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Warum der Iran die Straße von Hormus nicht sperrt

Die Sperrung der Straße von Hormus blieb bislang ein leere Drohung des Iran
Die Sperrung der Straße von Hormus blieb bislang ein leere Drohung des Iran (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Nachdem der Iran mit einem solchen Schritt China, seinem Hauptabnehmer von Erdöl, schaden würde, setzt ihn die sich ohnehin in einer schweren Krise befindliche Islamische Republik nicht um.

Elai Rettig

Trotz der intensiven zwölftägigen militärischen Konfrontation zwischen Israel und dem Iran blieben die globalen Ölmärkte in den letzten Wochen bemerkenswert ruhig. Die Preise schwankten nur geringfügig und stiegen kurzzeitig von 68 auf 77 Dollar pro Barrel, bevor sie zügig wieder auf das Vorkriegsniveau fielen. Selbst, wenn das Worst-Case-Szenario eingetreten wäre und der Iran die wichtige Straße von Hormus blockiert hätte, durch die täglich etwa zwanzig Millionen Barrel Öl transportiert werden, prognostizierten große Banken und Analysten wie J. P. Morgan und Goldman Sachs einen Ölpreis von maximal 120 Dollar pro Barrel, der bis Ende des heurigen Jahres wieder auf unter 70 Dollar gefallen wäre.

Diese Einschätzungen stehen in krassem Gegensatz zu den Prognosen von vor drei Jahren, als ein ähnliches Szenario die Preise auf bis zu 250 pro Barrel getrieben hätte. Warum haben die Märkte diesmal so anders reagiert?

Alternativen zu Hormus

Die globalen Ölmärkte profitieren derzeit von einem erheblichen Überangebot, das die Ölpreise selbst unter extremen Szenarien niedrig hält. Trotz aller geopolitischen Mystik, die den Markt umgibt, werden die Ölpreise durch das wirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage bestimmt. Sind die Märkte gesättigt, haben selbst schwerwiegende geopolitische Spannungen in kritischen Regionen wie dem Nahen Osten nur begrenzten Einfluss auf die Preise.

Eine historische Parallele wäre der Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988, in dem beide Länder die Ölinfrastruktur und Tanker der Gegenseite angriffen und der Iran sogar versuchte, die Straße von Hormus zu blockieren. Trotz dieser Turbulenzen sanken die Ölpreise in diesen Jahren, gestützt durch eine erhöhte Produktion der Nicht-OPEC-Länder, insbesondere der damaligen Sowjetunion, und durch eine sinkende Nachfrage der westlichen Nationen, die bereits dabei waren, von Öl auf Kernkraft und Kohle als Hauptbrennstoff für die Stromerzeugung umzusteigen.

Eine ähnliche Dynamik ist heute zu beobachten. Die robuste Ölproduktion in Russland und den Vereinigten Staaten in Verbindung mit einer stagnierenden Nachfrage aus China durch die Fortschritte bei Elektrofahrzeugen und erneuerbaren Energiequellen hat das weltweite Angebot hochgehalten.

Die Ankündigung der OPEC+-Mitglieder, die Ölförderung trotz sinkender Preise weiter zu steigern, hat die allgemeine Einschätzung, dass der Markt mit überschüssigem Öl überschwemmt ist, weiter verstärkt. Laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur vom Juni wird die Ölförderkapazität bis zum Jahr 2030 das Nachfragewachstum deutlich übersteigen, was zu Prognosen führt, dass die Ölpreise in den nächsten fünf Jahren relativ niedrig bleiben werden.

Ein zweiter wichtiger Faktor, der die Märkte beruhigte, war das Vorhandensein alternativer Öllieferanten und logistischer Optionen für den Fall einer Unterbrechung der Lieferungen durch die Straße von Hormus. In Erwartung einer möglichen Blockade durch den Iran versicherten die Vereinigten Staaten, ihre strategischen Ölreserven rasch auf den Weltmarkt zu bringen, um die Preise zu senken.

