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Wahlen in Israel: Sind aller guten Dinge drei?

Die beiden Hauptkontrahenten Benny Gantz und Benjamin Netanjahu
Die beiden Hauptkontrahenten Benny Gantz und Benjamin Netanjahu (© Imago Images / UPI Photo)

Am vergangenen Montag kam es zum dritten Mal innerhalb eines Jahres zu Parlamentswahlen in Israel. Dass ein solcher Wiederholvorgang überhaupt entstehen kann, liegt teils an der ideologischen Spaltung der Bevölkerung und teils am lokalen Wahlsystem.

Das israelische Parlament, die Knesset, besteht aus 120 Abgeordneten. Wer eine Regierung bilden will, der muss zumindest eine einfache Mehrheit, sprich 61 Parlamentarier, stellen und damit 61 Mandate einbringen. Das ist in den letzten zwei Wahlgängen weder dem amtierenden Staatschef Benjamin (Bibi) Netanjahu noch seinem Herausforderer Benny Gantz geglückt. Wird es diesmal gelingen?

Anfänglich sah es wohl danach aus. Kurz nach Wahlschluss schien Netanjahu der klare Sieger. Dabei hatte man ihm ursprünglich wenig bis gar keine Chancen eingeräumt. Zu viel sprach gegen ihn: Drei offizielle Anklageschriften; zwei ebenso sichtbare, wie mehrheitlich unbeliebte Familienmitglieder; und eine ausgesprochen kritisch eingestellte Medienlandschaft.

Feuriger Wahlkampf

All diese Widrigkeiten schienen Bibi aber nur zusätzlich anzuspornen. Zunächst machte er innenpolitisch bei den Likud-Vorwahlen Furore. Und zwar nicht nur, weil er seinen ehemaligen Kronprinzen, Gideon Saar, aus dem Feld schlug, sondern weil er sich im Zuge dieses Wahlkampfs nach langer Zeit wieder auf seine Wählerbasis besann, mit ihr auf Tuchfühlung ging und sie meisterhaft zu motivieren wusste.

Danach fuhr er einen spektakulären, außenpolitischen Erfolg nach dem anderen ein. In Washington stellte er mit Trump den „Peace to Prosperity“-Plan vor; in Moskau bekam er bei Putin eine in Russland festgehaltene israelische Studentin frei; und in Afrika erwirkte er bei den Staatsoberhäuptern von Uganda und vom Sudan eine Verbesserung der diplomatischen Beziehungen mit Israel.

Schließlich gelang ihm ein weiterer Coup: Er zog sein Ansuchen nach Immunität zurück. Damit nahm er seinem Kontrahenten den Wind aus den Segeln und das Thema seiner juristischen Probleme aus den Schlagzeilen.

Trügerischer Wahlausgang

Kurz: Bibi ging mit Schwung in den Wahltag, und als der sich zu Ende neigte, zeichnete sich ein großer Erfolg für den Premier ab: 60 Mandate für die Likud und ihre angestammten Koalitionspartner und nur 54 für das Blau-Weiß-Bündnis und seine Partner. Das 61-Mandate-Ziel für Bibi schien an jenem Abend greifbar nahe, zumal die Stimmen noch nicht ausgezählt waren.

Es regnete also Konfetti, und die Spekulationen darüber, wer nun im Kabinett sitzen würde und wer nicht, liefen auf Hochtouren. Man überlegte, ob Gantz bald abtreten oder weiterkämpfen würde, und ob Netanjahu nun über die Einführung des „französischen Gesetzes“ seine Gerichtsverhandlung auf die lange Bank werde schieben können.

Der Reality Check

Die Ernüchterung kam mittwochs mit der nun fast endgültigen Stimmenauszählung. Der rechte Likud-Block ist auf 58 Mandate zurückgefallen, hat also drei weniger als die erforderliche Mindestanzahl für eine Regierungsbildung. Das Blau-Weiß -Bündnis unter Gantz kommt mit seinen Koalitionspartnern auf 40 Mandate. Gemeinsam mit der arabischen Joint List, liegt Benny Gantz nun mit 55 Mandaten nur knapp hinter seinem Widersacher.

Dann gibt es noch Israel Beiteinu, die Partei des Avigdor Lieberman, der wie ehedem das Zünglein an der Waage sein könnte, sich aber zu keinem der beiden großen Bündnisse bekennen will. Bei einem stören ihn die Person des Premiers und die Mitwirkung der Religiösen; beim anderen stößt er sich an der linken Ideologie und der Teilnahme der israelischen Araber.

Mögliche Szenarien

Kurz: Die Wahl wurde von Netanjahu zwar gewonnen, ihr Ausgang ist aber noch ungewiss. Denkbar sind einige Szenarien:

  • Der Zauberkünstler Netanjahu könnte versuchen, zumindest drei Politiker aus dem Gegenlager zum Überlaufen zu bewegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm das gelingt ist allerdings, besonders ob der fallenden Anzahl seiner Mandate, äußerst gering.
  • Der konstante Verweigerer Lieberman könnte sich, entgegen seiner Beteuerungen, dem Likud-Block anschließen. Auch hier stehen die Chancen gleich Null, zumal Lieberman seinen ehemaligen Chef Netanjahu unverhohlen feindlich gegenübersteht.
  • Der ehemalige Militärchef Gantz könnte Lieberman zu sich ziehen und sich dann in der einen oder anderen Weise auf die arabische Joint List-Partei stützen. So hätte er ein regierungsfähiges Bündnis geschaffen, aber sein Wahlversprechen gebrochen.
  • Die beiden Großparteien könnten ihre eigenen machtpolitischen Ansprüche hinten anstellen und eine große Koalition bilden.
  • Tja, und dann bleibt immer noch die Möglichkeit einer vierten Wahl! Und damit diese nicht wieder in einer Patt-Situation ausartet, haben einige im Anti-Bibi-Lager einen ausgetüftelten Plan konzipiert. Gemeinsam wollen sie im gegenwärtigen Plenum ein Gesetz einbringen, wonach ein Kandidat, der unter Anklage steht, keine Regierung bilden darf. Bei den vierten Wahlen würde Bibi dann wohl gar nicht antreten, denn auch wenn er gewinnen würde, könnte er sein Amt nicht mehr ausüben.
    Netanjahu hat mittlerweile von diesem Plan Wind bekommen. Er warnt, ein solcher Vorgang würde die Demokratie im Staate Israel untergraben, denn schließlich hätten ihn rund 1,350.000 Israelis gewählt. Man könnte sich über ihre Stimmen nicht einfach hinwegsetzen.

So klug als wie zuvor

Wie also sieht es nach den dritten Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres in Israel aus? Ebenso so komplex und ungewiss wie ehedem.

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