne, die derzeit so gut wie niemand in Israel will, weil sie als Belohnung für den Terror angesehen wird.
Bedrohung durch Russlandpolitik
Doch die größte Bedrohung für Israel erwächst – neben der Unberechenbarkeit und Wankelmütigkeit Trumps, der Israels Premierminister sofort ein herzhaftes »Fuck him« ausrichten ließ, sobald er diesen als nicht dankbar und loyal genug erachtete – wohl aus der angekündigten Politik gegenüber Russland und Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine.
So hat Donald Trump Kyiv in der Vergangenheit immer wieder dafür kritisiert, dass es kein Abkommen mit Moskau schließe, und sei es »der schlechteste Deal«, der immer noch besser wäre als die momentane Situation. »Wir geben weiterhin Milliarden von Dollar an einen Mann, der sich weigert, einen Deal zu machen«, wetterte Trump etwa bei einem Wahlkampfauftritt unter Bezug auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dementsprechend erklärte er nicht nur wiederholt, innerhalb von »24 Stunden« ein Ende des Konflikts aushandeln zu können, zöge er wieder ins Weiße Haus ein, sondern drohte auch damit, in diesem Fall die US-Hilfe für Kyiv zu kürzen.
Wie die Financial Times am 28. Oktober unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld des Trump-Teams meldete, plant der neugewählte US-Präsident den Krieg Russlands in der Ukraine zu beenden, indem er ihn einfriert. Dabei deuten einige Berichte und Aussagen aus Trumps engstem Umfeld darauf hin, dies könnte bedeuten, die Ukraine unter Druck zu setzen, Gebiete abzutreten oder ihre NATO-Bestrebungen aufzugeben.
Solch eine Stärkung Russlands würde Putin nicht nur einen – zumindest – Teilsieg in der Ukraine verschaffen, sondern nähme auch militärischen Druck von Moskau, das seine so freiwerdenden Kapazitäten anschließend anderweitig einsetzen könnte. Betrachtet man die sich herausbildende »antiwestliche Querfront«, einer aus Russland, China und der Islamischen Republik Iran bestehenden Achse, so kann man erahnen, was solch ein US-Appeasement gegenüber Moskau für Jerusalem bedeuten könnte.
Dann würde der jüdische Staat demnächst vielleicht nicht nur von russischen Raketen aus dem Jemen beschossen werden, sondern der Israel mit Vernichtung drohende Iran könnte sein Atomprogramm mit jenem Nuklearwissen vorantreiben, das ein sich erstarkt fühlendes Russland umso selbstbewusster mit ihm teilen könnte. Jeder Druck, der von Russland genommen wird, bedeutet einen möglichen Aufschwung für die sogenannte »Achse des Widerstands« – und jede diesbezügliche Schwächung Amerikas liegt nicht im Interesse Israels.