Latest News

Strategiewandel im Nahen Osten: Ernüchterung für ideologische Brandstifter

Davidstern auf Burgerking: Antisemtische Demonstration am 15. Oktober in Barcelona
Davidstern auf Burgerking: Antisemtische Demonstration am 15. Oktober in Barcelona (© Imago Images / NurPhoto)

Die jüngsten Verschiebungen infolge des Gaza-Krieges markieren eine Wende in der Region. Diese geopolitische Realität kollidiert fundamental mit dem Weltbild radikaler Israelkritiker – was zu einer weiter erhöhten Faktenresistenz bei diesen führt.

Der 13. Oktober 2025 war ein Datum, das als Zäsur in die Chroniken des Nahostkonflikts eingehen wird. An diesem Tag verlor die Hamas einen ihrer zentralen Machtfaktoren: die völkerrechtswidrige Nutzung von Geiseln als politisches Druckmittel. Mit dem Schwinden dieser moralisch verwerflichen, aber bislang wirksamen Taktik, gerät die islamische Terrororganisation zunehmend in eine strategische Defensive.

Gleichzeitig beobachten wir eine tektonische Verschiebung auf diplomatischer Ebene: Immer mehr arabische und islamisch geprägte Staaten verabschieden sich vom jahrzehntelangen Narrativ des ewigen Widerstands gegen Israel. Stattdessen rücken pragmatische Interessen in den Vordergrund: wirtschaftliche Kooperation, sicherheitspolitische Stabilität und geopolitische Vernunft. Israel wird nicht mehr pauschal als Paria behandelt, sondern zusehends als Partner betrachtet – ein Umdenken, das in westlichen Kommentariaten bislang zu wenig Beachtung findet.

Diese Entwicklungen treffen bestimmte Kreise ins Mark; und zwar jene, die sich seit jeher an der Vorstellung eines untergehenden jüdischen Staates festklammern. Für radikale Linke, Islamisten und Antisemiten markiert dieser Moment eine bittere Ernüchterung. Ihre narrative Basis wird bloßgestellt. Doch anstatt einer kritischen Selbstkorrektur reagieren sie mit Faktenresistenz.

Wahrheitsverweigerung

Die seit dem 13. Oktober herrschende Realität widerspricht stellt die Free-Palestine-Community vor ein Dilemma. Viele Israelkritiker haben zwei Jahre lang so laut und unaufhörlich eine Feuerpause in Gaza gefordert, dass ihre Stimmbänder nun offenbar nicht mehr dazu imstande sind, der Freude über denanhaltenden Waffenstillstand Ausdruck zu verleihen.

Dass die Waffen der IDF schweigen, hält die Verfechter der Causa Palästina jedoch nicht davon ab, öffentlich die De-facto-Fortsetzung des Angriffskrieges gegen Israel zu fordern. Das sehen wir bei den teils sehr gewaltsamen propälestinensischen Ausschreitungen, besonders in Berlin, Bern, Barcelona und Bologna. Weit über Europa hinaus richtet sich der »Widerstand« gegen die Wahrheit. Zohran Mamdani etwa, Sohn des postkolonialen Intellektuellen Mahmood Mamdani, bringt dessen Denken in die amerikanische Linke ein. Stichwort Antizionismus. Als aussichtsreicher Bürgermeisterkandidat von New York steht Mamdani der Partei Democratic Socialists of America (DSA) nahe, deren offizielle Stellungnahme zum Waffenstillstand in Gaza klar macht:

»Das bedeutet nicht, dass der Kampf vorbei ist. […] Um über einen vorübergehenden Waffenstillstand hinauszukommen, müssen wir weiter organisieren. […] Die DSA wird weiterhin für das Ende der Apartheid und für ein freies Palästina kämpfen […] bis zur vollständigen Befreiung.«

Die DSA hat übrigens auf ihrem Parteitag beschlossen, dass Unterstützung für das Recht Israels auf Selbstverteidigung eine strafbare, durch Ausschluss zu ahnende Position sei.

