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Warum verbreitet die Kleine Zeitung eine israelfeindliche Verschwörungstheorie?

Sehr geehrter Herr Sotill,

in Ihrem Beitrag „Wer ist ein Jude?“ in der heutigen Kleinen Zeitung schreiben Sie, „viele Araber“ hegten die „Befürchtung“, die zwei blauen Streifen auf der israelischen Flagge würden „den Nil und den Euphrat“ symbolisieren. „So weit hoff(e) Israel sich ausbreiten zu können.“ Das sei „mitnichten“ eine „wahnwitzige Interpretation“, meinen Sie, und berufen sich zur Begründung auf die Aussage eines Juden, der glaubt, „dass die beiden Streifen die beiden großen Flüsse als Grenzen darstellen“, auch wenn das „vorerst einmal nur eine Vision ist.“ Selbst wenn es Ihnen gelungen ist, eine jüdische Stimme als Beleg anzuführen, bleibt die Behauptung allerdings eine wahnwitzige Interpretation. Tatsächlich haben die blauen Streifen nichts mit Geographie zu tun, sondern symbolisieren den traditionellen jüdischen Gebetsschal. Selbst eine simple Suche auf Wikipedia hätte diese einfache Erklärung zu Tage gefördert – dort hätten Sie sich auch über die vom-Nil-bis-zum-Euphrat-Legende kundig machen können.

israelische-flagge

Warum entschieden Sie sich, Ihren Lesern den wahren Hintergrund der Flagge völlig zu verschweigen und ihnen stattdessen eine Unwahrheit aufzutischen, die nur dazu dient, dem jüdischen Staat aggressive Expansionsbegehren zu unterstellen? (Nebenbei bemerkt: Welche antisemitische Verschwörungstheorie kann sich nicht auch auf jüdische Kronzeugen berufen?)

Unzutreffend ist darüber hinaus die Behauptung, die „ungeklärte Frage ‚Wer ist ein Jude?‘“ sei dafür verantwortlich, dass Israel „noch immer keine Verfassung hat, in der auch die Landesgrenzen definiert werden.“ Tatsächlich verfügt der jüdische Staat formell nicht über eine Verfassung, sehr wohl aber über Grundgesetze, die de facto im Verfassungsrang stehen. Die Frage der Grenzen hat damit allerdings wenig zu tun: Dass Israel über keine allgemein anerkannten Grenzen verfügt, ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die arabischen Staaten – mit Ausnahme von Ägypten und Jordanien – sich bis heute weigern, solche Grenzen anzuerkennen, weil sie sich nach wie vor im Kriegszustand mit dem jüdischen Staat befinden und ihm jede Legitimation absprechen. Eine Anerkennung von Grenzen betrachten sie als Anerkennung des Staates Israel, mit dem sie noch immer keinen Frieden schließen wollen.

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch – Der unabhängige Nahost-Thinktank

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