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Warum der Atheismus im arabischen Raum als größte Gefahr gilt

Warum der Atheismus im arabischen Raum als größte Gefahr gilt„Es gibt eine Sache, worüber bei den meisten politischen Mächten in der islamischen Welt Einigkeit herrscht: In der Verteufelung und Unterdrückung von Atheisten sind Regierungen wie Oppositionsparteien auf Augenhöhe. Es ist keineswegs übertrieben, zu behaupten, dass ein Bekenntnis zum Atheismus in muslimischen Ländern mehr Mut erfordert, als den Umsturz von Monarchien oder einen Regimewechsel zu verlangen. Atheisten werden in islamischen Ländern nicht nur häufig ausgegrenzt und geächtet, sondern auch des Terrorismus bezichtigt oder als ‚soziale Gefahr‘ gerichtlich belangt. Saudiarabien etwa hat den Atheismus in sein Terrorgesetz mit aufgenommen. Unter der Kuppel des ägyptischen Parlaments arbeiten die Minister gerade an einem Gesetzentwurf zur Kriminalisierung des Atheismus. Gemeinsam mit der Al-Azhar-Universität, der höchsten religiösen Autorität im Land, berät das Religionskomitee über Strafmaßnahmen, die Atheisten zukünftig abschrecken sollen. (…)

Um die Frage [warum Atheismus als größte Gefahr gilt] beantworten zu können, muss man die Rolle der Religion im politischen Kontext verstehen. Fehlt es einem Regime an demokratischer Legitimität, stellt die religiöse Legitimität seine wichtigste Rechtfertigung dar. Das gilt insbesondere für Länder wie Ägypten, wo bei einer 2013 lancierten Umfrage des Pew-Forums 86 Prozent aller Muslime die Meinung vertraten, dass die Abwendung vom Islam gemäß  dem Gebot der Scharia mit dem Tod bestraft werden solle. Das ägyptische Militärregime, das aufgrund seiner Verstöße gegen die Menschenrechte in der Kritik steht, wird bei Bedarf nicht zögern, die Islam-Karte auszuspielen. Diese Strategie wird von Militärregimen in muslimischen Ländern sehr häufig angewendet. So können sie Systeme aufbauen, die mit der religiösen Einstellung der Mehrheit des Landes in Einklang sind. (…)

In westlichen Gesellschaften mag Atheismus eine freie persönliche Wahl sein, die keine sozialen oder politischen Konsequenzen mit sich bringt; in muslimischen Ländern hingegen ist man nicht frei, seine Beziehung zur Religion selbst zu bestimmen, da diese nicht nur zur Legitimation des Regierungssystems beiträgt, sondern auch einen essenziellen Aspekt der Identität der Gesellschaft und des Gesellschaftsvertrags darstellt. Diese Tatsache bringt den Atheisten unweigerlich mit einer Schlüsselkomponente der kollektiven Identität und mit den Gesetzen in Konflikt, da Letztere entweder komplett oder zumindest teilweise aus der Scharia abgeleitet sind, insbesondere diejenigen mit Bezug auf Familie und persönliche Freiheiten.“ (Kacem El Ghazzali: „Atheisten – Terroristen? Die arabischen Regime suchen ihre Feinde am falschen Ort“)

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