Es handelt sich um eine kognitive Dissonanz, die sich in aggressiver Ablehnung und teils grotesker Argumentation niederschlägt. Israels Widerstandsfähigkeit sein wachsender Rückhalt in der Region – all das wird nicht als die Wirklichkeit, sondern als eine Provokation wahrgenommen. Dabei dient diese Leugnung der Tatsachen nicht nur der seelischen Selbstberuhigung im propalästinensischen Lager, sondern auch explizit propagandistischen Zwecken. Die Übernahme und Verbreitung der Superlativnarrative von »Apartheid«, »Genozid« und »Nazi-Wiedergänger« streben die Delegitimierung des jüdischen Staates an. Hier haben wir es mit der psychologischen Kriegsführung gegen Israelis und Juden zu tun, einer Beschäftigung, die sowieso kein Friedensabkommen anerkennt.

Neue, pragmatische Allianzen

Während westliche Öffentlichkeit und Medien oft noch im alten Koordinatensystem der Nahost-Analyse verharren, vollzieht sich in der Region selbst eine strategische Neuausrichtung von historischer Tragweite. Immer mehr arabische und islamische Staaten lösen sich von der überkommenen Vorstellung, Israel müsse als Paria behandelt werden. Stattdessen erkennen sie das Land zunehmend als Partner in wirtschaftlichen, technologischen und sicherheitspolitischen Fragen.

Die Triebkräfte dieses Wandels sind vielfältig und weitgehend von Pragmatismus geprägt: Sicherheitspartnerschaften zur Eindämmung des iranischen Einflusses, Zugang zu israelischer Hochtechnologie, Kooperationen in der Wasserwirtschaft, Landwirtschaft oder Cybersicherheit – all das macht Israel zu einem attraktiven Partner. Der geopolitische Mehrwert überlagert zunehmend die symbolische Funktion des palästinensischen Narrativs, das in vielen Hauptstädten der Region an strategischer Relevanz verliert.

Diese tektonische Verschiebung verändert das regionale Gleichgewicht fundamental und untergräbt zugleich die Legitimität jener politischen Lager, die ihr Selbstverständnis aus Israels vermeintlicher Schwäche und Verworfenheit ableiteten. Für die Islamische Republik Iran, aber auch für ideologische Akteure im Westen, die jahrzehntelang auf den Zusammenbruch der israelischen Position hofften, wird diese Entwicklung zur politischen Zumutung.

Parallel zu diesen äußeren Dynamiken findet eine innere Erosion der Hamas-Herrschaft statt. Der Verlust strategischer Erpressungsmittel – nicht zuletzt der lebenden Geiseln – markiert eine entscheidende Schwächung der Organisation.

Und wer nach außen keine Stärke mehr demonstrieren kann, muss umso mehr Gewalt nach innen anwenden, um die Kontrolle zu behalten. Aktuelle Berichte über willkürliche Repressionen, öffentliche Exekutionen und die Einschüchterung der eigenen Bevölkerung sind Ausdruck genau dieser Verzweiflung. Die Hamas versucht, ihre Legitimität nicht mehr durch die Intifada, sondern durch innenpolitische Daumenschrauben zu erhalten – vor allem im Konkurrenzkampf mit anderen palästinensischen Kräften wie der Fatah oder den Clans, deren Mitglieder in der Trümmerlandschaft beliebig als Raubritter und Richter agieren. Was nach außen als ideologische Härte inszeniert wird, ist in Wahrheit ein Versuch, den Zerfall der eigenen Erzählung zu kaschieren.

Aussichten

Hier im Westen stehen wir vor der Herausforderung, die ideologisierte Debatten zu entgiften. Die Realität in der betroffenen Region entwickelt sich dynamisch weiter, während Teile des Diskurses hierzulande in Denkmustern verharren, die von simplifizierenden Schuldzuweisungen und moralischer Überhöhung geprägt sind.

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den politischen Realitäten – inklusive der komplexen Interessenlagen arabischer Staaten – verlangt intellektuelle Redlichkeit und Bereitschaft zur Differenzierung. Wenn die Debatte nicht reformiert wird, droht sie zum Echoraum überholter Feindbilder zu verkommen.

Diplomatisch eröffnet sich zugleich eine bemerkenswerte Chance: Die sich abzeichnenden Allianzen zwischen Israel und arabischen Staaten bieten erstmals seit Jahrzehnten das Potenzial für eine stabilitätsorientierte Regionalordnung, die nicht auf ideologischer Feindschaft, sondern auf gemeinsamen Interessen basiert: Wasser, Energie, Sicherheit und Technologie könnten zu Brücken werden, wo bislang Gräben dominierten.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!