Ein Kriegseintritt an der Seite des Irans lag nicht im Interesse jener pro-iranischen bewaffneten Organisationen, die ihre Möglichkeiten einer zukünftigen Einflussnahme im Irak nicht verspielen möchten.
Während des zwölf Tage dauernden israelischen Kriegs gegen das iranische Atomprogramms gaben mit Teheran verbundene irakische Milizen wiederholt Drohungen von sich, insbesondere nachdem die Vereinigten Staaten sich mit ihrem Angriff auf die Urananreicherungsanlage Fordo den israelischen Luftschlägen angeschlossen hatten. Diese Drohungen wurden jedoch trotz der schwierigen Lage des iranischen Regimes und der engen Verbindungen der schiitischen Milizen zu Teheran, insbesondere zur Revolutionsgarde, nicht in die Tat umgesetzt.
Einige irakische Fraktionen, allen voran Kata’ib Hisbollah und Asa’ib Ahl al-Haq, drohten mit einer harten Reaktion auf jede amerikanische Intervention in den Krieg, doch kam es nicht dazu, bis die Vereinigten Staaten am Montagabend den Waffenstillstand verkündeten. Was ist also passiert?
Bewaffnete Fraktionen
Die mit dem Iran verbundene Islamische Widerstandsbewegung im Irak umfasst vier große bewaffnete Fraktionen: Kata’ib Hisbollah, Harakat Hisbollah al-Nujaba, Kata’ib Sayyid al-Shuhada und Asa’ib Ahl al-Haq.
Darüber hinaus tauchen von Zeit zu Zeit Gruppen kleinerer Fraktionen auf, die sich seit der Tötung von Qassem Soleimani, dem Kommandeur der Quds-Einheit der Islamischen Revolutionsgarde, und Abu Mahdi al-Muhandi, stellvertretender Kommandeur der irakischen Volksmobilisierungseinheiten (Hashd al-Shaabi) zu Anschlägen auf amerikanische Einrichtungen und Streitkräfte im Irak im Jahr 2020 bekannt haben.
Kürzlich enthüllte der irakische Strategieexperte Alaa al-Nashou gegenüber dem TV-Sender al-Hurra, der Iran habe seine Milizen im Irak in den letzten Monaten mit Drohnen und ballistischen Raketen verschiedener Reichweiten, darunter Typ Shahab, Zolfaqar und Soumar, beliefert. Darüber hinaus berichtete die Website Missile Threat im April 2024, von einer Lieferung von Fateh-110-Raketen. Al-Hurra bestätigt außerdem die Präsenz der iranischen Shahid Aviation Industries Company im Irak. Das Unternehmen stellt die Drohnen Shahid 101 bzw. 136 in Fabriken her, die mit bewaffneten Gruppierungen in Verbindung stehen.
Mehrere Abmachungen
Trotz dieser engen Beziehungen zum Iran berichteten irakische Quellen am Montag gegenüber der katarischen Zeitung Al-Araby Al-Jadeed, dass die irakische Regierung Abmachungen mit mehreren bewaffneten Gruppierungen im Land getroffen habe, die dazu führten, dass diese aufgrund der eskalierenden regionalen Spannungen und des jüngsten US-Angriffs auf Ziele im Iran davon Abstand genommen haben, amerikanische Ziele im Irak anzugreifen.
Die Vereinbarungen seien durch nicht öffentlich gemachte Verhandlungen und Vermittlungsbemühungen unter der Leitung von hochrangigen Sicherheitsfunktionären sowie von prominenten politischen Führern des Koordinierungsrahmens – jener Koalition, die den Irak aktuell regiert –, zustande gekommen. Ziel war es, die Spannungen einzudämmen und zu verhindern, dass der Irak in den Konflikt zwischen Israel und dem Iran hineingezogen wird.
Die bewaffneten Gruppierungen haben sich aus drei Gründen zu der Vereinbarung mit der Regierung verpflichtet:
- Erstens würde jede Eskalation ein großes Risiko darstellen, für die der Irak angesichts seiner wirtschaftlichen und politischen Krisen einen hohen Preis zahlen müsste, den er sich nicht leisten kann.
- Zweitens wissen die Milizen, gegenüber den USA verwundbar zu sein, die ihre Standorte und ihre Führung kennen und sie angreifen und ihre militärischen Ressourcen dezimieren können.
- Drittens könnten solche amerikanische Angriffe auf die schiitischen Milizen den Einfluss der Schiiten im Irak insgesamt untergraben und damit den Einfluss des Irans im Irak schwächen. Dies könnte letztlich zur Entwaffnung der Gruppierungen führen und eine Verschiebung des politischen Systems im Irak zugunsten sunnitischer und kurdischer Kräfte bewirken.
Daher lag ein Kriegseintritt an der Seite des Irans weder im Interesse der irakischen bewaffneten Organisationen, die ihre Möglichkeiten einer zukünftigen Einflussnahme im Irak nicht verspielen möchten. Daher hielten sich die schiitischen Milizen an ihre Vereinbarung mit der irakischen Regierung.