„Die Ratlosigkeit hängt mit der Wahrnehmung der jüngsten Verbrechen zusammen. Viele bezweifeln, dass in Orlando tatsächlich der IS zugeschlagen hat. Man habe es mit ‚einsamen Wölfen‘ zu tun, die ‚eher mit Amokläufern‘ zu vergleichen seien, schreibt beispielsweise die Zeit. Es handle sich um Terror, der ‚nichts will‘, dessen Ziel also ‚der pure Schrecken‘ sei. Wer so argumentiert, klammert die Erklärungen des IS aus – Erklärungen, in denen er das Ziel der Massaker klar und zwecklogisch benennt: Sie sollen die Regierungen der Anti-IS-Koalition dazu nötigen, ihre Luftschläge auf den IS im Irak und in Syrien zu beenden. Eben deshalb rief IS-Sprecher Sheikh Abu Muhammad al-Adnani im Mai die IS-Sympathisanten im Westen dazu auf, nicht länger nach Syrien zu strömen, sondern sich als ‚Soldaten des Kalifats‘ aufs Blutvergießen im eigenen Land zu verlegen. (…)
Für den IS ist der Terror also kein Selbstzweck, sondern eine gezielt eingesetzte Waffe im religiösen Krieg. Taktisch soll sie die Staaten, die den IS militärisch angreifen, zu einem Kurswechsel veranlassen und strategisch die globale Unterordnung unter Allah (al-Adnani: ‚We will fight, and fight, and fight, until the religion is entirely for Allah‘) vorantreiben. (…) Den Jihadismus und dessen Ideologie präzise zu bestimmen, ist Voraussetzung, um das Ausmaß der potentiellen Gefahr zu ermessen.“
(Matthias Küntzel: „Ideologie der Todesliebe“)