Direkte Transporte

Darüber hinaus haben Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate bereits Notfallpläne entwickelt, um die Straße von Hormus durch strategische Pipeline-Infrastrukturen zu umgehen und so den Öltransport auch bei einer Blockade der Meerenge sicherzustellen. Die Ost-West-Pipeline Saudi-Arabiens mit einer Kapazität von sieben Millionen Barrel pro Tag ermöglicht Transporte direkt zum Roten Meer. Die Vereinigten Arabischen Emirate unterhalten eine Pipeline zu ihrer Küstenstadt Fujairah, welche die Straße von Hormus umgeht und etwa die Hälfte ihrer Exporte direkt auf die andere Seite der Meerenge umleitet. Diese Lösungen sind zwar nicht unkompliziert, bieten den Märkten jedoch ausreichende Sicherheit.

Weiters haben Länder, die über keine solche Infrastruktur verfügen, insbesondere der Irak, Kuwait und Katar, begonnen, den Wert alternativer Exportrouten unter Umgehung der Straße von Hormus zu erkennen. Seit mehr als einem Jahrzehnt bemüht sich der Irak um den Bau einer Ölpipeline zum Hafen von Aqaba in Jordanien, um die Meerenge zu umgehen.

Vor Kurzem hat auch Katar erwogen, den Regimewechsel in Syrien zu nutzen, um Pipelines zum östlichen Mittelmeer oder in die Türkei zu verlegen, um dieselbe Widerstandsfähigkeit wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu erreichen. Obwohl solche Projekte noch lange nicht realisiert sind, dürften die jüngsten Unruhen die Stimmen verstärken, die ihre Realisierung fordern.

Schuss ins eigene Knie

Geopolitische Überlegungen hinsichtlich der Reaktion Chinas auf mögliche Störungen in der Straße von Hormus haben ebenfalls die Marktstimmung beeinflusst. China ist der Hauptabnehmer für fünfundvierzig Prozent des durch die Straße von Hormus transportierten Öls. Rund neunzig Prozent der iranischen Ölexporte gehen nach China, in der Regel zu einem reduzierten Preis von etwa 3,50 Dollar pro Barrel und werden über sogenannte Schattenflotten verschifft, die den Oman bzw. Malaysia passieren, um ihre Herkunft zu verschleiern.

Im Falle einer Blockade der Straße von Hormus wäre China am stärksten davon betroffen und würde aller Voraussicht nach Druck auf den Iran ausüben, sie einzustellen. Sollten die Unterbrechungen anhalten, würde China wahrscheinlich nach alternativen Lieferanten wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und sogar den Vereinigten Staaten suchen, was die iranische Wirtschaft weiter schwächen würde.

Folglich würde der Iran durch die Verhängung einer Blockade sich selbst als unzuverlässigen Lieferanten darstellen, damit seinem wichtigsten Verbündeten schaden und so die strategische Logik eines solchen Schrittes weiter untergraben.

Mit Blick auf die Zukunft wird China versuchen, seine Anfälligkeit für Störungen in der Golfregion zu verringern, indem es seine Ölimporte von stabileren Lieferanten wie Russland, Venezuela und verschiedenen afrikanischen Ländern diversifiziert.

Darüber hinaus wird trotz der damit verbundenen geopolitischen Komplexität die regionale Zusammenarbeit bei der Entwicklung alternativer Transitrouten immer attraktiver. Projekte wie der India-Middle East-Europe Economic Corridor (IMEC), an dem auch Israel beteiligt ist, haben das Potenzial, die regionale Energielogistik erheblich zu verändern. Damit solche Projekte jedoch erfolgreich sein können, muss Israel die diplomatische Normalisierung mit Saudi-Arabien vorantreiben, die Beziehungen zu Jordanien verbessern und nachhaltige Lösungen für Konflikte wie den anhaltenden Krieg im Gazastreifen finden.

Letztendlich unterstreicht die begrenzte Reaktion der Ölmärkte auf den jüngsten Konflikt zwischen Israel und dem Iran eine neue Realität: Das geopolitische Risiko in wichtigen Energiekorridoren bleibt zwar erheblich, aber seine Fähigkeit, die globalen Märkte drastisch zu stören, hat abgenommen, was strukturelle Veränderungen in der Versorgungsdynamik, alternativen Infrastrukturen und geopolitischen Allianzen widerspiegelt.

Elai Rettig ist Assistenzprofessor am Institut für Politikwissenschaft und Senior Research Fellow am Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan-Universität. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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