Damit der Waffenstillstand erfolgreich ist, muss Beirut entschlossene Maßnahmen zur Entwaffnung der Hisbollah ergreifen und seine Souveränität im Süden des Landes an der Grenze zu Israel durchsetzen.
Sarit Zehavi
Nach dem Ende Januar erfolgten Ablauf der im Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und dem Libanon festgelegten Sechzig-Tage-Frist für den Abzug der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) aus dem Südlibanon und deren Verlängerung bis Mitte Februar bleiben wichtige Fragen unbeantwortet und weitere Herausforderungen bestehen.
Das Waffenstillstandsabkommen ist von Natur aus asymmetrisch, denn Israel war ursprünglich gemäß seiner Bedingungen verpflichtet, sich innerhalb von sechzig Tagen (bis zum 26. Januar, was nun bis zum 18. Februar verlängert wurde) zurückzuziehen, während die libanesischen Streitkräfte (LAF) lediglich verpflichtet sind, endlich mit der Umsetzung der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats zu beginnen, einem bereits achtzehn Jahre alten Mandat, das nie vollständig durchgesetzt wurde.
Dieses Ungleichgewicht wirft einige Bedenken auf: Israel ist an eine feste Frist gebunden, während die Verpflichtungen des Libanon vage bleiben und es keine klaren, offiziell formulierten Maßstäbe für die Entwaffnung der Hisbollah und deren kontinuierliche Durchsetzung gibt.
Leeres Versprechen
Historisch gesehen war die Resolution 1701 ein leeres Versprechen. Der achtzehn Jahr alte Erlass fordert die Entwaffnung illegitimer, also nicht-staatlicher Akteure südlich des Litani-Flusses im Südlibanon. Die Hisbollah hat ihr Waffen- und Raketenarsenal jedoch nicht nur behalten, sondern es nach 2006, jenem Jahr, in dem die UN-Resolution zur Beendigung des Zweiten Libanonkriegs verabschiedet wurde, sogar noch erweitert.
Trotz sporadischer Einsätze haben die libanesischen Streitkräfte weder die Fähigkeit noch den Willen gezeigt, die Resolution wirksam durchzusetzen. Die jüngste öffentlichkeitswirksame Entdeckung und Beschlagnahmung von alten, schlecht gewarteten Raketen durch die LAF ist ein Sinnbild für dieses Versagen. Solche Aktionen sind weit von einer robusten Durchsetzung der UN-Resolution entfernt, die erforderlich wäre, um die militärische Infrastruktur der Hisbollah im Südlibanon zu zerschlagen und eine erneute Verankerung der Hisbollah zu verhindern.
Sieht man sich im Gegenzug die fortschrittlichen Waffen an, die von den IDF aus den Stellungen der Hisbollah abtransportiert wurden, und die enorme Menge an anderen Waffen, die ebenfalls von Israel beschlagnahmt wurden, verdeutlicht dies die Einschätzung, dass die libanesischen Truppen mehr als zahnlos in ihrem Vorgehen gegen die Hisbollah sind.
Die LAF haben, wie in Resolution 1701 festgelegt, Truppen in Gebiete südlich des Litani-Flusses verlegt. Während diese Truppenverlegung zwar stolz öffentlich gemacht wurde, reicht sie jedoch bei Weitem nicht aus. Eine echte Durchsetzung erfordert die Entfernung der Waffen der Hisbollah aus zivilen Häusern und Dörfern, ihre Verbringung an sichere Orte und eine transparente Berichterstattung. Im Gegensatz dazu hat das libanesische Militär vor dem aktuellen Krieg Waffen beschlagnahmt, die sie anschließend an die Hisbollah retournierten.
Obendrein war die Bodenoffensive der israelischen Armee auf einen Radius von wenigen Kilometer im Südlibanon begrenzt; in den Gebieten nördlich davon hat die Hisbollah weiterhin ihre militärischen Ressourcen verankert. Wie die jüngste Geschichte gezeigt hat, reichen Luftangriffe allein nicht aus, um versteckte Waffenlager unschädlich zu machen.
Politische Zukunft ungewiss
Die allgemeine politische Dysfunktion erschwert die Durchsetzung des Waffenstillstandsabkommens. Der neu ernannte Premierminister Nawaf Salam steht nun vor der monumentalen Aufgabe, eine Regierung zu bilden, deren Zusammensetzung darüber entscheiden wird, ob der Einfluss der Hisbollah im Libanon zu- oder abnimmt. Solange die provisorische libanesische Regierung noch im Amt ist, wird die Hisbollah die Kontrolle über wichtige Regierungsressorts wie das für öffentliche Arbeiten haben, was ihr Zugang zu wichtigen Infrastrukturen und Grenzübergängen sowie zum internationalen Flughafen Hariri in Beirut verschafft.
