Wenige Israelis glauben, dass es Breaking the Silence und B’Tselem wirklich um Menschenrechte geht. Viele vermuten, dass ihnen Menschenrechtsfragen lediglich als Vorwand dienen, um einer weltweiten Kampagne zur Dämonisierung Israels Material zu verschaffen. Dass ein deutscher Minister darauf bestand, diejenigen zu unterstützen, die in den Augen vieler einer Kampagne zuarbeiten, die den Juden das Selbstbestimmungsrecht abspricht, war so verblüffend, dass es eine Weile dauerte, bis der Groschen wirklich fiel. Dann aber fand Netanyahu für sein ungewöhnliches Vorgehen auch weit über seine Anhängerschaft hinaus Unterstützung. Viele vermuteten, der Minister habe gerade diese Organisationen besucht nicht obwohl, sondern gerade weil sie denen, die uns dämonisieren, so nützlich sind. Diese Vermutung schien sich im Laufe des Eklats zu erhärten. (…)
Dabei sollten wir festhalten, dass das Ganze mit selbstherrlicher und ausgesprochen herablassender Rhetorik einherging. Seinen eigenen Angaben zufolge half Gabriel uns, die Gefahren des – unseres – Nationalismus zu erkennen, und informierte uns über die Vorzüge ‚europäischer Werte’ und der Demokratie. Doch täuschte das makellos humanitäre Vokabular nicht darüber hinweg, dass sich hier etwas Sinistres zutrug, denn das Interesse des Ministers am bösartigen Nationalismus und an Menschenrechtsverletzungen schien selektiv zu sein. Fälle, in denen Israel die Verantwortung zugewiesen werden konnte, interessierten ihn offenbar mehr als andere. Organisationen, die palästinensische Verstöße gegen die Menschenrechte dokumentieren, wollte er nicht treffen, und seinen moralisierenden Ermahnungen gegen den jüdischen Nationalismus war von keinerlei Kritik am mörderischen und fremdenfeindlichen Nationalismus begleitet, den die Palästinenser gewohnheitsmäßig und institutionell in ihrer Bevölkerung und insbesondere in ihrer Jugend fördern. (In der Zwischenzeit hat Gabriel im Rahmen einer offiziellen Veranstaltung des Außenministeriums, die die Religion dem Anliegen des Friedens nutzbar machen sollte, einen führenden iranischen Kleriker empfangen, der zur Vernichtung Israels aufgerufen hat.) Wenn die ‚Lehren aus dem Holocaust’ nur dazu herhalten sollen – natürlich immer nur implizit und auf Umwegen – zu suggerieren, die ehemaligen Opfer seien nun die Schuldigen, um so Deutschlands moralische Schuld zu mindern, dann ist der palästinensische Antisemitismus natürlich nicht besonders dienlich.“ (Gadi Taub: „Human Rights and German-Israeli Relations After the Gabriel Affair“)