Von Khaled Abu Toameh
Es ist ein grundlegendes Missverständnis: Arabische Länder könnten dazu beitragen, Frieden im Nahen Osten zu erreichen, indem sie die Palästinenser überreden, oder eher unter Druck setzen, Israel Zugeständnisse zu machen. Die darin mitschwingenden Vorstellungen sind sowohl irreführend als auch unbegründet.
Vor kurzem haben Beamte in Israel und Washington begonnen, über einen „regionalen Ansatz“ zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu reden. Dabei würden so viele arabische Länder wie möglich direkt an den Bemühungen beteiligt, ein dauerhaftes und umfassendes Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern zu erzielen. Befürworter des „regionalen Ansatzes“ glauben, arabische Länder wie etwa Jordanien, Ägypten, der Libanon, Katar und Saudi-Arabien verfügten über ausreichend Druckmittel gegen die Palästinenser, um sie zur Annahme eines Friedensabkommens mit Israel zu bewegen.
Die Palästinenser jedoch wiesen den Plan schnell als eine weitere amerikanisch-israelisch-arabische „Verschwörung“ zur „Zerschlagung“ ihrer Sache sowie als Versuch, sie zur Annahme inakzeptabler Zugeständnisse zu zwingen, zurück. Unter „inakzeptablen Zugeständnissen“ verstehen sie vor allem die Anerkennung Israels als jüdischem Staat und die Aufgabe der Forderung nach einem „Rückkehrrecht“ für Millionen palästinensischer Flüchtlinge nach Israel.
Was die jüngste Vorstellung Washingtons und Israels außer Acht lässt, ist, dass Palästinenser ihren arabischen Brüdern einfach nicht trauen. Die Palästinenser halten die meisten arabischen Führer und Regimes für „Marionetten“ in den Händen der USA und ihrer „zionistischen“ Verbündeten. Schlimmer noch, viele Palästinenser beziehen sich auf die arabischen Führer und Regimes als die „wahren Feinde“ der Palästinenser. Lieber wäre es ihnen, Frankreich, Schweden, Norwegen und Belgien überwachten einen Friedensprozess mit Israel, statt irgendein arabisches Land.
Im Allgemeinen haben die Palästinenser mehr Vertrauen in westliche Staaten als in ihre arabischen Brüder. Deshalb besteht die von Mahmoud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde weiterhin auf einer internationalen Konferenz als bevorzugter Methode zur Erlangung des Friedens in der Region anstelle eines „regionalen Ansatzes“, der arabischen Ländern bei der Lösung des Konflikts eine größere Rolle zuordnen würde. Eine arabische Beteiligung an einem Friedensprozess mit Israel ist eigentlich das letzte, was Abbas und andere Palästinenser wollen.
Hani al-Masri, ein prominenter palästinensischer Politologe, bekräftigte diesen Zweifel hinsichtlich einer möglichen Rolle arabischer Staaten im Nahost-Friedensprozess. Er glaubt vielmehr, die Araber wollten Israel bei der „Zerschlagung“ der palästinensischen Sache unterstützen. Darüber hinaus prophezeite er, die jüngste Annäherung zwischen Israel und einigen arabischen Staaten würde „alle oppositionellen und dschihadistischen Gruppen”, die gegen die arabischen Regimes kämpfen, ermutigen. Nach Ansicht von al-Masri ist nicht einmal klar, ob die arabischen Staaten, und insbesondere Israels Nachbarn, überhaupt an einer „regionalen Lösung“ interessiert sind. Die Jordanier zum Beispiel sorgten sich, eine „regionale Lösung“ könnte die Idee vorantreiben, das haschemitische Königreich durch einen Palästinenserstaat zu ersetzen.
In diesem Sinne verurteilte der ehemalige jordanische Informationsminister Saleh al-Qallab die Diskussion über eine „Regionalkonferenz“ als „vergiftetes Geschenk und als Verschwörung“ gegen Jordanien und die Palästinenser. Die Ägypter ihrerseits sorgen sich, ein „regionaler Ansatz“ könnte die Abgabe von Teilen des Sinai an die Palästinenser im Gazastreifen bedeuten – in Ägypten eine äußerst unpopuläre Vorstellung. Die Ägypter haben guten Grund zur Sorge: Einige arabische Führer und Länder haben Interesse an dem Gedanken bekundet. Ebenso sorgen sich die Libanesen, dass eine „regionale Lösung“ ihr Land dazu zwingen könnte, Hunderttausenden im Land lebenden palästinensischen Flüchtlingen die volle Staatsbürgerschaft und gleiche Rechte zu gewähren. Die Libanesen träumen seit Jahrzehnten von dem Tag, da sie die palästinensischen Flüchtlingslager loswerden, die seit langem einer Apartheid und diskriminierenden Gesetzen unterliegen.
