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Warum die Hamas gerade Kämpfer verhaftet, die Raketen auf Israel abfeuern

Hamas-Sicherheitskräfte bei einer Präsentation ihrer Fähigkeiten
Hamas-Sicherheitskräfte bei einer Präsentation ihrer Fähigkeiten (Quelle: JNS)

Die Muslimbruderschaft, deren palästinensischer Ableger die Hams ist, vermeidet den permanenten Dschihad und bevorzugt eine geduldige Strategie des Aufbaus.

Ariel Ben Solomon

Die Hamas hat kürzlich zwei Männer verhaftet, weil sie Raketen auf Israel abgefeuert haben, was den Pragmatismus der Terrorgruppe unter Beweis stellt, nicht aber ihre Mäßigung. Die Hamas, ein Ableger der Muslimbruderschaft, hat zwar ideologische rote Linien, die sie nicht überschreiten würde, versucht aber gleichzeitig auch, praktische Lösungen für ihr Dilemma zu dass, wenn sie es mit einem weitaus stärkeren israelischen Militär zu tun hat.

»Es ist klar, dass die Hamas derzeit nicht an einem Konflikt mit Israel interessiert ist«, erklärte Ido Zelkovitz, Leiter des Nahoststudienprogramms am Max Stern Yezreel Valley College, gegenüber Jewish News Syndicate. Eine der obersten Prioritäten der Hamas momentan sei ein Abkommen, das die Freilassung ihrer Gefangenen durch Israel zur Folge hätte. »Ein solches Abkommen wäre ein politischer Sieg und würde ihr im Wettbewerb mit der Palästinensischen Autonomiebehörde Auftrieb geben«, sagte Zelkovitz, der auch Forschungsstipendiat am Chaikin-Lehrstuhl für Geostrategie an der Universität Haifa ist.

Interne Gründe

Sicherheitskräfte der Hamas nahmen vergangene Woche zwei Palästinenser fest, nachdem sie am einige Tage zuvor vier Raketen auf Israel abgefeuert hatten; ein Angriff, der gegen die Waffenruhe verstieß und einen Vergeltungsangriff Israels auslöste, wie eine der Hamas nahestehende Quelle in Gaza gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte: »Die palästinensischen Gruppierungen haben nichts mit diesen Raketen zu tun, die darauf abzielen, der Besatzung [Israel] einen Vorwand für die Fortsetzung ihrer Aggression zu liefern.«

Die Raketen wurden nur wenige Stunden nach dem Sieg von Likud-Chef Benjamin Netanjahu bei den israelischen Wahlen am 1. November und nur wenige Tage nach der Tötung eines Führers des Islamischen Dschihad in der Westbankstadt Nablus durch israelische Streitkräfte abgefeuert.

Kobi Michael, leitender Forscher am israelischen Institut für nationale Sicherheitsstudien (INSS) an der Universität Tel Aviv, stimmt dem Kern der Aussagen zu und meint, es sei nicht überraschend, dass die Hamas im Moment an einem Krieg nicht interessiert sei: »Die Hamas will die Ruhe nutzen, um die wirtschaftliche Situation und den Lebensstandard im Gazastreifen weiter zu verbessern. Sie will auch ihre militärischen Kapazitäten wieder aufbauen, die während der ›Operation Guardian of the Walls‹, dem Krieg mit Israel im Mai 2021, dramatisch beschädigt wurden.«

Darüber hinaus, so Michael weiter, »ist die Hamas daran interessiert, die Gelegenheit zu nutzen und den Islamischen Dschihad, ihren wichtigsten politischen Gegner [in Gaza], weiter zu schwächen«.

Pragmatismus, nicht Mäßigung

Meir Litvak, Hamas-Experte an der Universität Tel Aviv, gibt in einem Artikel Beispiele dafür, wie die Ideologie des Dschihad und des Märtyrertums der Hamas durch ihren Wunsch nach taktischen Siegen ausgeglichen wird.

»Wie die meisten anderen sunnitischen Bewegungen hat die Hamas die messianischen Elemente des Islam auf eine zweitrangige Ebene gestellt, da die Organisation viel mehr an der Errichtung eines islamischen Staates im Hier und Jetzt interessiert ist«, schrieb er in seinem 2010 in der Zeitschrift Studies in Conflict & Terrorism erschienen aufsatz ›Martyrdom is Life‹: Jihad and Martyrdom in the Ideology of Hamas (dt.: ›Martyrium ist Leben‹: Dschihad und Märtyrertum in der Ideologie der Hamas).

»Die einzige Ausnahme ist die eschatologische Bedeutung, welche die Hamas dem Dschihad gegen die Juden beimisst, den sie als Voraussetzung für die Erfüllung des Versprechens Allahs betrachtet, seine Herrschaft über die Erde zu errichten«, erklärt Litvak.

So habe beispielsweise der damalige Hamas-Chef Khaled Mashal 2008 erklärt, dass die Zustimmung zu einer kurzen Waffenruhe (tahdi’a) in den Kämpfen mit Israel nicht als Signal »für den Übergang von einer Phase des Widerstands und der Kämpfe zu einer Phase der Ruhe« gedacht sei. Nach dem Konzept der Hamas zur Lösung dieses Konflikts ist die tahdi’a vielmehr ein taktisches Mittel. »Sie ist ein Schritt innerhalb des Widerstands und nicht losgelöst von ihm«, so Mashal.

Obwohl das langfristige Ziel der Hamas die Zerstörung Israels und seine Ersetzung durch einen islamischen Staat ist, ist sie sich bewusst, dass dies derzeit nicht möglich ist und sie kleine, schrittweise Siege erringen muss, statt einen kontinuierlichen, selbstzerstörerischen Dschihad zu führen, den Israels überwältigende Militärmacht schnell zerschlagen würde.

Die Organisationen und Bewegungen der Muslimbruderschaft, deren palästinensischer Ableger die Hamas ist, neigen dazu, einen ununterbrochen geführten Dschihad zu vermeiden, und bevorzugen eine geduldige Strategie des Aufbaus von Unterstützung an der Basis durch ihre sozialen Dienste und Bildungseinrichtungen.

Das Ziel, ein weltweites Kalifat zu errichten, unterscheidet sich zwar nicht von dem Ziel anderer dschihadistischer Gruppen wie dem Islamischen Staat, doch zieht die Muslimburderschaft es vor, dieses Ziel auf lange Sicht zu erreichen, anstatt – ungeachtet der Stärke des Gegners – auf ständigen Angriffen ohne jede Zurückhaltung zu setzen.

Die jüngsten Verhaftungen der für den Raketenbeschuss Israels Verantwortlichen sind kein Zeichen der Mäßigung, sondern zeigen vielmehr, dass nach Ansicht der Hamas-Führung aktuell nicht der richtige Zeitpunkt für solche Angriffe sei.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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