Die neue Regierung muss entscheiden, ob sie die Macht der Hisbollah infrage stellen oder ob sie der Terrorgruppe entgegenkommen will – eine Entscheidung, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft des Libanons haben wird. Als Mitglied der Regierung wird die Hisbollah ihre Macht nutzen, um die Staatsmacht daran zu hindern, sie zu entwaffnen.
Der Kern der Krise im Libanon liegt in der grundlegenden Beziehung zwischen dem Staat und der Hisbollah. Im Gegensatz zu den meisten Nationen hat der Libanon die Hisbollah nicht als terroristische Organisation eingestuft. Dies ermöglicht es der iranischen Stellvertretermiliz, ungestraft zu agieren, an der Regierung teilzunehmen und gleichzeitig eine parallele militärische und zivile Struktur aufrechtzuerhalten. Solange diese Doppelrolle fortbesteht, kann Beirut keine echte Souveränität oder Stabilität erreichen.
Ohne die Rolle der Hisbollah als Staat im Staat zu thematisieren und anzugehen, werden Bemühungen, sie zu entwaffnen, wirkungslos bleiben. Selbst nach den deutlichen Rückschlägen, die sie erlitten hat, ist die schiitische Terrorgruppe bereits wieder mit dem Wiederaufbauprozess ihrer eigenen zivilen und sozialen Basis beschäftigt, während sie ihren Status als Staat im Staat beibehält.
Große Unsicherheit
Ein Scheitern bei der Durchsetzung des Waffenstillstandsabkommens wird spürbare Folgen für die Menschen im Libanon und in Israel haben. Für die israelischen Zivilisten im Norden wirft die Aussicht auf erneute Feindseligkeiten, die sich aus einer Reaktion der Hisbollah auf mögliche israelische Durchsetzungsbemühungen zur Eindämmung der Terrorgruppe ergeben könnten, einen Schatten auf die Zukunft des täglichen Lebens. Damit der Waffenstillstand erfolgreich ist, muss die libanesische Regierung entschlossene Maßnahmen zur Entwaffnung der Hisbollah ergreifen und ihre Autorität durchsetzen, was nicht zuletzt eine Schließung der Hisbollah-Banken und damit eine Austrocknung ihrer finanziellen Ressourcen beinhalten müsste.
Amerika kommt als Vermittler und Garant des Waffenstillstands eine entscheidende Rolle zu. Es wird entscheiden müssen, wie es reagieren wird, wenn die libanesische Armee trotz ihres Einsatzes im Südlibanon den Waffenstillstand nicht durchsetzen kann. Die USA müssen den Libanon für seine Verpflichtungen gemäß Resolution 1701 in die Verantwortung nehmen und Transparenz sowie messbare Fortschritte mit einer klaren Frist fordern.
Je näher der Abzugstermin rückt, desto größer wird die Unsicherheit. Wird die libanesische Armee mit der Durchsetzung der Waffenruhe beginnen? Wird die Hisbollah Vergeltung üben, wenn ihre Aktivitäten von den israelischen Streitkräften mit Waffengewalt und Luftangriffen eingeschränkt werden, wie es derzeit der Fall ist? Und wird die internationale Gemeinschaft den Libanon zur Rechenschaft ziehen, falls er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt?
Für Israel ist das Dilemma akut. Ein Abzug, wie er im Rahmen des Waffenstillstands vereinbart wurde, birgt das Risiko, dass ein Teil der Infrastruktur der Hisbollah intakt bleibt und sie sich erneut verschanzt, was eine anhaltende Bedrohung für den jüdischen Staat darstellt. Ein Verbleib im Südlibanon über die vereinbarte Frist hinaus birgt jedoch das Risiko internationaler Verurteilung und wird die Spannungen mit der Hisbollah eskalieren lassen.
Letztendlich hängt die Zukunft des Libanons von der Lösung der grundlegenden Spannung zwischen ihm als souveränem Staat und der Hisbollah als einem vom Iran unterstützten Staat im Staat ab. Ohne diese Ursache zu beseitigen, wird jeder Waffenstillstand oder jede Vereinbarung nur ein vorübergehender Verband für eine chronische Wunde sein. Beirut muss sich entscheiden, ob es ein souveräner Staat oder ein Gastgeber für eine iranische Terrorarmee sein will – und die internationale Gemeinschaft muss den Libanon entschlossen dazu drängen, die richtige Entscheidung zu treffen.
Sarit Zehavi ist Gründerin und Präsidentin des Alma-Forschungs- und Bildungszentrums, das sich auf die Sicherheitsherausforderungen Israels an den nördlichen Grenzen konzentriert. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)
Davon, dass Israel und der Libanon am 27. Januar die Friste verlängert haben, in der die IDF den Süden des Landes verlassen soll, scheint @Gawhary auch noch nichts gehört zu haben – oder er findet es nicht notwendig, dies dem @ORF-Publikum mitzuteilen. https://t.co/A8zyyUOInB pic.twitter.com/zCbyEdyQQl
— Mena-Watch (@MENA_WATCH) January 30, 2025