Ein weiterer Anrainerstaat, Syrien, ist zu beschäftigt mit seiner eigenen Implosion, um über einen Frieden zwischen den Palästinensern und Israel nachzudenken. Wann haben die Syrer zudem jemals Sorge um die Palästinenser zum Ausdruck gebracht? Seit Beginn des Bürgerkriegs vor fünf Jahren wurden über 3.400 Palästinenser getötet und Tausende verwundet. Darüber hinaus waren über 150.000 Palästinenser gezwungen, aus Syrien in benachbarte arabische Staaten oder nach Europa zu flüchten. Dem syrischen Regime sind schon die eigenen Leute egal, die täglich in großer Zahl massakriert werden. Wie sollte man von ihm erwarten, sich um die Palästinenser zu sorgen? Für Syrien wäre die Umsiedlung von Palästinensern und die Gewährung der vollen Staatsbürgerschaft und aller Rechte ein Albtraum. Wie den meisten arabischen Ländern wäre es Syrien am liebsten, die Palästinenser würden einfach verschwinden.
Jordanien, Ägypten, der Libanon und Syrien stehen einer „regionalen Lösung“ also eher misstrauisch gegenüber. Kein Wunder: Sie stellt eine massive Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit dar. Welche arabischen Länder würden also mithelfen, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu beenden? Saudi-Arabien? Katar? Kuwait? Oman? Tunesien? Marokko? Wirklich?
Israel ist als jüdischer Staat mit den palästinensischen Bestrebungen unvereinbar. Kein arabischer Führer der Welt kann die Palästinenser davon überzeugen, das „Rückkehrrecht“ für palästinensische Flüchtlinge aufzugeben oder eine Lösung zu akzeptieren, die es Israel erlaubt, die Kontrolle über bestimmte Teile des Westjordanlandes und Ostjerusalems zu behalten. Jeder arabische oder palästinensische Führer, der sich für einen solchen Kompromiss ausspricht, riskiert sein Leben. Und in die palästinensische Geschichte wird er als „Verräter“ eingehen, der sich den Juden verkauft und amerikanischem und israelischem Druck nachgegeben hat.
Darüber hinaus sind Abbas und die Palästinensische Autonomiebehörde überhaupt nicht an irgendeiner arabisch-israelischen Annäherung interessiert. Abbas und sein Gefolge in Ramallah haben schon schlaflose Nächte wegen der Gespräche zwischen Israel und einigen arabischen Staaten, insbesondere Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten. Das ist – schlicht und einfach – „Normalisierung“. Eine solche „Normalisierung“ muss nach Ansicht der PA der Zeit vorbehalten bleiben, nachdem Israel sich ihren Forderungen gebeugt hat.
Abbas’ Außenminister, Riad al-Malki, machte diese Woche deutlich, dass die Palästinenser den Gedanken einer „regionalen Lösung“ ablehnen, die Arabern eine Rolle im Friedensprozess zuweist. Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu, meinte er, gehe falsch in der Annahme, aus einer Annäherung zwischen Israel und einigen arabischen Ländern könne irgendetwas Gutes hervorgehen. Al-Malki bezeichnete Netanyahus „regionalen Ansatz“ als „verquere Politik“ und fügte hinzu: „Netanyahu glaubt, er könne die Palästinenser zu Verhandlungen mit Israel zwingen, indem er Verbindungen zu arabischen Regierungen knüpft.“ Nach seiner Ansicht wünschen sich die Palästinenser die Europäer und nicht die Araber an ihrer Seite, wenn sie mit Israel „verhandeln“. Der palästinensische Aussenminister sagt damit, dass die Palästinenser lieber die Europäer dabeihätten als ihre arabischen Brüder, wenn es darum geht, Israel auszuquetschen. Die Palästinenser halten dies für die bessere Wahl.
In jedem Fall wäre jede „regionale Lösung“ unter Beteiligung arabischer Staaten zum Scheitern verurteilt, weil die Palästinenser und ihre arabischen Brüder sich gegenseitig hassen. Darüber hinaus würden Bedingungen, die Abbas von einem solchen Bündnis diktiert würden, selbst wenn er sie annähme, von seinen eigenen Leuten abgelehnt. Jede von arabischen Regierungen angebotene Lösung wird immer nur als „amerikanisch-zionistisches Diktat“ betrachtet.
Und das wollen die Palästinenser wirklich: die Europäer benutzen, um Israel eine „Lösung“ aufzuzwingen. Deshalb verbeißt sich Abbas in den Gedanken einer internationalen Konferenz so wie ein Hund, der verzweifelt an seinem Knochen festhält.
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent. Artiekl zuerste erschienen auf Audiatur Online. Auf Englisch zuerst publiziert bei Gatestone Institute.